Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, das zeigt der Sicherheitsbericht der Stadt Friedrichshafen zum Jahr 2022, befinden sich wieder auf Vor-Corona-Niveau. Zwar reduzierten sich ab März 2022 die sogenannten Corona-Spaziergänge drastisch, dafür setzten dieselben Personengruppen bis Frühjahr 2023 ihre sogenannten Montagsspaziergänge fort. Im Rahmen der Corona-Spaziergänge waren neun Aufenthaltsverbote ausgesprochen worden. Inzwischen scheinen diese Aktionen weitgehend eingestellt zu sein, wie bei der Vorstellung des Berichts im Finanz- und Verwaltungsausschuss der Stadt deutlich wurde.
Zahl psychisch auffälliger Menschen steigt
Hingegen führen mehr Feste und Veranstaltungen automatisch wieder zu mehr Konflikten, Ruhestörungen und Streitigkeiten. Dabei steigt die Zahl psychisch auffälliger Menschen seit Jahren an. Uwe Stürmer, Leiter des Polizeipräsidiums Ravensburg, führt dies auf posttraumatische Belastungsstörungen, zunehmend brüchige Familienstrukturen und hohen Alkoholkonsum zurück. Auch lebten in Friedrichshafen seit Corona überproportional viele unterschiedliche Realitätsverweigerer, erklärte Stürmer auf Nachfrage aus dem Ausschuss. Sogenannte Selbstverwalter und Reichsbürger würden regelmäßig auf den Besitz von Waffen kontrolliert.
Vier Schwerpunkte in der Stadt
Nach wie vor konzentrieren sich Ordnungsstörungen und Straftaten an vier Schwerpunkten in der Stadt.
- Bahnhof: Die Anzahl der Vorkommnisse bewegt sich laut Sicherheitsbericht auf gleichbleibendem Niveau. Mehr Polizeikontrollen führten zu 161 Einsätzen, Platzverweise waren nicht notwendig. Eine Messerattacke konnte dank regelmäßiger Fußstreifen rechtzeitig verhindert werden. Streetworker, Stadtverwaltung und Polizei stünden im engen Austausch, damit in kritischen Zeitabschnitten durchgängig Präsenz gezeigt werden könne.
- Kinderhaus Wiggenhausen: Ruhestörungen und Sachbeschädigungen durch Jugendliche in diesem Bereich eskalierten an Halloween 2022. Nicht nur Anwohner wurden belästigt, auch Polizisten wurden aus einer größeren Gruppe Jugendlicher heraus angegriffen. In Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern und Behörden haben man einen Rückgang der Meldungen im Bereich Solarstadt und Wiggenhausen Süd erreichen können.
- Riedlewald: Hier fühlt sich die Bevölkerung nach wie vor durch das Verhalten einzelner Personen verunsichert. Besondere Maßnahmen seien zwar bisher nicht erforderlich gewesen, trotzdem solle dieser Bereich unter Beobachtung bleiben, heißt es im Sicherheitsbericht.
- Hinterer Hafen: Was Ruhestörungen und Treffen der Poser-Szene betrifft, fiel dieser frühere Schwerpunkt 2022 nur noch am Rande auf. Größere Treffen dieser Szene konnten Dank eines Kompetenzteams beim Polizeivollzugsdienst verhindert werden. Vermutet wird, dass der Platz für Freunde getunter Autos auch durch die Erhöhung der Parkgebühr unattraktiv wurde, die jetzt bis 24 Uhr fällig ist. Auch wenn die Situation nicht mehr mit der vor zwei Jahren vergleichbar sei, behalte die Stadt den Hinteren Hafen im Blick.
So beugen die Behörden Straftaten vor
Um Großveranstaltungen wie Seehasenfest oder Kulturufer zu sichern, setzt die Stadt nach wie vor auf bauliche Zufahrtssperren. Neben diesen Beton-Barrieren bleibe die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Baubetriebsamt und Feuerwehr wichtig. Auch Aufenthaltsverbote hätten zur Sicherheit bei Großveranstaltungen beigetragen. Solche Verbote seien im Vorjahr in 16 Fällen ausgesprochen worden.
