Feuerwehrmann Bernhard Kessler rollt einen Schlauch auf. Der Einsatz geht allmählich zu Ende, zumindest für einen Teil der Mannschaft. Einige halten noch Brandwache. Andere kümmern sich ums Material. Unter anderem gilt es, Atemschutzgeräte zu warten und Schläuche zu reinigen. In der Nacht mussten gleich zwei Schlauchleitungen gelegt werden. Das über mehrere hundert Meter, von der Bruggergasse bergan – weil an der Brandstätte im Lilienweg kein Hydrant steht.

Für Bernhard Kessler ist der Einsatz am Sonntagmorgen noch lange nicht zu Ende.
Für Bernhard Kessler ist der Einsatz am Sonntagmorgen noch lange nicht zu Ende. | Bild: Jörg Büsche

„Geplant war an diesem Sonntagmorgen ein Besuch auf dem Hundesportplatz“, erzählt Kessler schmunzelnd. Daraus sei nun nichts geworden. Kurz vor drei Uhr wurde er in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Im Lilienweg brannte ein Ökonomiegebäude. Ein Großbrand.

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„Zum Glück sind keine Menschen umgekommen“, erklärt Kessler. Das neben der Scheune stehende Wohnhaus konnte rechtzeitig gesichert werden. Dass für zwei Pferde im Stall jede Hilfe zu spät kam, dass die beiden Tiere verbrannten, das habe ihn und seine Kameraden jedoch sehr mitgenommen.

Das Wohngebäude neben dem Ökonomiegebäude im Lilienweg konnte gerettet werden.
Das Wohngebäude neben dem Ökonomiegebäude im Lilienweg konnte gerettet werden. | Bild: Jörg Büsche

„Ich bin durch ein Klopfgeräusch wach geworden“, berichtet ein Anwohner. Zunächst habe er es nicht recht einordnen können, den Grund kenne er noch immer nicht. Seine Vermutung: „Das müssen wohl die Pferde gewesen sein“, als diese versuchten, sich aus der brennenden Stallung zu befreien. Doch die Flammen schlugen schon viel zu hoch aus dem unteren Teil der Scheune.

Das abgebrannte Ökonomiegebäude im Lilienweg.
Das abgebrannte Ökonomiegebäude im Lilienweg. | Bild: Jörg Büsche

Es seien schreckliche Momente gewesen. Augenblicke der Unsicherheit, ja der Panik, ob das Feuer nicht doch auch aufs Haus überspringen könnte. Zehn Bewohner leben darin. Das junge Paar auf dem Treppenabsatz gehört nicht dazu. „Wir haben angerufen“, erklärt Tim Waldenmayer. Jeder Versuch, zu trösten, musste bislang fehlschlagen, zu schmerzlich sei der Tod der beiden Pferde. Also kamen die beiden jungen Leute vorbei. Sandra Waldenmayer muss nun selbst weinen – wie die Freundin im Haus. Eine Frau, so berichtet Martin Denkert vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) später, hat sich beim vergeblichen Versuch, die Pferde zu befreien, die Hände verbrannt. Es war die Besitzerin der Pferde, Aline Widmann, wie sich später herausstellte.

Glutnester werden noch am Morgen gelöscht.
Glutnester werden noch am Morgen gelöscht. | Bild: Jörg Büsche

Surreales Szenario: Weitere Brandmeldungen folgen

Felix Bäder spürt Glutnester auf. Dort, wo noch immer Rauch aufsteigt, geht er mit seinem Wärmemessgerät auf. Ab 100 Grad heißt es, an den erneuten Griff zum Strahlrohr zu denken. Bäder wie auch sein Kamerad Kai Staesche waren schon wenige Minuten nach dem Alarm am Brandherd. „Nichts mehr zu retten“, lautete der rasche Befund zum brennenden Ökonomiegebäude. Die Wehrleute mussten sich aufs Wohnhaus nebenan konzentrieren. „Eine Dimension wie letztes Jahr in der Oberen Gallusstraße“, vergleicht Kai Staesche das Ausmaß mit dem Großbrand im vergangenen August.

Im Inneren der Scheune gilt es, weiterer Brandentwicklung vorzubeugen.
Im Inneren der Scheune gilt es, weiterer Brandentwicklung vorzubeugen. | Bild: Jörg Büsche

Was im Lilienweg den „Puls dann aber deutlich höher schießen ließ“, berichtet Felix Bäder: das Eintreffen weiterer Brandmeldungen. „Das war schon surreal“, beschreibt es Daniel Kneule, der Markdorfer Gesamtkommandant. „Während wir in der Lilienweg noch gelöscht haben, war oben beim Waldkindergarten schon das nächste Feuer zu sehen.“ Spätestens seit dritten Meldung – sie betraf eine Scheune in der Möggenweiler Straße – lag die Vermutung nahe, dass es sich um Brandstiftung handelt. Eine Option, die die Polizei am Sonntag nicht ausschließt.

