Sie lesen bei Ihren Konzertlesungen oft in Kirchen. Warum?
Kirchen sind meist günstiger und ein bisschen schöner als die teuren Veranstaltungssäle. Oftmals sind es auch Kirchengemeinden, die uns einladen, weil sie in unserer Botschaft starke Verbindungspunkte zu ihrem Inhalt finden. Auch wir finden das. Unsere Konzertlesungen sind aber nicht nur festgelegt auf Kirchen, genauso oft sind wir auch in Schulaulen, Stadthallen, Theatern oder Konzerthallen.
Wie kam es zu der Idee einer gemeinsamen Konzertlesung mit Samuel Harfst?
Als mein Schauspielstudium wieder begann und Samuel Harfst mit seiner Musik beschäftigt war, bemerkten wir, dass wir uns nur noch sehr selten sahen. Mit den Menschen, mit denen man arbeitet, verbringt man am meisten Zeit. Also kam uns der Gedanke: Wir müssen etwas zusammen beruflich machen, dann haben wir mehr voneinander. Wir könnten gemeinsam auf Tour gehen. Aus dieser anfänglichen Schnapsidee entstand nach einem Testlauf 2013 die Konzertlesung.
Mit Ihrem ersten Buch haben Sie die Konzertlesungen begonnen, was hat Sie dazu bewegt, diese mit Ihrem zweiten Buch weiterzuführen?
Einerseits bereitet es mir natürlich Spaß, ansonsten würde ich es nicht machen. Andererseits gibt es heute auch erheblich mehr Anfragen, als das Angebot erfüllen kann. Seit 2014 waren die Veranstaltungen ausverkauft. Als Samuel Harfst dann neues Liedmateri"al hatte, und ich neue Literatur, war die Konsequenz, dass wir das Programm der Konzertlesung nicht nur erweiterten, sondern auch erneuerten.
Haben Besucher der Konzertlesung die Möglichkeit, Ihnen und Samuel Harfst Fragen zu stellen?
Im Anschluss des offiziellen Teils nehmen wir uns immer gerne Zeit, mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen, über das Gehörte zu reflektieren, offene Fragen zu beantworten oder einfach nur Menschen zu begegnen.
Welche Fragen können Sie nicht mehr hören?
Natürlich habe ich mehr oder weniger unfreiwillig Bekanntheit erlangt durch den dämlichen Unfall, den ich hatte. Dennoch liegt dieser bald sieben Jahre zurück und auch deshalb empfinde ich alle Fragen um dieses Ereignis als ausgelutscht, wenngleich das zu mir gehört und zu meiner Geschichte. Man kann mich natürlich nach wie vor immer alles fragen, ob ich eine Antwort gebe, ist dann die andere Frage.
Wie würden Sie Ihr Buch „Rolle vorwärts“ beschreiben?
Es ist eine Betrachtung über Menschen und vor allem über Begegnungen mit ihnen. Ich schildere viele Erfahrungen und Beobachtungen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, mit all den Beschwerlichkeiten, Hindernissen und Grenzen, an die man stößt. In dem Rahmen berichte ich viel Schockierendes, Ungewöhnliches oder Absurdes, aber auch viel Lustiges und Schönes. Als Betrachtung bezeichne ich „Rolle vorwärts“, weil es nicht nur ein Bericht ist, sondern auch meine Haltung und Interpretation dazu.
Wie denken Sie, nehmen Leser „Rolle vorwärts“ wahr?
Es gibt bestimmt Leser, die pfeffern das Buch in die Ecke oder nutzen es als Feuerholz. Aber es gibt tatsächlich auch Menschen, die das Buch gerne aufschlagen, beispielsweise wenn es ihnen schlecht geht. Ich habe bereits Leser getroffen, die sagten, dass sie sich umbringen wollten, dann haben sie „Rolle vorwärts“ gelesen und änderten ihre Meinung.
Was sind Ihre zukünftigen Projekte?
Die Reisen, auf die ich mich begeben möchte, stehen in Verbindung mit meinen zukünftigen Projekten mit Organisationen. Dazu gehören beispielsweise in Uganda „Vision for Africa“, in Moskau das Raumfahrtzentrum, die olympischen und paralympischen Spiele in Südkorea oder „Joni and Friends” in Kalifornien. Das sind alles Organisationen, die etwas Besonderes machen und bewirken. Mit meiner eigenen Stiftung möchte ich in Zukunft mit ihnen zusammenarbeiten. Ansonsten schaue ich, wie lang sich das Schauspielerdasein noch trägt, das macht mir nach wie vor Spaß. Es gibt anscheinend noch genug Projekte, aber ich bin nicht versteift auf Schauspiel. Ich kann mir auch jederzeit vorstellen, etwas anderes zu machen.
Was macht Ihre Stiftung?
Sie wird jetzt gerade erst als Verein aktiv, bevor sie dann genügend Kapital hat, um als Stiftung weiter zu fungieren. Ihr Fokus liegt darauf, sich um pflegende Angehörige zu kümmern und damit um Versehrte mit ähnlich hohem Pflegeaufwand wie bei mir. Zu den Angehörigen zählen insbesondere Geschwisterkinder, Ehepartner und Eltern. Wir haben erkannt, dass in diesem Feld in Deutschland noch Bedarf besteht. Die Stiftung ist ein Dauerziel, das neben meinen verschiedenen Hauptberufen mitschwingt.
Zur Person
Samuel Koch wurde 1987 in Neuwied geboren. 2010 stürzte er bei einer Wette in der Sendung „Wetten, dass..?“ schwer. Koch ist seitdem Tetraplegiker, er ist vom Hals abwärts querschnittsgelähmt. Seit 2014 ist er als Schauspieler unter anderem Ensemblemitglied des Staatstheaters Darmstadt. Der 30-Jährige ist mittlerweile auch Autor von zwei Büchern, die beide auf der Spiegelbestseller-Liste landeten. Koch liest am Freitag, 8. Dezember, um 20 Uhr im Münster aus seinem zweiten Buch „Rolle vorwärts“. Samuel Harfst mit Band präsentiert Lieder aus seinem Album „Chronik der Liebe“. Die beiden erzählen, was sie verbindet. Tickets kosten im Vorverkauf 18 Euro, 20 Euro an der Abendkasse. Karten gibt es in der Buchhandlung Homburger und Hepp am Münsterplatz 7 und in der Seebuchhandlung in der Mainaustraße 146.