Seit Jahren stecken die Klinikum Friedrichshafen GmbH und der Medizin Campus Bodensee (MCB) in der Krise. Jährlich türmen sich Millionen-Defizite auf, die bislang die Stadt Friedrichshafen ausgleichen muss. Damit soll nun Schluss sein. Am Montag, 14. Juli, berät der Gemeinderat öffentlich über die Beendigung der Trägerschaft.
Konkret bedeutet das: Zum 1. Januar 2026 soll die Trägerschaft der Stadt für die Klinikum Friedrichshafen GmbH und die weiteren Gesellschaften des MCB enden. „Ziel ist der geordnete Übergang der Trägerschaft an den Landkreis“, heißt es seitens der Stadt. Das Problem ist nur: Bislang zeigte sich der Landkreis wenig interessiert an einer führenden Rolle und sah sich schon gar nicht finanziell in der Verantwortung.
Landkreis irritiert über „Alleingang“
Hinter den Kulissen wurden in den vergangenen Monaten zwar etliche Gespräche geführt, der Landkreis zeigt sich allerdings „irritiert über den Alleingang der Stadt Friedrichshafen zur Zukunft des MCB“. In einer Mitteilung heißt es, man nehme das Vorgehen mit großer Verwunderung zur Kenntnis. Die Stadt plane ohne vorherige Abstimmung mit der Kreisverwaltung, über eine Übertragung der Trägerschaft an den Landkreis zu beraten und zu entscheiden.
Landrat Luca Prayon wird mit den Worten zitiert: „Wir haben uns gemeinsam mit der Stadt und dem Landkreis Ravensburg auf den Weg gemacht, um eine tragfähige Lösung für die Zukunft der Krankenhausversorgung in der Region zu entwickeln. Mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung für die Bürgerinnen und Bürger langfristig sicherzustellen. Diesen Weg hat die Stadt nun zu einem Zeitpunkt verlassen, an dem eine vertrauensvolle Abstimmung wichtiger denn je gewesen wäre. Denn zentrale und grundlegende Fragen sind noch offen.“
Nicht mehr nur für Häfler Patienten
Friedrichshafens Oberbürgermeister Simon Blümcke begründet in der Mitteilung der Stadt das Vorhaben: „Wir wollen einen geordneten Übergang des Klinikums Friedrichshafens und der weiteren MCB-Gesellschaften an den Landkreis ermöglichen.“ Die große Mehrzahl der Patientinnen und Patienten in Friedrichshafen und Tettnang komme aus dem Kreis, als Stadt und mit der Zeppelin-Stiftung können man dafür nicht mehr die Finanzierung sicherstellen.

Gutachter: Landkreis ist in der Pflicht
Die Stadt Friedrichshafen hat eine Kanzlei die rechtliche Situation abklären lassen. Diese kommt zum Schluss, dass „die Pflichtträgerschaft des Landkreises nach Paragraf 3, Abs. 1 Landeskrankenhausgesetzes eingreift, wenn die Stadt ihre Trägerschaft für das Klinikum und die Klinik Tettnang aufgibt“. Auch zur Einstellung des Betriebs sei die Stadt berechtigt. Entziehe sich der Landkreis seiner Pflichtträgerschaft, könne das Regierungspräsidium anordnen, dass der Landkreis die Kliniken weiterführen muss.
Die Gespräche mit dem Bodenseekreis wie auch mit dem Regierungspräsidium Tübingen zum geplanten Übergang des MCB seien in den vergangenen Monaten intensiviert worden, heißt es. Nun solle der Häfler Gemeinderat mit genügend Vorlauf für die weitere Umsetzung den Übergang zum Jahreswechsel beschließen. Der Finanz- und Verwaltungsausschuss habe in der Vorberatung einen entsprechenden einstimmigen Empfehlungsbeschluss für den Gemeinderat gefasst.
Betriebsrat völlig überrascht
Völlig überrascht über den Vorstoß sind die Klinik-Beschäftigten und deren Vertreter. Man sei erst am 8. Juli von der Klinik-Geschäftsführung informiert worden, die wiederum davon erst einen Tag zuvor erfahren hatte, schreibt der MCB-Konzernbetriebsrat im Intranet. Bei der Sitzung des Gemeinderats wollen die Betriebsräte dabei sein. „Wir möchten alle Beschäftigten des MCB motivieren, ein Signal an den Gemeinderat zu senden und geschlossen unsere Betroffenheit zu dieser Entscheidung zu zeigen“, heißt es in der Mitteilung.