Ein vierter Alarm, dieses Mal aus dem Bildungszentrum, erwies sich indes als Fehlalarm. Dennoch: „Man weiß ja gar nicht, was noch kommt“, erklärt Felix Bäder. Die sich in letzter Zeit häufenden Fehlalarme – erst in der Nacht zum Samstag wurden sie gleich zweimal mutwillig im Parkhaus Bischofschloss ausgelöst – strapazieren die Nerven der Feuerwehrleute noch zusätzlich. Umso mehr lobt der Gesamtkommandant seine Mannschaft. Die habe hervorragende Arbeit geleistet. Großes Lob gilt auch den aus der Nachbarschaft eingetroffenen Wehren – aus Friedrichshafen, Immenstaad, Oberteuringen und Salem – sowie dem DRK. Die Bermatinger Wehr wurde zur Bereitschaft ins dortige Feuerwehrhaus einberufen.

Völlig ausgebrannt: der Wagen des Waldkindergartens.
Völlig ausgebrannt: der Wagen des Waldkindergartens. | Bild: Jörg Büsche

Was viele fassungslos macht: „Die Sinnlosigkeit“

Sonja Waibel geht immer auf den Balkon, wenn ihr Mann zum Einsatz gerufen wird. „Von hier oben hat man einen guten Überblick.“ Sieht sie Feuerschein, könne sie sich darauf einstellen, dass ihr Mann etliche Stunden lang nicht heimkommt. „Natürlich macht man sich Sorgen, das ist ganz normal“, sagt sie. An diesem Sonntagmorgen steht Sonja Waibel auf dem Bürgersteig an der Ecke Möggenweiler-/Anton-Reichle-Straße. Sie unterhält sich mit Nachbarinnen und Bekannten. Natürlich geht es um die nächtlichen Ereignisse. Was die gesamte Gruppe fassungslos macht: „Die Sinnlosigkeit“, sagt Martina Wegmann, „wer läuft denn am Samstagabend herum und steckt Scheunen und Kindergärten an?“

In der Scheune an der Möggenweiler Straße mussten gleich zwei Brandherde bekämpft werden.
In der Scheune an der Möggenweiler Straße mussten gleich zwei Brandherde bekämpft werden. | Bild: Jörg Büsche

Fassungslos ist auch Hildegard Walk. In ihrer Scheune hat es auch gebrannt. Dass das rechtzeitig bemerkt wurde, ist nur dem Zufall zu verdanken. „Meine Tochter hat ihren Freund zum Feuerwehrhaus gebracht“, berichtet Hildegard Walk. Der Freund, ein Feuerwehrmann, wurde zum Brand in der Lilienstraße gerufen. Anschließend kam die Tochter zu ihren Eltern. Sie sei dann noch einmal zu ihrem Auto gegangen, um es umzurangieren, damit es Löschfahrzeugen nicht im Wege steht. Dabei habe sie das Feuer in der Scheune entdeckt.

Ein Anhänger brannte. „Der wurde dann mit vereinten Kräften herausgezogen“, schildert Walk – von der Tochter, einem rasch herbei gerufenen Feuerwehrmann sowie einem Polizisten. Das unterdessen wenige Meter weiter auflodernde Feuer im Heulager konnten die Walks schließlich dank des eigenen C-Rohrs und der Zisterne auf ihrem Anwesen löschen. „Nicht auszudenken, was passiert wäre“, wenn die Scheune in der Möggenweiler Straße auch noch in Flammen gestanden hätte.

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Martinshörner und Blaulicht reißen viele Markdorfer aus dem Schlaf

„Was ist das Weiße da?“ Der fünfjährige Adrian deutet auf den Löschschaum. Er ist in Begleitung seiner Freunde hoch zum Hundeportplatz gekommen, wo der Markdorfer Hundeverein an diesem Sonntagvormittag zum „Hundespielplatz“ eingeladen hat, dem leinelosen Herumtollen von Hunden und Haltern. Doch nicht die Vierbeiner haben das Interesse der vier Freunde geweckt. Sie sind noch ein bisschen höher gegangen – in den Wald. Dorthin, wo am Samstag noch der Wagen des Waldkindergartens gestanden hat.

„Mein Vater ist in der Nacht aufgewacht“, erzählt der achtjährige Malik. Der Klang von Martinshörnern und Hubschrauberrotoren sowie flackerndes Blaulicht haben ihn aus dem Schlaf gerissen – so wie zahlreiche andere Markdorfer auch, nicht nur in Möggenweiler, sondern im gesamten Stadtgebiet. Am Morgen, so berichtet Malik weiter, habe seine Mutter ihm dann erzählt, was in der Nacht passiert ist.

Völlig ausgebrannt: der Wagen des Waldkindergartens.
Völlig ausgebrannt: der Wagen des Waldkindergartens. | Bild: Jörg Büsche

Am Sonntagmorgen führen die beiden stählernen Treppen, über die es in den Wagen ging, ins Leere, auf ein Fahrgestell ohne Aufbauten. Der Ofen steht noch da, sein Rohr weist aber ins Nichts. Nur eine Stirnwand ragt noch völlig verkohlt aus den Trümmern, lässt die Konturen des Wagens erahnen. „Ich finde es schade, dass er nicht mehr da ist“, erklärt Adrian. Ihm habe es immer viel Spaß gemacht, hier her zu kommen. „Ich kann gar nicht verstehen, wie man so etwas machen kann“, sagt der zehnjährige Mehmet.