Sie hatte das Geld schon überwiesen, als die Bank den Vorgang vorsichtshalber bremste. „Ich bin so dankbar, dass die Mitarbeiter in der Bank aufgepasst haben. Sonst wäre ich das Geld jetzt los“, sagt die 78-jährige Helga Klaus. Knapp einen Monat ist es her, dass die Seniorin aus Überlingen auf einen WhatsApp-Betrug hereinfiel.
Sie erinnert sich noch genau an den Tag: „Meine Tochter war gerade auf einem Seminar, als ich plötzlich eine Nachricht per WhatsApp von ihr bekam.“ Die Nachricht kam von einer unbekannten Nummer. Ihre Tochter habe ihr altes Handy verloren, hieß es. „Ich habe es geglaubt“, gesteht Helga Klaus.
Anliegen erscheint glaubhaft
Kurze Zeit später bekam sie eine erneute Nachricht über die Nummer. „Meine vermeintliche Tochter bat mich, 2100 Euro zu überweisen, da sie die Rechnung vergessen habe“, erzählt die Seniorin. Sie sei verärgert gewesen, dass ihre Tochter die Rechnung nicht beglichen habe. „Es hat mich genervt, aber es war auch glaubhaft. Denn in der Zeit waren gerade viele Handwerker bei ihr und es hätte durchaus sein können, dass sie die Rechnung vor dem Seminar vergessen hat.“
„Meine vermeintliche Tochter bat mich, 2100 Euro zu überweisen, da sie die Rechnung vergessen habe.“Helga Klaus, aus Überlingen
Weil Helga Klaus ihrer Tochter jederzeit gerne aus der Patsche hilft, zögerte sie also nicht lange und öffnete ihre Online-Banking-App. Die Überweisung wurde für die 78-Jährige zur Herausforderung – denn ihr Tageslimit ist auf 1000 Euro begrenzt. „Ich habe also hin- und her probiert und irgendwann konnte ich das Limit nach oben setzen und habe die Überweisung getätigt“, berichtet die Überlingerin.

Im Nachhinein gibt Helga Klaus zu bedenken, dass sie sich bei der Eingabe der IBAN zwar gewundert habe, aber dann doch zu unaufmerksam gewesen sei. Die ersten zwei Ziffern LT deuteten nämlich auf eine Bank in Litauen hin. „Es ist wirklich toll, dass meine Bank die Überweisung so schnell zurückgezogen hat. Ich bin sogar extra persönlich in die Zentrale gefahren, um mich zu bedanken“, sagt die Seniorin. Außerdem habe sie den Vorfall bei der Polizei angezeigt.
Geschichte im Freundes- und Bekanntenkreis verbreitet
Rückblickend hat Helga Klaus aus dem Vorfall gelernt. Sie nahm ihre Geschichte zum Anlass, um auch in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis über die WhatsApp-Betrugsmasche zu informieren. „Viele konnten gar nicht glauben, dass mir das wirklich passiert ist“, betont die 78-Jährige und ergänzt: „Ich glaube, man muss einfach offen damit umgehen und sich die Geschichten immer wieder anhören. Nur dann bleibt man wachsam.“
Wirtin Elke Renker kann es ebenfalls nicht fassen, dass ausgerechnet sie fast auf Betrüger hereinfiel. „Ich lasse mich nicht so leicht um den Finger wickeln“, sagt die 60-Jährige. Doch als sie unter einer unbekannten Nummer eine SMS erhielt, schöpfte sie nicht gleich Verdacht. „Hallo Mama, mein Handy ist kaputt“ war da zu lesen. Elke Renker ist Mutter, ihre Tochter lebt nicht am Bodensee. Es ergab sich ein Gesprächsverlauf, wie er zwischen den beiden Frauen hätte stattfinden können. Man wechselte von SMS auf WhatsApp, verwendete Smileys wie sonst auch.
Schreiber gaukelt Interesse vor
Da Elke Renker gerade in ihrem Wirtshaus umbaut, hatte sie zwischendurch mehr Zeit als gewöhnlich, um WhatsApp-Nachrichten zu schicken. Sie berichtete vom Umbau und schickte Fotos von der Baustelle. Die Person am anderen Ende gaukelte Interesse für die Maßnahme vor. Sie schrieb: „Ich bin neugierig.“ Und fragte: „Kann ich dir helfen?“
Jedoch rückte die vermeintliche Tochter allmählich mit ihrem Anliegen heraus. Sie habe ein Problem, mit ihrem neuen Handy in ihr Online-Banking zu kommen. Ob „Mama“ eine Überweisung übernehmen könne? 2463,92 Euro sollten auf ein Konto im Ausland transferiert werden. Die IBAN-Nummer startete mit dem Kürzel IE, was für Irland steht.
Hier wurde Elke Renker misstrauisch. Der Betrag kam ihr hoch vor, sie wunderte sich über den Empfänger. Renker stellte Nachfragen. Immer gab es eine passende Erklärung. Sie versuchte, ihre Tochter unter der neuen Nummer per WhatsApp anzurufen, was nicht gelang. Als Antwort erhielt sie, dass die Sim-Karte noch nicht funktioniere und die Nachrichten vom Büro-Rechner kämen.
Daraufhin schrieb die Gastwirtin ihrer tatsächlichen Tochter eine E-Mail ins Büro. Der versuchte Betrug wurde offensichtlich. Die 60-Jährige telefonierte unter der bisher bekannten Nummer mit ihrer Tochter. Trotz Aufforderung hatte sie diese nicht gelöscht.

„Ich hätte um ein Haar überwiesen“, ärgert sich Elke Renker. Die Täter beschreibt sie als schnell und beharrlich. Wiederholt kamen Nachfragen zu der Überweisung. Bis auf ein paar Rechtschreibfehler verfügen sie laut Renker über gute Sprachkenntnisse. „Ich sage es Ihnen, das ist wie ein Callcenter“, sagt die Überlingerin.
„Ich hätte um ein Haar überwiesen.“Elke Renker, aus Überlingen
Sie vermutet, dass Handys auf einem Tisch liegen und abwechselnd Betrugsopfern geantwortet wird. Den Vorfall hat sie bei der Polizei angezeigt und hofft, mit ihrem Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, andere zu warnen. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass mir das passiert“, begründet Renker.