Lange kontroverse Diskussionen waren vorausgegangen, bis im November 2011 die so genannte Baumschutzsatzung der Stadt in Kraft getreten war, die jetzt sprachlich und inhaltlich konkretisiert wurde. Kontraproduktiv könne so eine rechtliche Festsetzung sein und vielleicht im Vorfeld das Gegenteil bewirken, hatten Skeptiker ins Feld geführt. Doch schon im März 2012 gab die Satzung der Stadt eine Handhabe, um einer Fällung der Kastanienallee am Schloss Rauenstein Einhalt zu gebieten.
Baumschutzsatzung verhinderte Fällung von Kastanien
Als früherer Besitzer der Immobilie wollte der Bodenseekreis das ganze Kastanienrund an der Aussichtsplattform der Motorsäge preisgeben. Ein Gutachten habe Gefahr im Verzug gemeldet und große Risiken für Spaziergänger gesehen, lautete die Begründung des Landratsamtes, das den Bereich absperren ließ.

Rolf Geiger von der Überlinger Abteilung für Grünflächen, Umwelt und Forst sah dies anders, verwies auf die Satzung und machte nach einigen kleineren Eingriffen in die Gehölze den Weg wieder frei. Die Besucher konnten die besondere Aussicht über Stadt, See und Berge genießen.
Die Gespräche zum Erwerb der ganzen Immobilie durch die Stadt waren zu diesem Zeitpunkt erst angelaufen, „mit dem Ziel, die Zugänglichkeit des Parks für die Öffentlichkeit auf Dauer zu gewährleisten und den Ausbau des Hochschulstandorts Überlingen zu ermöglichen“, wie es später hieß. Im März 2015 fasste der Gemeinderat den Beschluss zum Kauf von Schloss Rauenstein – für einen Preis von 2,9 Millionen Euro an den Bodenseekreis.
Noch hat die Stadt die ab 2018 fälligen fünf Teilraten nicht alle bezahlt. Aufgrund der Haushaltslage und den Forderungen des Regierungspräsidiums wies Oberbürgermeisterin Sabine Becker darauf hin, „dass die Stadt den Kaufvertrag nur abschließen kann, wenn eine entsprechende Refinanzierung auf dem Areal erzielt werden kann“.
Stadt strebt Bebauung an Rauensteinstraße an
Als „bedeutsam“ für diese Refinanzierung waren damals der Parkplatz an der Rauensteinstraße und der kleine Weinberg am Südhang (530 Quadratmeter) explizit genannt, für den der Landkreis noch das Nutzungsrecht hat. Seit dem Kauf des Areals gilt es im Gemeinderat nicht zuletzt deshalb als weitgehender Konsens, eine Bebauung entlang der Rauensteinstraße anzustreben, wo derzeit noch eine Hecke den Park säumt.
Jetzt legte Stadtplaner Thomas Kölschbach einen ersten städtebaulichen Entwurf – also noch keinen Bebauungsplan – vor, der in den Gremien wohlwollend aufgenommen wurde, bei den Bürgern und Naturschützern außerhalb dennoch auf Bedenken und Widerstand stößt.
Dass sich im Bauausschuss und im Gemeinderat niemand der Planung entgegen stellt, wundert heute nicht nur Agnes und Detlef Köse, die sich bei einem kurzen Ortstermin als Stimme sehr vieler Anwohner aus der Umgebung verstehen. „Es wären gerne viele gekommen“, sagt Agnes Köse, als sie die Situation an Ort und Stelle zeigt: „Doch wegen der Corona-Beschränkungen ging das nicht.“
Anwohner sehen Park als gewachsenes Ensemble
Sie hat schon verstanden, dass es „nur“ um eine „Randbebauung“ geht, wie ihnen von Oberbürgermeister Zeitler und Gemeinderäten erläutert worden sei. Für Köse ist dies trotz der Vorgeschichte unverantwortlich, so ein gewachsenes Ensemble zur Disposition zu stellen. „Das ist eine echte grüne Oase, die in der Stadt Seltenheitswert hat. Sie zu zerstören, ist aus unserer Sicht eine Sünde“, sagt sie.
„Wir sind ja nicht naiv“, erklärt Agnes Köse: „Wir wissen, dass es Wohnungen braucht und dass man dazu auch mal einen Baum fällen muss.“ Doch der Rauensteinpark sei eine ganzheitliche Anlage. „Wir sind sehr enttäuscht, dass sich nicht einmal BÜB+ dagegen ausspricht“, betont Köse.

Besorgt ist auch der Naturschutzbund. „Ich habe mich beim Grünflächenamt erkundigt“, sagt Hartmut Walter, Vorsitzender des Naturschutzbundes in Überlingen. „Offensichtlich ist es noch gar nicht klar, wie viele und welche Bäume konkret weichen müssen.“ Unter anderem stehen auf dem Areal nicht nur eine riesiger Mammutbaum, mit einem Stammumfang von fünf Metern, sondern auch mehrere mächtige Eichen und einige Platanen in natürlichem Wuchs.

Erst im April 2016 hatten Oberbürgermeisterin Sabine Becker, Baubürgermeister Matthias Längin, Gartenschauchef Roland Leitner mit dem Grünflächenamt und der Stadtgärtnerei zum „Tag des Baumes“ eine neue Winterlinde gepflanzt.

Biologe weist auf Bedeutung für Fledermäuse hin
Die markanten Bäume und der ganze Park seien insbesondere für Fledermäuse ein sehr wichtiges Jagdrevier und ein Standort für Sommerquartiere, betont Biologe Hartmut Walter. Ein Gutachten von Experten habe schon 2012 gezeigt, dass das Biotop wichtig für ganz seltene Arten wie die Rauhhautfledermaus, ja sogar für die sehr seltene Bechsteinfledermaus sei. Besonders während der so genannten Wochenstubenzeit seien Parkanlagen und Obstwiesen mit Baumhöhlen überlebenswichtig.