Missstände öffentlich machen, gegen Widerstände recherchieren, den Mächtigen auf die Finger schauen: Dies ist die vornehmste Disziplin von Lokaljournalisten. Vorwürfe, dass das Patientenwohl am Medizin Campus Bodensee in Friedrichshafen gefährdet wurde und deswegen bereits Patienten verstorben seien, wollten Klinikleitung, Aufsichtsrat und Chefärzte unter Verschluss halten. Erst durch die Recherchen des SÜDKURIER gelangten vor allem klinikintern vorgeworfene Missstände an die Öffentlichkeit, und es wurden Ermittlungen eingeleitet. Wir berichten über Monate hinweg regelmäßig.

Für diese Recherchen wurde der SÜDKURIER nun mit dem Madsack Award 2025 ausgezeichnet. Die Preise, die von der Madsack Stiftung mit Sitz in Hannover vergeben werden, gehen in diesem Jahr an den Weser-Kurier, die Braunschweiger Zeitung, den SÜDKURIER und die Frankfurter Neue Presse. In Friedrichshafen recherchierten Benjamin Schmidt, Katy Cuko, Cian Hartung, Fabiane Wieland und Nathalie Metzel, Julia Blust steuerte das Team als CvD.

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Chefredakteur Stefan Lutz sagt: „Ich freue mich sehr über die Auszeichnung der Redaktion. Nicht nur, weil es die große Mühe der Kolleginnen und Kollegen anerkennt, sondern weil das gewürdigt wird, was guter Lokaljournalismus im besten Fall ist: Qualitätsvoll, investigativ und hartnäckig. Und in der Rolle, Missstände öffentlich zu machen, damit sie sich ändern. Das ist hier vorbildlich gelungen.“ In ihrer Laudatio würdigt Hannah Suppa, Chefredakteurin der Leipziger Volkszeitung, die Arbeit: „Lokaljournalismus wird da herausragend und relevant, wo er Missstände aufdeckt, zur Aufklärung beiträgt – und dabei nicht vorverurteilt oder sich einer Empörungsspirale hingibt. Hierin sind die Preisträger aus Braunschweig und Konstanz mit ihrer Berichterstattung zu den Klinken echte Vorbilder.“

Recherche beginnt im Winter 2023

Die Vorwürfe, die im Winter 2023 im Raum standen, wogen schwer: Schlecht ausgebildete Assistenzärzte würden das Patientenwohl gefährden, auch zu Todesfällen sei es bereits gekommen. Es gehe auch um Abrechnungsbetrug. Die Oberärztin Elke Küßner hatte bereits Ende 2021 immer und immer wieder diese Zustände auf der internistischen Intensivstation bei ihren Chefs angesprochen. Die Klinikleitung wollte von den Vorwürfen nichts wissen, versuchte, die Missstände zu vertuschen und die Ärztin in eine andere Abteilung zu versetzen. Gegen diese Versetzung reichte die Ärztin Klage ein. Es kam zum Kontakt zwischen der Oberärztin und der SÜDKURIER-Redaktion Friedrichshafen. Die Ärztin hatte sich als Whistleblowerin gemeldet.

Die Preisverleihung in Hannover am 18. September.
Die Preisverleihung in Hannover am 18. September. | Bild: Tim Schaarschmidt

Kurze Zeit später erfuhr die Oberärztin, dass sie gekündigt werden soll, daraufhin nahm sie sich das Leben. Das Thema bekam eine neue Dimension. Der Suizid von Elke Küßner sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Das Vertrauen der Bevölkerung in das Klinikum war erschüttert. Wochenlang war das Klinikum Gesprächsthema Nummer eins in der Region und die Menschen begriffen sofort, wie relevant die Rolle des Lokaljournalismus ist.

Strafrechtliche Konsequenzen und viel Geld

Die Widerstände, gegen die SÜDKURIER-Reporterinnen und -Reporter anrecherchierten, waren groß. Es ging um Reputation, Machtgefüge, strafrechtliche Konsequenzen und viel Geld. Schnell waren Anwälte im Spiel, die versuchten, unsere Berichterstattung einzuschränken. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik, die mit uns sprachen, hatten Angst vor Repressalien.

Zwischenzeitlich wurde nach Abschluss der internen Compliance-Untersuchung einem Chefarzt die Kündigung ausgesprochen. Im Oktober 2024 musste dann der Geschäftsführer des Klinikums gehen. Im Dezember 2024 deckte der SÜDKURIER auf, dass der Chefarzt offenbar weiter Gehaltszahlungen in Millionenhöhe bekommen sollte.