„Diese Tiny-Häuser, die sind mein Kind!“, platzt es aus Alexander Ilg heraus. Dabei schaut er auf das kleine schwarze Haus im Uferpark. Für die Landesgartenschau in Überlingen hat er die Urform einer Behausung geschaffen. Kompakt, ein bisschen rührend und gleichzeitig erhaben steht das Tiny-Haus auf einer Stufe direkt über dem Seeufer. Ilg hat diesen Platz in Nachbarschaft zur Silvesterkapelle ausgesucht. Beide Gebäude stünden für den jeweiligen Zeitgeist. „Den Dialog zwischen Alt und Neu, den will ich pflegen“, erläutert Ilg.
Tiny Houses sind sein Herzensprojekt
Alexander Ilg ist Architekt und Schreinermeister, der sich auf den Bau von Passivhäusern spezialisiert hat. Die Tiny Houses sind sein Herzensprojekt, aber nicht sein Hauptgeschäft. Das Mü-See-Haus, wie es offiziell heißt, baute er mit den eigenen Händen für die Landesgartenschau. „Das mache ich nachts in meiner Werkstatt. Meine Mitarbeiter damit zu beschäftigen, kann ich mir nicht leisten.“
Der Schreinermeister nutzt alles, was ein Baum zu bieten hat
Seine Intention war es, ausschließlich heimische Hölzer zu verbauen und alles zu nutzen, was ein Baum zu bieten hat. Der Boden ist aus geseifter und gewachster Esche, die im Bandsägeschnitt verarbeitet wurde. Nach einem halben Jahr, in dem zahlreiche Besucher dort rein und raus gelaufen sind, hat der Boden Patina bekommen, sieht aber immer noch hell und wertig aus. „Der Boden funktioniert prima“, freut sich Alexander Ilg.

Materialien müssen passen wir ein Kleidungsstück
Der Architekt, der auch Baubiologe ist, legt Wert darauf, dass sich die Menschen in dem Haus wohlfühlen. Dafür findet er Material und Haptik ausschlaggebend. Wie ein Kleidungsstück müsse alles passen und die richtigen Eigenschaften haben, damit man weder schwitzt noch friert. Dafür sorgt der Aufbau der einzelnen Schichten: Das helle Fichtenholz der Wände gibt dem Raum ein freundliches Ambiente. Dahinter verbirgt sich eine Dämmschicht aus Holzfaserplatten. Sie schützt vor Wärmeverlust ebenso wie zu großer Hitze. Das dort zum Einsatz kommende Material eignet sich nicht für den Bau, aber für eine natürliche Isolierung. Die Fassade schließlich ist der Regen- und Wetterschutz. Die Lärche-Leisten wurden mit drei Schichten Holztinte tiefschwarz gefärbt. Damit erwärmt sich das Haus schnell und ist vor Schädlingen und Pilzen geschützt.
Das Tiny House dicht über dem Bodenseeufer beherbergt die Klanginstallation „Vom Grunde“ von Claire-Marie Dreiseitl und Annika Wehrle. Die beiden Künstlerinnen haben Klänge vom Bodensee sowie Poesie und Legenden zum Gewässer gesammelt und vertont. Wegen der Corona-Auflagen konnten sich immer nur zwei Personen in dem kleinen Haus aufhalten, was die Nutzung etwas eingeschränkt hat.
Schon 2018 ein Tiny House für die Landesgartenschau in Würzburg
Das sei in Würzburg bei der Landesgartenschau 2018 anders gewesen, berichtet Alexander Ilg. Die dortigen Organisatoren hatten eine Ausschreibung für Tiny Houses gemacht. Der Architekt aus dem Deggenhausertal gehörte zu denen, die dort ihre Ideen präsentieren konnten. „In dem Haus fanden japanische Teezeremonien statt, Kunststudenten haben dort gezeichnet und vieles mehr“, freut er sich über die Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten.

Genau das macht für ihn den Reiz dieser Mini-Behausungen aus. Er nennt sie auch Muse-Haus, wo das Fenster den Blick lenkt und der Nutzer seiner inneren Stimme lauschen kann. Den Traum vieler Leute, die ein Tiny House zu ihrem Hauptwohnsitz machen möchten, findet er weniger erstrebenswert. „Das verbraucht, gemessen an der Zahl der Leute, die dort wohnen können, zu viel Platz“, urteilt der Architekt. Die Mini-Häuser sind für ihn eine Ergänzung oder mobile und temporäre Alternative.
Ein Interessent hat sich bereits für das Haus gemeldet
„Meine Intention war es, an einem schönen Platz ein besonderes Haus zu bauen“, fasst er sein LGS-Projekt zusammen. Anfang November wird es abgeholt und kommt erst einmal auf seinen Hof. Wie es dann weiter geht, weiß er noch nicht genau, aber es habe sich schon ein Interessent gemeldet. Auf den tollen Ausblick wird der wahrscheinlich verzichten müssen.
