Am Ende läuft das Gespräch mit den Beschäftigten auf dieses eine Wort hinaus: „Schade.“ Aldo Poppiti sagt es, seit 43 Jahren beschäftigt bei DGH Sand Casting. Er sitzt gemeinsam mit seinen Kollegen Mehmet Özgür, Gabriele Süss-Köstler und Michael Weiß im Gesprächsraum eines Unternehmens, das es bald nicht mehr geben wird.

Dem SÜDKURIER erzählen sie, wie sie das Aus des Automobilzulieferers erleben. „Das ist extrem schade“, sagt auch Michael Weiß. „Für mich ist das eigentlich so ein Stück Familie.“ Er arbeitet seit seiner Lehrzeit bei dem Automobilzulieferer, mittlerweile 38 Jahre. „Ich habe hier mehr aktive Zeit verbracht als daheim mit meinen Kindern,“ schiebt er nach. Spätestens zum Ende des Sommers wird er sich einen neuen Job suchen müssen.

Michael Weiß, seit 38 Jahren im Betrieb, ist enttäuscht vom fehlenden Einsatz der Stadt und lokalen Traditionsunternehmen: „Für ...
Michael Weiß, seit 38 Jahren im Betrieb, ist enttäuscht vom fehlenden Einsatz der Stadt und lokalen Traditionsunternehmen: „Für mich ist das eigentlich so ein Stück Familie.“ | Bild: Simon Conrads

Betrieb wird bis Ende des Jahres eingestellt

Die vier Mitarbeiter sprechen mit unserer Zeitung, nachdem kürzlich die Einstellung des Betriebs zum Ende des Jahres bekannt gegeben wurde. Die knapp 250 Mitarbeiter haben ihre Kündigungen bereits erhalten. In mehreren Stufen scheiden sie nun aus dem Betrieb aus, bis Ende des Jahres sollen die letzten Arbeitsverträge enden. In der Pressemitteilung ist von einem Jahresumsatz von zuletzt 36 Millionen Euro die Rede, von Problemen in den Lieferketten, hohen Energiepreisen und Auftragsrückgängen seit der Corona-Pandemie – zu viel Belastung für den Betrieb.

Enttäuscht von der Stadt

Angesichts schwieriger Marktverhältnisse hat die Belegschaft bereits in den vergangenen Jahren Einbußen hingenommen, so Süss-Köstler. Seit 2020 habe es kein Urlaubsgeld und kein Weihnachtsgeld mehr gegeben, teilweise sei es zu Arbeitszeitreduzierungen gekommen. „Die Belegschaft hat sehr geblutet“, sagt die Betriebsrätin. Gerade deshalb ist die Enttäuschung nun groß, dass von anderen Stellen – die Hoffnung richtete sich auf die Stadt – wenig unternommen worden sei.

In Zusammenarbeit mit IG Metall sei der Betriebsrat auf die Verwaltung zugegangen, um mögliche Unterstützungen auszuloten, so Süss-Köstler. Die konkrete Idee war der Verkauf eines Teils des Betriebsgeländes an die Stadt, berichtet sie. „Es sind mehrere Gespräche gelaufen, aber im Endeffekt ist nichts zustande gekommen.“

Gabriele Süss-Köstler ist die Vorsitzende des Betriebsrats von DGH Sand Casting. „Die Belegschaft hat sehr geblutet“, sagt sie.
Gabriele Süss-Köstler ist die Vorsitzende des Betriebsrats von DGH Sand Casting. „Die Belegschaft hat sehr geblutet“, sagt sie. | Bild: Simon Conrads

Monika Blank, Pressesprecherin der Häfler Verwaltung, bestätigt die Verhandlungen auf Anfrage. „Der Betriebsrat kam zwar auf die Stadt zu, ein Kauf kam aber aus mehreren Gründen nicht in Frage“, schreibt sie in einer Mail und schließt: „Vermutlich hätte auch ein Kauf durch die Stadt die Probleme des Unternehmens nicht gelöst.“ Der Insolvenzverwalter des Unternehmens, Franz-Ludwig Danko, äußert sich auf Anfrage ähnlich. Er könne nicht erkennen, dass die Politik, also weder Stadt, noch Land das Unternehmen hätte retten können. Trotz des nicht erfolgten Kaufs bedauert Blank das Ende des Unternehmens.

