Die Begriffe Erdbeben und Bodanrück scheinen auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Hier passiert selten bis nie etwas. Trotzdem verbirgt sich unter einem unscheinbaren Schachtdeckel bei Wallhausen eine Erdbebenmessstation. Und die ist, gewissermaßen, ein Grenzgänger. Denn der Betreiber des kleinen Geräts unter der Erde ist der Schweizer Erdbebendienst (Sed). Die Wallhauser Station gehört zu einer Reihe von zehn, die die Schweizer auf deutscher Seite installiert haben und in Echtzeit Informationen zu Erdstößen überträgt. Von den Daten profitiert aber auch der Landeserdbebendienst Baden-Württemberg, erklärt dessen Leiter Wolfgang Brüstle. Gleichzeitig haben verschiedene deutsche Erdbebendienste auch Messstationen in der Schweiz oder anderen an Deutschland grenzenden Ländern, wie eine Karte des Erdbebendienstes Südwest zeigt.

Die Station in Wallhausen gibt es seit Juli 2013. Sie entstand im Rahmen der Netzverdichtung in der nordöstlichen Schweiz, erklärt Florian Haslinger vom Schweizer Erdbebendienst. Die Messgeräte dienen einer "besseren Überwachung der seismischen Bewegungen", so Haslinger. Die Station in Wallhausen soll dort auf Dauer bleiben und gehört zu Stationen, die dazu dienen, Erdbewegungen aufgrund der Atommüll-Endlagersuche aufzuzeichnen (siehe Infoteil). Falls dieses Programm beendet würde, wäre es aber kein Problem, den Betonschacht mit den Geräten einfach zu entfernen, erklärt Florian Haslinger.

Die Station ist sehr unscheinbar gehalten. Die Messgeräte befinden sich in einem etwa ein mal ein Meter großen Erdschacht mit einer Art Kanaldeckel. "Es fällt kaum auf", sagt Haslinger. Die Daten von der kleinen Station gelangen per Mobilfunk, an den sie angeschlossen ist, zu den Erdbebendiensten. Wenn möglich, werde eine vorhandene Infrastruktur, also Gebäude, benutzt, um eine Station unterzubringen. Das sei hier aber nicht möglich gewesen, da sie weit weg von allen Häusern sein sollte. "Es ist nicht einfach gewesen, einen guten Platz zu finden", sagt Haslinger. Denn ein Hindernis war der See, dessen Wellenbewegungen die Aufzeichnungen nicht beeinflussen sollen. Den ganz genauen Standplatz der Station veröffentlicht der Erdbebendienst aus Sicherheitsgründen nicht. Rund um die Technik solle kein Unfug getrieben werden, so Haslinger.

Die Wallhauser Ortsverwaltung hat übrigens nichts mit der Messstation des Nachbarlands zu tun. Die Station befindet sich auf einem Privatgrundstück und um mögliche Wartungsarbeiten kümmert sich der Schweizer Erdbebendienst. Vor der Einrichtung der Schächte für die Technik prüften die Verantwortlichen auf der Landkarte mögliche Standorte und machten die Besitzer ausfindig. Was Kontrollen angeht, so erklärt Florian Haslinger, seien die Erdbebenmessstation so ausgelegt, dass alles immer verlässlich funktioniere. Es gebe keine Verschleißteile am Gerät, die ausgewechselt werden müssten. "Wenn die Signale gut sind, müssen wir auch nicht vorsorglich hingehen", sagt der Schweizer Experte.

Nagra-Stationen und Vorkommnisse

  • Erdbeben-Messstationen: Der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich erweiterte in den Jahren 2011 bis 2013 das bestehende Erdbebenmessnetz in der Nordostschweiz mit insgesamt zehn Stationen. Sechs liegen auf Schweizer Gebiet, vier auf Deutschem. Neben Wallhausen gibt es baugleiche Messstationen in ein Quadratmeter großen Erdschächten in Emmingen, in der Nähe von Lenzkirch (Schwarzwald) und Mettmatal (Hochrhein). Sie werden Nagra-Stationen genannt. Diese Abkürzung bezieht sich auf die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Die Nagra sowie die Schweizer Kernkraftwerke finanzieren diese Stationen. Deutschland und Schweiz können auf die Daten zugreifen.
  • Erdbeben im Bereich Bodanrück: Von Februar bis Mai 2016 gab es im Bereich Reichenau sieben kleine Erdbeben, die der Landeserdbebendienst verzeichnet hat. Am 28. Februar gab es ein Beben mit einem Wert von 0,9 auf der Richterskala, am 4. März derselbe Wert, am 30. März 1,0 und am 11. April 2,0. Am 5. Mai gab es sogar an einem Tag drei Beben mit 1,1 und zwei Mal 0,6. Im Jahr 2015 waren keine verzeichneten Beben, im Mai 2014 waren am 29. Mai zwei Vorfälle mit 0,5 und 0,9. In den drei Jahren davor war es komplett ruhig. In Allensbach gab es im Mai 2016 drei Beben. Am 4. März, also demselben Tag wie bei einem Beben bei Reichenau, gab es 1,0. Am 21. März 1,2 und am 29. März 1,8. Die Jahre davor war es vollkommen ruhig und ohne Vorkommnisse. In den Gemeinden auf dem Bodanrück, also auch Wallhausen mit der Nagra-Messstation, war nichts. Dafür mit Hilzingen an anderer Stelle im Landkreis: Von Oktober bis Ende 2016 gab es dort eine Serie von mehr als 70 Beben.
Infos zum Landeserdbebendienst und Liste der Bebenvorkommnisse: www.lgrb-bw.de