OB: Richtiger Moment für Übergang an Kreis
OB Blümcke: „Wir müssen die Kosten nun zwingend auf breitere Schultern und damit auf alle kreisangehörigen Kommunen im Bodenseekreis verteilen.“ Er verweist auch auf die Krankenhausreform: Nur der Kreis könne aufgrund seiner gesetzlichen Verantwortung für die Gesundheitsversorgung entscheiden, welche medizinischen Angebote und Leistungsgruppen zukünftig im Bodenseekreis angeboten werden sollen und können. „Daher ist spätestens jetzt der richtige Zeitpunkt für den Übergang der MCB-Gesellschaften an den Kreis.“

Die Stadt strebt laut Beschlussvorlage eine einvernehmliche Übergabe an den Kreis an, „und zwar geordnet im Sinne der Patienten, der Mitarbeitenden, der Reputation und der finanziellen Auswirkungen“. Daher schlägt die Verwaltung dem Gemeinderat auch vor, die für das laufende Jahr 2025 notwendigen Zuschüsse bereitzustellen. Außerdem soll der Gemeinderat einen vorsorglichen Beschluss über eine Zuführung in die Kapitalrücklage fassen.
Stadt und Stiftung fehlt das Geld
Dass die finanzielle Lage von Stadt und Zeppelin-Stiftung zum Handeln zwingt, wurde spätestens mit dem Beschluss des Doppelhaushalts 2025/2026 klar: Trotz Streichungen und Kürzungen bei den Ausgaben und trotz Erhöhung der Einnahmen, etwa durch höhere Gebühren, ist die Stiftung nun bereits im dritten und vierten Haushaltsjahr in Folge nicht in der Lage, die laufenden Aufwendungen durch laufende Erträge zu erwirtschaften. Daher hat das Regierungspräsidium Tübingen die Stadt mit Nachdruck aufgefordert, die Negativentwicklung zu stoppen.
Der Übergang auf den Landkreis bedeute auch nicht, dass sich Stadt und Stiftung zukünftig aus der Finanzierung der Kliniklandschaft zurückziehen würden: Die Finanzierung von kreiseigenen Kliniken wird über die Kreisumlage sichergestellt, also von allen Kommunen im Kreis gestemmt. Hier leiste die Stadt Friedrichshafen als größte Kommune immer den größten Anteil.
Dem Landkreis zufolge fehlen allerdings „grundlegende Festlegungen zur Gesellschaftsstruktur, zu Eigentumsverhältnissen, zu geplanten Neubauten sowie zum medizinischen Gesamtkonzept“. Ebenso stünden Gespräche mit dem Land und dem Regierungspräsidium aus. „Erst wenn diese Punkte geklärt sind, kann der Kreistag eine fundierte und verantwortungsvolle Entscheidung treffen“, so Landrat Prayon.
Kritik an öffentlich aufgebautem Druck
In den Gesprächen sei seitens des Landkreises zuletzt am 24. Juni ausdrücklich klargestellt worden, dass eine Übernahme der Trägerschaft zum 1. Januar 2026 nicht möglich sei. Ein derart kurzer Zeitrahmen lasse keine verantwortungsvolle Prüfung, Planung und Beschlussfassung zu. Besonders kritisch sieht der Landrat die Auswirkungen auf die Mitarbeiter: „Sehr ärgerlich finde ich diesen Alleingang, da es eine klare Verständigung darüber gab, dass dieses Verfahren intern im Sinne aller Beteiligten vorbereitet wird, bevor es in die Öffentlichkeit geht. Der nun öffentlich aufgebaute Druck durch die Stadt schadet nicht nur dem MCB und dem gesamten Prozess, sondern sorgt auch bei Mitarbeitenden sowie den Bürgerinnen und Bürgern für Verunsicherung.“
Aus Sicht der Kreisverwaltung gebe es zudem per se keinen rechtlichen Automatismus, der den Landkreis unmittelbar verpflichtet, die Trägerschaft eines Krankenhauses zu übernehmen, wenn sich eine Stadt zurückzieht. Abschließend betont der Landrat daher: „Wir sind offen für eine tragfähige Lösung im Sinne der Versorgungssicherheit in der Region. Allerdings nicht unter dem Druck einseitiger öffentlicher Vorstöße, sondern im Rahmen eines gemeinsam verantworteten Prozesses.“