Mehr als 106.000 Euro hat ein Bauunternehmer zurückgehalten, indem er von Februar 2018 bis August 2019 keine Sozialversicherungsbeiträge abgab. Jetzt stand er wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 19 Fällen vor dem Überlinger Amtsgericht.
Wie es zu den fehlenden Sozialversicherungsbeiträgen kam, konnte sich der Angeklagte im Gerichtssaal nicht erklären: „Ich spreche die Aufträge mit anderen Unternehmern ab und die haben dann wiederum eigene Mitarbeiter. So arbeite ich oft mit zehn bis zwölf anderen Firmen zusammen.“
Der Angeklagte weiter: „Meine Mitarbeiter arbeiten bei mir selbstständig. Wir verhandeln für jeden Auftrag einen Preis. Ihre Arbeitszeiten teilen sie sich selbst ein. So läuft das in der Baubranche.“ Bei Richter Alexander von Kennel verhärtete sich aber nach und nach der Verdacht, der Unternehmer habe den Überblick für seine Baustellen und Aufgaben verloren.
„Ein Strafbefehl ist immer ein Friedensangebot“
Von Kennel sprach von Scheinselbstständigkeit und davon, dass Mitarbeiter-Kolonnen aufgenommen wurden, bei denen der Geschäftsführer gar nicht wusste, wer da überhaupt alles arbeitete: „Als ich Ihren Fall auf den Schreibtisch bekommen habe, dachte ich mir nur, dass die Staatsanwaltschaft wirklich milde, milde war mit dem Strafbefehl.“
Der Staatsanwalt pflichtete dieser Aussage bei. „Ein Strafbefehl ist immer ein Friedensangebot.“ Er sprach weiter: „Außerdem ist der Inhalt dieser Verhandlung nur die Spitze des Eisbergs. Es geht hier lediglich um einen kleinen Ausschnitt dessen, was uns vorliegt. Hätten wir hier alles verhandeln wollen, hätte die Verhandlung fünf Jahre gedauert.“
Durch die erdrückende Beweislast der vorliegenden Unterlagen fragte der Richter den Angeklagten, ohne einen der drei Zeugen vernommen zu haben: „Sind Sie sicher, dass Sie den Einspruch gegen den Strafbefehl aufrecht erhalten wollen? Die Staatsanwaltschaft hat ungemein dicht zusammengezogen. Sie können den Einspruch immer noch auf die Tagessatzhöhe beschränken.“ Es folgte eine Unterbrechung der Verhandlung, in der sich der Angeklagte mit seinem Verteidiger besprach.
Einspruch auf die Tagessatzhöhe beschränkt
Der Verteidiger folgte mit seinem Mandaten der Empfehlung des Richters und beschränkte den Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Tagessatzhöhe. Danach ging es schnell: „Sind 40 Euro ok?“, fragte der Staatsanwalt. Der Angeklagte bestätigte. Es folgten das Urteil und die Strafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro; gesamt eine Summe von 6000 Euro.
Richter Alexander von Kennel gab dem Angeklagten abschließend noch etwas mit auf den Weg: „Lassen Sie sich unbedingt umfangreich beraten, wie Sie das als Geschäftsführer in Ihrer Branche alles regeln müssen. Sonst sehen wir Sie womöglich wegen Insolvenzverschleppung in ein paar Monaten wieder hier.“