"Entschuldigung, hier war doch mal das Café Museum, oder?“ Viele Jahre sind vergangen, seit der verführerische süße Duft aus der Luziengasse verschwunden ist. Aber noch immer begegnet man in der Gasse fragenden Besuchern, die sich an das Café mit dem unvergleichlichen Seeblick erinnern können und dorthin zurückkehren möchten, um die feinen Kuchen zu genießen. Mit Wehmut nehmen sie die Antwort entgegen: Dieses Café gibt es nicht mehr.

Familie Lohr, die das Café einst betrieb und jahrelang Überlinger und Feriengäste mit süßen und herzhaften Kostbarkeiten verwöhnte, stammt aus dem Geschlecht der Wiedenhorn. „Die Familie hat sogar ein eigenes Wappen“, erzählt die den Überlingern als Trachtenmutter bekannte Renate Lohr, die gemeinsam mit ihren Eltern den Familienbetrieb führte. Das Haus, das heute noch an prominenter Stelle auf dem Luzienberg steht, mit Sicht über die Altstadt und den Bodensee, entwickelte sich mit der Zeit zu einer ausgezeichneten Konditorei. Zu Beginn jedoch war es ziemlich heruntergekommen. Erst als die Wiedenhorns sich des Hauses annahmen, wurde es renoviert.
„Meine Oma Ida Lohr kaufte zwischen den Weltkriegen das Gebäude von ihrem Vetter Fritz Wiedenhorn. Von dem Kauf habe ich leider keine Unterlagen. Nur der Preis von 8000 DM ist bekannt. Das war für die damaligen Zeiten eine große Summe“, betont Renate Lohr. Die Großmutter krempelte die Ärmel hoch, machte das Haus wohnlich und lebte im Anschluss mit ihrer Familie dort. Renates Vater Franz Lohr legte 1953 seine Konditormeisterprüfung ab, als seine Tochter gerade ein Jahr alt war. Zusammen mit seiner Frau Fine betrieb er in den Jahren 1953 bis 1957 ein Café im Ostbad.
Besucherandrang war von Beginn an groß
Parallel baute das Ehepaar die Räume in der Luziengasse um. Im Sommer 1957 war es so weit: Das Café Museum öffnete. Den Namen hatte es dem nahegelegenen Stadtmuseum zu verdanken. Ziemlich bald merkten die Besitzer, dass die 50 bis 60 Plätze viel zu knapp waren im Verhältnis zum Besucherandrang. Im Sommer gab es zwar die Möglichkeit, die Terrasse zu nutzen und so den Raum zu erweitern, aber im Winter war es wirklich eng. 1961 erfolgte der Umbau. Die Terrasse wurde mit einem verschiebbaren Kobalitdach überdeckt und Lohrs installierten Heizstrahler, an den Seiten brachten sie rot-weiße Markisen an. Über Fastnacht sorgten die Konditoren dafür, dass niedrige Temperaturen beim Feiern nicht störten: Es kamen zusätzliche Markisen ans Gebäude, dieses Mal mit Fenstern.
1967/68 wandelten die Eltern von Renate Lohr die Terrasse in ein Zimmer um: Der Freisitz wurde mit einer Mauer umrandet, die Familie installierte ein festes Dach und Schiebefenster, damit die Gäste bei gutem Wetter im Freien sitzen konnten. Diese Fenster gibt es bis heute, sie wurden nur seitlich durch Mauerwerk ergänzt. Da es durch den Umbau zwar einen Wintergarten, dafür aber keine Terrasse mehr gab, wurde unterhalb des Hauses von der Stadt ein Grundstück gemietet, und ein Garten angelegt.
Renate Lohr produzierte gerne Pralinen
Renate Lohr träumte ursprünglich davon, Erzieherin zu werden, doch durch ihr frühes Mitwirken im elterlichen Betrieb entdeckte auch sie die Liebe und ihr Talent zum Konditorhandwerk. Besonders viel Freude bereitete ihr die Produktion der Pralinen. Sie erzählt: „Als Kind durfte ich immer auf die Pralinchen – aber nur auf jede dritte oder vierte – Silberperlchen oder kandierte Veilchen legen.“
1968 begann Lehre beim Vater
Im Jahr 1968 fing Renate die Lehre bei ihrem Vater an. Es war eine wunderbare Zeit, und Franz Lohr war laut Tochter ein hervorragender Ausbilder. Die Lehre dauerte bis 1971, danach sammelte Renate Lohr Erfahrung in verschiedenen Betrieben. 1976 legte sie ihre Meisterprüfung ab, 1977 kam sie wieder nach Hause, um eine weitere Verkaufsfiliale des Familiengeschäfts am Münsterplatz zu leiten. 1986 übernahm Renate Lohr das Café Museum in Pacht. Ihr Vater erkrankte schwer, die Mutter leitete damals den Laden am Münsterplatz, und Renate war für das Café in der Luziengasse zuständig.
In dieser Zeit wollte die Tochter ihr Café selbst gestalten, doch im bestehenden Geschäft war das nicht möglich. So entschied sich die junge Konditorin, zusätzlich ein Stehcafé in der Obertorstraße zu eröffnen. Nach drei Jahren gab sie es allerdings wieder auf. Das Café Museum hatte eine schönere Lage und ließ durch den regen Betrieb sowieso kaum Zeit für etwas anderes. Nun konnte sich Renate Lohr komplett auf den Stammbetrieb konzentrieren. Sie erneuerte die Räume und änderte einiges an deren Gestaltung.
Im Sommer 2000 fiel Entscheidung für Verkauf
1995 starb Franz Lohr. Die Mutter überschrieb 1996 das Haus auf ihre Tochter und arbeitete noch geringfügig mit, indem sie weiterhin kochte. Der Laden am Münsterplatz wurde geschlossen. Nun musste Renate Lohr entscheiden, wie es weitergehen sollte. „Auf der einen Seite waren das Geschäft und das ganze Haus im Besitz der Familie, und es würde schwerfallen, sich davon zu trennen. Auf der anderen Seite wären nach über 40 Jahren teure und notwendige Renovierungsarbeiten auf mich zugekommen. Da ich auch die Einzige aus der Familie war, die sich dem Geschäft widmen konnte, fiel im August 2000 die Entscheidung für den Verkauf“, erzählt die Konditorin.
Schon 14 Tage später fand sich ein Interessent. Renate Lohr führte das Café zwar noch ein paar Monate weiter, doch am Aschermittwoch 2001 schlossen sich die Türen zum Café zum letzten Mal. Doch die Überlinger – und auch die zahlreichen Feriengäste – haben es nicht vergessen. Das Gästebuch erinnert an Besucher wie Schauspielerin Annemarie Wendl, sie spielte die Rolle der Else Kling in der Serie Lindenstraße, Mundartautor Walter Fröhlich, bekannt als Wafrö, der sogar mit einem Gedicht seinen Aufenthalt verewigte, oder Politiker Erwin Teufel, der sehr oft das Café besuchte. „Es war eine wunderbare Zeit“, sagt Renate Lohr, die inzwischen im Ruhestand ist. So bitter es auch war: „Es war die richtige Entscheidung, das Café abzugeben.“