„Ein Schmuckstück droht zu zerbröseln“, schrieb der SÜDKURIER im Januar 2018 nach einer ernüchternden Augenscheinnahme der massiven Schäden insbesondere im maroden Dachstuhl der ehemaligen Kapuzinerkirche. „Bis zum Ende der Sanierung wird es hier keine Nutzungen mehr geben“, hatte Oberbürgermeister Jan Zeitler damals betont: „Herr Längin wird das nicht verantworten, ich werde das nicht verantworten. Deshalb möchte ich diese Diskussionen ein für alle mal beenden.“
"Kultur im Kapuziner" und Sommertheater mussten ausweichen
Die Konsequenzen erlebten Überlinger Kulturfreunde mit. Die Veranstaltungen der „Kultur im Kapuziner“ und das Sommertheater mussten ausweichen und improvisieren. Für Letzteres könnte es der Anfang vom Ende, zumindest eine wichtige Weichenstellung gewesen sein. 14 Monate später bröselt es an der Kapuzinerkirche weiter.
Gebäude ist fester Standort für Floristen
Noch sind keinerlei Sanierungsmaßnahmen angelaufen, dabei ist das Gebäude bei der Landesgartenschau im kommenden Jahr schon fest als Standort für die Floristen und deren Blumenschauen eingeplant.
Schriftliche Anfrage aller Fraktionen am Ratstisch
Dies war schon bei der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses Grund genug für eine Nachfrage nach dem Status quo und zu dem, was in diesem Jahr vor der Landesgartenschau noch gemacht werde. In der jüngsten Ratssitzung kam schließlich eine detaillierte schriftliche Anfrage der Fraktionen rund um den Tisch.
Sanierung in zwei Stufen vorgesehen
Die Sanierung sei in zwei Stufen vorgesehen, erklärte der für Kultur zuständige Fachbereichsleiter Raphael Wiedemer-Steidinger im Ausschuss. Zunächst gelte es insbesondere die Verkehrssicherheit wiederherzustellen. „Dazu ist die Generalsanierung des Dachstuhls erforderlich“, sagte Wiedemer-Steidinger. Dort lägen die Pfetten, die den Dachstuhl tragen, teilweise nur noch ganz knapp auf und drohten wegzurutschen. „Dieser Bereich muss komplett erneuert werden.“
Nach der Gartenschau Elektrik und Heizung
Die Stadt gehe davon aus, „dass wir das vor der Landesgartenschau noch hinbekommen“. In der zweiten Phase nach der Landesgartenschau würden dann 2021 die Bereiche Elektrik und Heizung erneuert, sodass die Stadt künftig eine ganzjährig nutzbare Veranstaltungshalle haben werde. Noch sei mit den Bauarbeiten nicht begonnen worden, erklärte Wiedemer-Steidinger vor zwei Wochen. Doch die Ausschreibungen und die Vorbereitung seien im Gange.

Rat hat kein Schadensgutachten und Sanierungskonzept gesehen
Da bislang allerdings keine Bewegung erkennbar schien, ist der Gemeinderat beunruhigt, wann und wie die Sanierung überhaupt anlaufen soll. Umso mehr, als das Gremium nach Aussagen der Räte weder das Schadensgutachten noch das daraus abgeleitete Sanierungskonzept zu Gesicht bekommen habe. Daher trug Marga Lenski (LBU/Grüne) am Ende der jüngsten Sitzung im Namen aller Fraktionen einen gemeinsamen Antrag an die Verwaltung vor.
"Häufige Anfragen aus der Bevölkerung"
„Die völlige Sperrung der ehemaligen Kapuzinerkirche sowie die Grundlage, die Planung und der Fortgang ihrer Sanierung sind Gegenstand häufiger Anfragen aus der Bevölkerung und beschäftigen auch uns in zunehmendem Maße“, schreiben die Fraktionen in ihrem Papier: „Wir benötigen hierzu mehr Klarheit und beantragen daher, dass die Verwaltung dem Gemeinderat bis spätestens zu seiner nächsten Sitzung umfassende Auskunft zu den nachfolgenden Punkten gibt.“
Gremium fordert Daten und genaue Inhalte
Das Gremium will das Datum und den genauen Inhalt der Ausschreibungen zu den Sanierungsleistungen 2019/2020 erfahren sowie das Datum der Vergabe dieser Leistungen und den Zeitraum der Durchführung. Zudem wollen die Räte Auskunft, „welche Sanierungsleistungen nur provisorisch dem Durchführungsjahr der Landesgartenschau dienen und welche darüber hinaus Bestand haben“.
Schließlich geht es um Angaben zum Umfang der Nutzung der ehemaligen Kapuzinerkirche für Veranstaltungen im Jahr 2021. Darüber hinaus beantragen die Fraktionen, dass dem Gemeinderat Akteneinsicht „in das oder die Gutachten“ gewährt werde, die Grundlage für die aktuelle Sperrung seien.
OB Zeitler: "Sagen Bearbeitung zur nächsten Ratssitzung zu"
„Den Antrag nehme ich gerne entgegen“, erklärte Oberbürgermeister Jan Zeitler. „Wir sagen eine Bearbeitung des Antrags zu der nächsten Gemeinderatssitzung zu.“ Während Baubürgermeister Matthias Längin etwas nachdenklich den Kopf wiegte, ergänzte Zeitler: „Herr Längin, wir beantworten die Fragen und werden auch eine Drucksache erstellen.“
Reminiszenzen
Schon vor 30 Jahren hatten die „Besorgten Bürger“ für eine kulturelle Ensemblelösung mit Kapuzinerkirche und Kursaal geworben. Damals war das ehemalige Gotteshaus noch Waffenlager. Den Mietvertrag gekündigt hatte die Stadt zum 1. April 2003, als es um einen Spielort für das Sommertheater ging, das dort nach einer Notsanierung im Juli 2004 Premiere feierte. Schon 2006 brachten Jörg Auriga und die Architektengruppe Überlingen den Gedanken ins Spiel, mit einem Bürgerfonds das denkmalgeschützte Gebäude grundlegend zu sanieren und es als ganzjährigen Kulturraum zu nutzen.
Erfolge konnte diese Public Private Partnership schon mit der Sanierung von Steinhaus und Torkel (Stadtbibliothek) 1997 vorweisen, ein Jahr später folgte die Erweckung der Greth aus dem Dornröschenschlaf. Den ersten Anlauf mit der Kapuzinerkirche hatte Auriga 2007 unternommen, als Stiftungsgelder noch Erträge versprachen. Doch im Gemeinderat dominierten Vorbehalte, die Angst, ein Filetstück aus der Hand zu geben, und die Sorge vor Konkurrenz durch ein Kulturcafé. Beim zweiten vergeblichen Anlauf kurz nach der Finanzkrise musste Auriga schon ein komplexes Hybridmodell unter Einbeziehung einer Bürger-Kulturstiftung austüfteln. Die Sanierung war auf 2,1 Millionen Euro kalkuliert, hätte die Stadt wenig gekostet und 2012 abgeschlossen sein sollen.