Auch die Aktion „Stressfrei“ habe positive Auswirkungen. Die dabei verhängten Hausverbote für angesagte Lokale der Stadt schreckten Störenfriede ab, sodass sich seit 2018 die Hausverbote von elf auf drei im Jahr 2022 reduzierten.
Schreiben informiert Senioren über Trickbetrug
Während die Zahl der Wohnungseinbrüche rückläufig ist, steigt die Zahl der Trickbetrüger, die per WhatsApp oder mit Schockanrufen vornehmlich Senioren um ihre Ersparnisse bringen wollen. Stadt und Polizeipräsidium verschickten daher an alle Bürger über 65 Jahren ein Schreiben, in dem die Senioren über die gängigen Maschen der Betrüger informiert wurden.
Mehr Mädchen mit Alkohol- und Drogenvergiftung
Im Vorjahr wurden 23 Jugendliche mit einer Alkohol- oder Drogenvergiftung ins Klinikum Friedrichshafen eingeliefert. 14 der Jugendlichen seien Mädchen gewesen; im Jahr 2021 sei das Verhältnis noch umgekehrt gewesen, da sei der Anteil männlicher Jugendlicher mit einer Vergiftung bei 60 Prozent gelegen. Präventivmaßnahmen und die Zusammenarbeit der Polizei mit Streetworkern seien nötig, um den Gründen für Alkohol- und Drogenmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen auf die Spur zu kommen.
Fälle häuslicher Gewalt weiter auf hohem Niveau
Auch häusliche Gewalt sei in der Stadt ein relevantes Thema. Im Jahr 2021 wurden 200 Fälle angezeigt, im Vorjahr waren es noch 150. Damit sei die Zahl zwar rückläufig, bewege sich aber seit der Pandemie weiterhin auf hohem Niveau. Der Arbeitskreis „Gewalt im sozialen Nahraum“, in dem Vertreter von Behörden, Beratungsstellen und Justiz mitarbeiten, habe sich auch im Vorjahr zum Informationsaustausch getroffen.
„Sicherheit ist ein Grundbedürfnis“, sagte Bürgermeister Dieter Stauber. Auch Ordnungsstörungen, die unterhalb der Schwelle zur Straftat liegen, wirkten sich negativ auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aus. Doch das Polizeirevier stoße personell an seine Grenzen.
Kommunaler Ordnungsdienst soll Polizei unterstützen
Der Gemeinderat hat beschlossen, ab 2025 einen kommunalen Ordnungsdienst (KOD) einzurichten, der die Polizei unterstützt.
- Aufgaben: Der KOD soll in Situationen, die Bürger als bedrohlich wahrnehmen, Personen direkt konsequent ansprechen und deeskalierend einwirken. Auch bei Überschreitung von Sperrzeiten der Außengastronomie oder Störung der Nachtruhe kommt er zum Einsatz. Kontrollen in Spielhallen und Wettbüros, Jugendschutz sowie Kontrollen der Aufbewahrung von Waffen gehören ebenfalls zum Aufgabengebiet des KOD.
- Ausbildung: Die Mitarbeiter erhalten eine polizeiähnliche Ausbildung, in der rechtliche Hintergründe vermittelt werden, Kompetenzen zur Deeskalation und Kommunikation, aber auch Abwehr- und Zugriffstechniken für Situationen mit hohem Konfliktpotenzial.
- Ausrüstung: Ausgestattet werden die Mitarbeiter mit Reizstoffsprühgerät, Einsatzstock und Handschließen. Der KOD trägt Dienstkleidung mit der Aufschrift „Polizeibehörde“.
- Personal: Fünf volle und eine halbe Stelle sollen Schichtbetrieb, Verwaltung, sowie Kranken- und Urlaubsvertretung sicherstellen. Das Büro ist in der Eugen-Bolz-Straße vorgesehen.
- Kosten: Die Personalkosten liegen bei etwa 500.000 Euro jährlich. Die Mittel sollen erst im Doppelhaushalt 2025/2026 bereitgestellt werden, sofern im Sommer 2024 keine positive finanzielle Entwicklung erkennbar ist.