Immer wieder blickte der Angeklagte auf seine Hände und den Tisch vor sich. Während Aussagen begann er teilweise zu stottern, seine Stimme war leise. Während der gesamten Verhandlung am Amtsgericht Überlingen fiel es dem 39-Jährigen schwer, Richter Alexander von Kennel und der Staatsanwältin in die Augen zu sehen.
Der Mann hatte sich wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften zu verantworten. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung im Jahr 2017 hatte die Polizei tausende Bilder und etliche Videos gefunden, die Kinder vom Grundschul- bis ins Jugendalter zeigen. Wie aus der Anklageschrift hervorging, lag der Fokus oftmals auf den Geschlechtsteilen der Kinder, außerdem wurden zum Teil sexuelle Handlungen und brutaler Geschlechtsverkehr gezeigt.
Für die Polizisten wurde die Auswertung irgendwann zu viel
Von 2009 bis 2017 soll der 39-Jährige diese Dateien im Internet heruntergeladen haben. „Wir reden hier schon von erheblichen Bildern und von einer langen Zeit“, stellte die Staatsanwältin fest. Noch dazu sei nur etwas mehr als die Hälfte der Festplatten ausgewertet worden, die in der Wohnung des Angeklagten gefunden worden waren. „Man könnte noch viel mehr finden“, so die Staatsanwaltschaft. Für die zuständigen Polizisten sei die Auswertung allerdings irgendwann einmal zu viel geworden. „Für ihn ist das auch ganz schlimm“, sagte die Verteidigerin des Angeklagten vor Gericht.
Sie las eine Erklärung des Mannes vor, der persönlich nichts zu den Vorwürfen sagen wollte. In dieser gestand der 39-Jährige seine Taten. Dass es sich bei den Kindern auf den Videos und Bildern um reale Personen gehandelt habe, sei ihm lange nicht klar gewesen.
„Mir ist ganz schlecht geworden, als mir bewusst wurde, dass ich durch das Herunterladen dazu beitrage, dass reale Kinder das machen müssen“, verlas die Verteidigerin. Danach habe er aufgehört, sich die Dateien herunterzuladen. Viele Dateien habe er sich auch gar nicht intensiv angesehen, er habe sie aber herunterladen müssen, um zu sehen, um welche Bilder und Videos es sich handelte.
Verurteilter will sich in Zukunft wieder therapeutisch behandeln lassen
Eigentlich habe er nach pornografischen Videos gesucht, in denen Kinder keine Rolle spielen. Er habe sich außerdem schon in Therapie befunden und sei auch bereit, sich in Zukunft wieder behandeln zu lassen. Mehrmals kamen im Gericht die schweren familiären Verhältnisse des 39-Jährigen zur Sprache, vertieft wurde das Thema jedoch nicht. Deutlich wurde dennoch, dass die Mutter den Mann bereits in jungen Jahren verließ. Wie die Verteidigerin des Mannes betonte, habe diese Zurückweisung sein Selbstbewusstsein stark beschädigt. „Vieles ist schon durch seine Biografie erklärbar“, war sie sich sicher.
Das sahen auch Staatsanwaltschaft und Gericht so. Die Lebensumstände des Angeklagten seien nicht einfach, er sei sich durch seine Erfahrungen in seiner sexuellen Entwicklung unsicher. „Der Täter hat ja verstanden, dass das wahrhaftig lebendige junge Kinder sind, die dieses Martyrium erleben müssen“, sagte die Staatsanwältin. Sie forderte ein Jahr und acht Monate auf Bewährung.
Richter Alexander von Kennel verringerte die Strafe auf ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung. Zudem muss der 39-Jährige 4000 Euro an den Kinderschutzbund Friedrichshafen zahlen. Die Bewährungszeit beläuft sich auf vier Jahre, in denen dem Mann ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt wird. Der Angeklagte musste zudem versprechen, sich umgehend in Therapie zu begeben und seine Therapeuten von der ärztlichen Schweigepflicht zu befreien, damit das Gericht kontrollieren kann, ob er ernsthaft an sich arbeitet.
„Wir behalten Sie im Auge“, betonte die Staatsanwaltschaft. Bei einer mangelnden Kooperationsbereitschaft drohen härtere Strafen. Richter von Kennel zeigte sich allerdings optimistisch: „Hier sehe ich mich in der Lage, eine positive Prognose zu stellen.“
Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte gaben bekannt, nicht gegen das Urteil vorgehen zu wollen.
Der Tatbestand
Wer kinderpornografische Videos oder Bilder, die ein reales oder zumindest wirklichkeitsnahes Geschehen darstellen, besitzt, macht sich laut Gesetz strafbar. Auch der Versuch, in den Besitz derartiger Dateien zu kommen, wird bestraft. Geahndet werden kann eine derartige Tat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe. Ausnahmen stellen dabei der Besitz oder der Erwerb dar, der im Rahmen einer staatlichen Aufgabe oder Aufgaben aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle erfolgt. Auch, wer dienstlich oder beruflich dazu verpflichtet ist, sich derartige Daten herunterzuladen oder zu sie zu besitzen, macht sich nicht strafbar – also zum Beispiel Polizisten, die die Dateien auswerten müssen.