Die Mitarbeiter von DGH Sand Casting sind sich zwar auch nicht sicher, ob eine Unterstützung durch die Stadt das Unternehmen hätte retten können. Der Noch-Angestellte Michael Weiß: „Aber das ist genau der Punkt: nicht ob es nachher gut ausgeht oder schlecht ausgeht, aber der Einsatz hat gefehlt.“ Er selbst mache sich zwar keine Sorge darum, eine neue Anstellung zu finden, sagt er. Andere Mitarbeiter allerdings schon.

Wie geht es für die Mitarbeiter weiter?

„Momentan sieht es für uns schlecht aus“, so Mehmet Özgür, CNC-Fräsen-Bediener und seit 33 Jahren im Betrieb. Die Belegschaft bekäme keine Abfindung und er befürchtet, dass die Jobsuche für ihn schwierig ausfallen könnte. Özgür hat keine Ausbildung, aber langjährige Berufserfahrung, und ist sich sicher, dass er in anderen Betrieben ohne Probleme arbeiten könnte.

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„Aber wenn ich mich jetzt bewerbe, habe ich keine Chance“, glaubt er. Dabei gebe es genug Bedarf an qualifizierten Arbeitnehmern in Friedrichshafen und er würde nur ungern in einer anderen Stadt arbeiten. Özgür wünscht sich daher, dass der Betriebsrat mit Unterstützung der Stadt mit den großen Unternehmen vor Ort spricht und bei der Vermittlung der DGH-Mitarbeiter hilft.

Mehmet Özgür arbeitet seit 33 Jahren bei dem Automobilzulieferer und macht sich Sorgen, wie er einen neuen Job finden soll: ...
Mehmet Özgür arbeitet seit 33 Jahren bei dem Automobilzulieferer und macht sich Sorgen, wie er einen neuen Job finden soll: „Momentan sieht es für uns schlecht aus.“ | Bild: Simon Conrads

Auf den Wunsch von Özgür entgegnet Aldo Poppiti, dass es vonseiten des Betriebsrats mit einigen Unternehmen bereits Gespräche gegeben habe. Gabriele Süss-Köstler führt daraufhin aus, dass der Betriebsrat in den Personalabteilungen, etwa von ZF und MTU, bereits für die Mitarbeiter von DGH geworben habe – bislang ohne großen Erfolg.

Trotz des Bedarfs an Fachkräften und angelernten Arbeitern wundert sie sich, dass von den Unternehmen in der Nachbarschaft bislang wenige Angebote kämen. Die Konsequenz: Einige Mitarbeiter von DGH Sand Casting würden aktuell einen Branchenwechsel in Betracht ziehen, andere – teilweise frühzeitig – in Rente gehen.

Aldo Poppiti arbeitet bei DGH Sand Casting im Versand und ist Mitglied im Betriebsrat. Er arbeitet seit 43 Jahren bei dem Unternehmen ...
Aldo Poppiti arbeitet bei DGH Sand Casting im Versand und ist Mitglied im Betriebsrat. Er arbeitet seit 43 Jahren bei dem Unternehmen und wird nach Auslaufen seines Vertrags in Rente gehen. | Bild: Simon Conrads

Ein wenig Hoffnung spendet die Stadt allerdings doch – trotz der Kritik einiger Mitarbeiter an der Verwaltung: Nachdem am vergangenen Donnerstag das Aus für DGH Sand Casting offiziell verkündet wurde, habe sich ein Mitglied der Verwaltung an Gabriele Süss-Köstler gewandt, berichtet sie.

Ihr sei signalisiert worden, dass man die Mitarbeiter des Unternehmens für Stellenausschreibungen der Stadt in Betracht ziehen könne und dazu in Austausch treten wolle. Gabriele Süss-Köstler zeigt sich zwar insgesamt zuversichtlich, dass die Mitarbeiter eine neue Stelle finden werden. Dennoch warnt sie: „Diese 250 Arbeitsplätze sind dann weg, die wird es in der Stadt Friedrichshafen nicht mehr geben.“