Er wollte Überlingen während der Pandemie den Rücken kehren, woanders ganz neu anfangen. Dafür hatte er sich einen neuen Namen und eine neue Identität ausgedacht. Aber Daniel Magri ist seiner Heimatstadt treu geblieben. Trotz der Landesgartenschau im Sommer 2021, für ihn eine echte Bedrohung. Denn: Damals sah er seinen Schlafplatz vor der öffentlichen Toilette im Stadtgraben durch die vielen Besucher in Gefahr. Er suchte sich eine Alternative auf einer Wiese in Süßenmühle, eine Zuflucht mit Seeblick. Heute sagt er: „Das war alles halb so schlimm, im Stadtgraben hat mich dann doch kaum jemand gestört.“
Eindrücke sammeln – das ist jetzt seine Mission
Mittlerweile ist die Landesgartenschau längst vorbei und in Überlingen Ruhe eingekehrt – sehr zum Gefallen des 63-Jährigen. Magri schläft wieder im Stadtgraben, tagsüber sitzt er auf einer schattigen Bank an der Bushaltestelle am Landungsplatz. Dort liest er Bücher und beobachtet die Menschen. Eindrücke sammeln, das sei seine selbst auferlegte Mission. Er sei ein „USA“, „ein unabhängiger Situationsanalytiker“, sagt er. Das Ergebnis seiner Analyse: „Die Menschen haben sich seit Corona verändert.“ Sie hätten einen Tunnelblick, seien ignoranter und rücksichtsloser geworden – das habe er hier am Landungsplatz in zahlreichen Situationen beobachtet.
Außerdem würden viele von ihm Fotos machen, seitdem zwei Artikel über ihn im SÜDKURIER erschienen sind. „Manchmal machen sie es auch heimlich“, wie er mit einem Grinsen sagt. Aber darauf ist er stolz: „Ich bin bekannt und werde hier respektiert.“ Oft könne er sich daher auch von seinem Sitzplatz entfernen und sein Fahrrad stehen lassen, auf dem sein Hab und Gut festgeschnallt ist. „Das wird dann von der Allgemeinheit bewacht.“ Doch vor einigen Monaten hätten Unbekannte in seiner Abwesenheit in seinem Besitz herumgewühlt. Danach war ein wichtiger Gegenstand verschwunden: Einer der Artikel über ihn, den eine Freundin von ihm in Gold eingerahmt hatte. „Das hat mich wirklich sehr getroffen“, sagt er.
Auf der Suche nach einer zweiten Garage
Bei all dem Gepäck auf Vorder- und Hinterachse scheint es, als ob das Fahrrad bald zusammenbricht. Neben Schlafsack, Isomatte oder Klamotten habe er dort unter anderem einen Kickroller, eine Bluetooth-Box, einen mobilen Plattenspieler und ein LED-Skateboard eingepackt. „Auf dem Skateboard fahre ich manchmal nachts herum, irgendwie muss ich ja noch Spaß haben dürfen“, sagt Magri.

Das ist aber nur ein Teil seines Besitzes: Bei seiner Überlinger Schwester habe er eine gesamte Garage voll mit Gegenständen. Aktuell sucht er eine zweite Unterbringung. Wer etwas habe, dürfe sich gern bei ihm melden. Zahlen könne er, denn Geld sei nicht das Problem. „Ich bekomme Unterstützung von mehreren Menschen“, sagt er.
„Mir geht es körperlich beschissen“
Was dagegen ein Problem ist: der Gesundheitszustand. „Mir geht es körperlich beschissen“, sagt Daniel Magri. Er habe seit mehreren Jahren einen Nabelbruch. Dazu kommen Probleme in den Füßen, die seine Bewegungsabläufe erschwerten. Die wichtigsten Organe funktionierten aber noch, sagt er. Unterstützung habe er, doch kein Arzt dieser Welt könne ihm mehr helfen, ist er sich sicher. Außerdem sei er nicht versichert. Er sagt: „Wenn es vorbei ist, ist es halt vorbei.“
Einen besonderen Halt findet er dagegen in der Mystik. Er hat sogar einen eigenen Klub gegründet, mit mittlerweile neun weiteren Mitgliedern. „Wir haben fast jedes Sternzeichen“, sagt der Vertreter des Sternzeichens Löwe. Unter den Mitgliedern seien nur Frauen, das wolle Magri auch weiterhin so handhaben. Der Grund: Frauen hätten sich historisch mehr für das Thema interessiert. Zuletzt hätte ihn auch ein Mann gefragt, ob er beitreten dürfe, Magri ließ ihn aber abblitzen.

Generell macht es dem Obdachlosen aber große Freude, das Thema mit anderen zu teilen. „Ich finde das einfach schön“, sagt er und lächelt. Er habe nach intensiver Lektüre zu dem Thema auch seine eigene Schöpfungsgeschichte entwickelt. Demnach sei die Erde nicht durch Gott oder nach einen Urknall entstanden, sondern: „Das Universum hat die Erde erschaffen“, sagt Magri.