Was sie vom Nikolaus bekommen hätten, wollte Luxman Manoharans Grundschullehrerin von der Klasse wissen. Am siebten Dezember eine durchaus naheliegende Frage. Den kleinen Luxman traf sie aber völlig unerwartet. "Ich habe mich dann gemeldet und ganz traurig erzählt, dass der Nikolaus mir nichts gebracht hat", erinnert sich der 34-Jährige. Heute kann er über die Episode schmunzeln. "Meine Lehrerin hat mir dann erklärt, was da in Deutschland am sechsten Dezember überhaupt gefeiert wird."
Als er dieses Wissen zuhause mit seinen Eltern teilte, beschloss die aus Sri Lanka stammende Familie, dass man die Bräuche der neuen Heimat respektieren müsse. "Im Jahr darauf habe ich zu Nikolaus Geschenke bekommen", berichtet Manoharan. "Und als ich zwölf Jahre alt war, habe ich mich verkleidet und für meine jüngeren Brüder den Nikolaus gespielt."
Teilhabe an der lokalen Kultur
Der junge Mann ist der Vizepräsident der hinduistischen Gemeinde Singen Vinayagar, die seit 20 Jahren im ehemaligen Zollgebäude am Bahnhof untergebracht ist. Auch, wenn er kein Christ ist, möchte er die Traditionen der Advents- und Weihnachtszeit nicht missen. "Integration bedeutet, an der Kultur Anteil zu nehmen", findet auch Darma Vivekachandran. Der Präsident der Hindugemeinde hat zuhause einen Tannenbaum stehen. Ihm gefällt es, dass seine 15 Jahre alte Tochter im Dezember gerne Plätzchen backt. Und selbst, was den Weihnachtsstress angeht, scheint sich der Mann aus Sri Lanka bestens an hiesige Gepflogenheiten angepasst zu haben: "Dieses Jahr hatte ich zum Glück schon eine Woche vor Weihnachten alle Geschenke beisammen", berichtet der 42-Jährige erleichtert. "Nur das Päckchen für meine Frau muss ich noch einpacken."
Besuch des Weihnachtsgottesdienstes
Festessen, Bescherung, selbst der Besuch der Weihnachtsmesse gehört bei Familie Vivekachandran zum Heiligabend dazu. Er schätze es, dass ihm seine Religion nicht verbiete, an den Feierlichkeiten anderer Religionen teilzunehmen, betont der Präsident der Singener Hindugemeinde.
Erich Müller geht es ähnlich. Er ist in einer christlichen Familie aufgewachsen, lebt heute aber als praktizierender Buddhist. An seinem Wohnort Hilzingen bietet er regelmäßig Meditationskurse an. Weihnachten betrachtet Erich Müller als eine Zeit, die ihm statt der Unterschiede eher die Gemeinsamkeiten der Religionen vor Augen führt. "Die Botschaft 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst' gilt auch im Buddhismus", erklärt er. "Mich selbst und das, war mir guttut annehmen – aber auch dem Nächsten zugestehen, dass er das Gleiche tut." Für ihn ist Weihnachten ein Fest des Friedens, mit dem er sich nach wie vor identifiziert. Am heutigen Heiligabend hat er sogar besonderen Grund zur Freude. "Mein Sohn kommt zu Besuch und wird uns ein leckeres Vier-Gänge-Menü zaubern."
Gefallen an der friedvollen Stimmung
Fikret Kanik möchte die Feiertage ebenfalls dafür nutzen, Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Der Vorstandsvorsitzende der Muslim Gemeinde Singen arbeitet bei Constellium im Schichtbetrieb und freut sich schon auf die Feier im Kreis seiner Lieben. Fikret Kanik ist in Deutschland aufgewachsen. Weihnachten beschreibt er als eine Zeit, an der er immer auch an die eigene Kindheit denken muss. "Die Lichter, die friedvolle Stimmung – das ist einfach nur schön." Spätestens, wenn er im Advent zum ersten Mal "Leise rieselt der Schnee" hört, würden ihn Jahr für Jahr die Weihnachtsgefühle packen, erzählt er. Seinen christlichen Nachbarn wünscht er eine gesegnete Weihnachtszeit.
Gibt es Weihnachten nur im Christentum?
Nur Christen feiern die Geburt von Jesus an einem eigenen Feiertag. Und doch begehen auch die Gläubigen anderer Religionen Festtage, die Weihnachten nicht unähnlich sind.
Tag der Geburt: Für Buddhisten ist der Geburtstag von Siddharta Gautama, dem Buddha, das wichtigste Fest im Jahr. Es heißt Vesakh und fällt in den Mai oder Juni. Mit dem Fest Mevlid Kandili feiern Muslime den Geburtstag ihres Propheten Mohammed. Bei den Bahai stehen gleich zwei Geburtstage auf dem Feste-Kalender: im Oktober der Geburtstag des Bab und im November der Geburtstag von Baha’ullah. Hindus wiederum kennen viele Gottheiten – für jede gibt es ein eigenes Fest. Im Judentum werden die Geburtstage von Propheten dagegen nicht als Feiertage begangen.
Tag des Lichts: Zum Weihnachtsfest sind Kirchen und Häuser hell erleuchtet, ähnliche Bräuche gibt es auch in anderen Religionen. Juden feiern Chanukka und beleuchten damit die Befreiung ihres Volkes vor mehr als zweitausend Jahren. Muslime stellen an Mevlid Kandili Kerzen auf. Hindus vertreiben mit Divali fünf Tage lang die Dunkelheit und setzen ein Zeichen für den Sieg des Guten über das Böse. Buddhisten lassen am Festtag Pavarana Millionen Kerzen auf Flüssen treiben. Am Ende der Regenzeit wollen sie damit sagen, dass alle Buddhisten über den Fluss des Unwissens ins Land der Wahrheit gelangen können.
Orthodoxe Christen: Früher feierten Christen vier Tage lang Weihnachten. In Deutschland und vielen anderen Ländern umfasst Weihnachten heutzutage den Heiligabend am 24. Dezember und den 1. und 2. Weihnachtstag danach. In Russland und manchen anderen Ländern benutzen die Menschen den Julianischen Kalender. Er hinkt dem Weltkalender einige Tage hinterher. Daher feiern Christen dort erst am 6. Januar Weihnachten.