Mit einem roten Herz auf der Wange und einem Herz in der Hand kam Malu Dreyer am Schmotzigen Dunschtig nach Stockach und eroberte mit ihrer sympathischen Art die Herzen der Bürger im Sturm. Die SPD-Politikerin aus Rheinland-Pfalz trat vollkommen ohne Minister-Allüren auf. Mit natürlichem Charme und fester Stimme versicherte sie den geladenen Gästen im Bürgerhaus Adler Post, nicht schuldig zu sein, „denn Rheinland-Pfälzer sind per se unschuldig“. Die diesjährige Beklagte vor dem Hohen Grobgünstigen Narrengericht hatte ihren Ehemann Klaus Jensen mitgebracht, der bis vor kurzem Oberbürgermeister von Trier war.
Im blauen Hosenanzug erzählte Malu Dreyer den Anwesenden, dass sie schon oft vor Gericht gestanden habe, allerdings in einer anderen Rolle. Denn in ihrem ersten Beruf sei sie Staatsanwältin gewesen. „Doch noch nie habe ich erlebt, dass 19 Kollegen gegen eine unschuldige Frau ein Urteil sprechen wollen“, gab sie sich entrüstet. Den eigentlichen Grund ihrer Ladung vor das Narrengericht ahnte sie aber bereits: „Ich wurde nur eingeladen wegen des rheinland-pfälzischen Weins.“ In seinem neuen Amt als Narrenrichter entgegnete ihr Jürgen Koterzyna: „Sie appellieren an unser weiches Herz, sie vergessen aber unsere harte Leber.“
Noch bevor Malu Dreyer, die auch Bundesratspräsidentin ist, zu Wort kam, eilte ihr eine Aussage voraus, die sie mal geäußert haben soll. Nämlich, dass Stockach den Bodensee nur um wenige Kilometer verfehlt habe. Narrenrichter Jürgen Koterzyna fiel dazu ein: „Der Bodensee führt nur grad zu wenig Wasser.“ Bemängelt habe Dreyer im Vorfeld außerdem, dass es keine Garde in Stockach geben würde. Koterzyna erwähnte etwas beschämt, die meisten im Narrengericht könnten froh sein, dass sie Treppen steigen können, vom Beine heben sei da überhaupt keine Rede. Einen Seitenhieb auf die Stadt konnte er sich auch nicht verkneifen. Wer der Stadt noch keine 20 Euro gespendet habe, könne sein Auto einfach auf dem Gehweg vor dem Bürgerhaus abstellen. Alles andere ergebe sich von selbst. Bürgermeister Rainer Stolz machte in diesem Zusammenhang nochmal Werbung für das Parkhaus in der Nähe. Als die Ministerpräsidentin später jedoch davon sprach, sie habe gehört, dass es in Stockach auch einen Kerker geben solle, bemerkte Koterzyna süffisant: „Nein, das ist das Parkhaus.“ Überhaupt habe sich der Bürgermeister den „besten Tag“ ausgesucht, bekannt zu geben, dass er bei der kommenden Bürgermeisterwahl noch mal antreten wolle, sagte Koterzyna und nannte ihn den „T(h)or vom Bodensee“.
Malu Dreyer verfolgte die Szene auf einem Hocker sitzend. Dass sie an einer schleichenden Form der Multiplen Sklerose leidet, ist den meisten Menschen bekannt. Sie macht kein Aufhebens um ihre Krankheit. Ihr selbstverständlicher Umgang damit, gerade als Ministerpräsidentin in der Öffentlichkeit, macht sie so sympathisch. Ihre freundliche Art kommt bei den Menschen an. Sie nimmt sich Zeit für eine Buchsignierung oder ein Selfie. Mit den Menschen in Berührung zu kommen, sieht bei ihr leicht und herzlich aus. Auf dem Weg durch die Menschenmenge zum Badischen Hof setzt sie sich auf ihren Travel Scoot, ein leichtes Elektromobil. Für Hermann Schmeißer, den Wirt des Badischen Hofs, ist die Ankunft Malu Dreyers ein besonderer Moment. Er ist ebenfalls Rheinland-Pfälzer und feiert zum 40. Mal in Stockach Fasnacht. Hermann Schmeißer ist Malu Dreyer bestens bekannt, da er mit seinem Team jedes Jahr zum Rheinland-Pfalz-Tag kommt, um dort die Bodenseeregion zu repräsentieren. Vor der Gaststätte begrüßt eine kleine Abordnung der Yetis die Ministerpräsidentin. Im Lokal schmettert der Eintracht-Chor, allen voran Hermann Schmeißer selbst, das Lied „Schöner Bodensee“.