Friedrichshafen-Kluftern In einer Welt, in der Klimawandel und Artensterben immer drängendere Themen sind, fragt man sich manchmal: Was kann ich alleine bewirken? Wibke Hinz aus Lipbach hat die Ärmel hochgekrempelt und zeigt mit ihrem nur 40 Quadratmeter großen Naturgarten, dass sich auch auf wenig Fläche etwas erreichen lässt.
Betritt man den Garten, dann fällt einem nach dem ersten Blick auf blühende Sträucher, grüne Büsche und Bäumchen zuerst das Summen zahlreicher Insekten auf. Mag das naturnahe Paradies auf kleinstem Raum vielleicht optisch nicht jedermanns Geschmack sein – Insekten, Igel und Vögel fühlen sich hier wohl und freuen sich über den Lebensraum, der ihnen von Hinz geschenkt wurde. Inzwischen wurde ihr Refugium vom Verein Bodenseegärten als Naturgarten zertifiziert und die 52-Jährige konnte eine Plakette mit dem Logo „Natur im Garten“ an ihrem Gartenzaun befestigen.
2019 ist Wibke Hinz in die Neubauwohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Lipbach eingezogen. Damals lag in ihrem Garten Rollrasen, so wie bei ihren Nachbarn rechts und links. „Noch im Herbst habe ich mit der naturnahen Gartengestaltung begonnen und die ersten Löcher in den Rollrasen gegraben“, erinnert sich Hinz, die zum ersten Mal einen eigenen Garten besitzt. Zunächst sei sie bei ihren Nachbarn auf Unverständnis gestoßen. „Für mich war der Rasen mit Blick auf die Tiere aber nicht schön, sondern einfach totes Land.“ Die Idee für die Umgestaltung stamme von ihrer Mutter, die selbst einen zertifizierten Naturgarten hat. Mit ihr zusammen habe sie geplant, welche Pflanzen sie wohin setzen kann.
Wichtig sei ihr, dass das ganze Jahr über etwas blühe. Den Anfang machen Christrosen und Winterschneeball. Ihnen folgen Spieren, Schafgarbe, Fette Henne und Günsel. Als Achse hat Hinz eine Reihe mit Säulenobstbäumen gepflanzt und kann überschaubare Mengen an Aprikosen, Pfirsichen, Kirschen, Mirabellen, Birnen und Äpfeln ernten. Ein Feigenbaum trägt bereits gut. „Einzelne Früchte lasse ich für die streng geschützten Wespen und Hornissen hängen“, berichtet sie. Eine kleine Gemüseauswahl baut sie in zwei Hochbeeten an. Außerdem blühen zwei Rosenstöcke. „Die sind nur für mich“, sagt Hinz mit einem Lächeln.
In der kleinen Ligusterecke schlafen tagsüber Igel, zusätzlich hat sie ihnen ein Igelhaus gebaut. Mit gleich drei Insektenhotels hilft Hinz den Insekten beim Nisten und Überwintern. „Vor allem im Frühjahr sind sie gut mit Mauerbienen besiedelt“, so Hinz. Außerdem hat sie mehrere Nistkästen aufgehängt. Eine Blaumeise hat hier bereits ihren Nachwuchs aufgezogen. Neben Vogeltränken hat sie im Teich mit Hilfe eines alten Dachziegels eine Art Landebahn für Insekten eingerichtet. „Auch sie leiden bei extremer Trockenheit unter Durst“, weiß die Hobbygärtnerin.
Natürlich mache ein Naturgarten nicht nur Freude, sondern auch Arbeit. „Aber sicher nicht so viel wie ein Rollrasen, der regelmäßig gemäht wird“, vermutet Hinz. Sie müsse zum Beispiel Brennnesseln auszupfen, Bäume zurückschneiden und mit Pferdepellets düngen. Leider könne sie aufs Gießen noch nicht verzichten. Im Blick habe sie aber bereits insektenfreundliche Pflanzen, die resistenter gegen Trockenheit sind. Wenn sie von der Arbeit im Krankenhaus nach Hause komme, führe ihr erster Weg in ihren Garten. „Ich habe jeden Tag meine Freude an ihm und der Alltagsstress fällt von mir ab.“