Die Plätze im Saal des katholischen Pfarrzentrums am Münsterplatz waren zwar nur zur Hälfte besetzt, doch die rund 60 Zuhörer waren in guter Gesellschaft. Während der französische Ministerpräsident Macron und Bundespräsident Steinmeier am Sonntagabend Gäste eines Friedenskonzerts im Straßburger Münster waren und so dem 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs gedachten, lauschten die Überlinger zur gleichen Zeit und aus dem gleichen Anlass dem britischen Sänger John Gillard und dessen nachdenklichen Liedern gegen Gewalt und Krieg, die der Wahl-Vorarlberger Gitarrist gemeinsam mit Ana Bienek und Robert Kopf spielte.
Zu hören waren berühmte Songs unter anderem von Bob Dylan, Marc Knopfler oder Sting, aber auch einige eigene Kompositionen von John Gillard selbst und Texte von Kurt Tucholsky. Das Konzert war zugleich Auftakt zur ökumenischen Friedensdekade, die bundesweit von 11. bis 21. November stattfinden und auch in Überlingen noch einige gemeinsame Veranstaltungen von Kirchengemeinden und Friedensinitiativen bringen wird.
"Frieden ist ein zerbrechliches Gut"
"Frieden ist ein zerbrechliches Gut", sagte Pastoralreferentin Julia Kundinger von der Münstergemeinde in ihrer Begrüßung: "Dies ist wohl kaum einem Volk so bewusst wie unserem deutschen. Zwei Weltkriege haben wir beziehungsweise unsere Vorfahren angezettelt." Gerade in einer Zeit, in der überall aufgerüstet werde, gelte es aufzustehen gegen das Vergessen. "Gegen das Vergessen, dass Krieg immer unsagbares Leid, Unmenschlichkeit und am Ende nur Zerstörung und Tod mit sich bringt." Umso mehr gelte es für "jeden unter uns, Tag für Tag im Kleinen am Frieden zu schmieden", erklärt Fundinger und zitierte die zum Slogan gewordene Bibelstelle in der Version des Propheten Jesaja: "Dann werden sie beginnen, ihre Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern." Frieden zu schmieden, appellierte Kundinger, sei jedoch "kein Spaziergang, sondern bedarf all unserer Kraft".

"In welchem Zustand hinterlassen wir unseren Kindern unsere Welt?"
Bernd Wipper von der evangelischen Kirchengemeinde, zugleich Mitglied des Überlinger Friedensforums und des Friedenstisches, schilderte, mit wie viel Stolz ihm sein Großvater heimlich seine Tapferkeitsorden aus dem Ersten Weltkrieg gezeigt habe. Klammheimlich, da der Vater im Zweiten Weltkrieg ein Auge verloren und jeglichen Krieg daher stets massiv verurteilt habe. "Nie wieder Krieg!" habe er gefordert. Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg sollte für Wipper Anlass sein, "über unsere Zukunft nachzudenken, über die unserer Kinder und Enkel. In welchem Zustand hinterlassen wir denen unsere Welt?" Stichworte seien Ressourcenverbrauch. Kriegsgefahr weltweit und nicht zuletzt Waffenproduktion – auch am Bodensee. "Aufrüstung oder Abrüstung?"
Mit dem Titel "...ehe noch die Blätter fallen..." hatten die Veranstalter für das Konzert "gegen Krieg und Vergessen" ein Zitat von Kaiser Wilhelm II. gewählt, der zum Kriegsbeginn 1914 die baldige Rückkehr der Soldaten versprochen hatte. In einem Video wurde dieser Originalton eingespielt, der von dramatischen Bildern von den Schlachtfeldern und den späteren Gräberfeldern konterkariert wurde. Mit aufrüttelnden Texten und Geschichten – wie den berühmten Weihnachtsszenen zwischen den Schützengräben – ergänzte dies Claus Kittsteiner in seiner Moderation.
Lied über die Rüstungsindustrie am See
Zum Repertoire gehörten die legendären Antikriegslieder, die längst zum Allgemeingut geworden sind: "The Universal Soldier" von Buffy St. Marie, "Blowin' in the wind" von Bob Dylan oder "Where have all the flowers gone" von Pete Seeger. Wo ist nur die Jugend, fragte sich vor dem Konzert Pfarrer im Ruhestand, Gerhard Raff, mit Blick auf das fortgeschrittene Alter des Publikums. Denn dass das alles auch ganz unmittelbar mit der Bodenseeregion zu tun hat, das machte der Song "B 31" von John Gillard deutlich, den Eva Riedl zur Rüstungsindustrie am See getextet hat – mit dem Refrain: "Fangt endlich damit an, Ernst zu machen. Schafft endlich Frieden ohne Waffen!"
Ökumenische Friedensdekade
- Geschichte: Im Oktober 1992 beschloss die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), gemeinsam mit der Trägergruppe Ökumenische Dekade Frieden in Gerechtigkeit – dazu gehören zahlreiche Organisationen wie Brot für die Welt, Pax Christi, Aktion Sühnezeichen und viele andere – ein "Gesprächsforum" zu bilden. Dieses hat die Aufgabe, jedes Jahr ein gemeinsames, biblisch orientiertes Thema und einen Plakatentwurf für die "Ökumenische FriedensDekade" festzulegen. Mit dem Stichwort "Krieg 3.0" möchte der Trägerkreis in diesem Jahr angesichts der Gefahr der Eskalation vorhandener Konflikte weltweit auf die potenziellen Gefahren eines dritten Weltkriegs aufmerksam machen.
- Veranstaltungen vor Ort: Sonntag, 11. November, 18 Uhr, Kapelle Nußdorf: "...dass Gerechtigkeit und Frieden sich küssen..", Abendgebet für einen gerechten Frieden mit Pfarrer i.R. Gerhard Raff und Ursula Sonnenschmidt (Flöte). Dienstag, 13. November, 19 Uhr, Pfarrhaus am See, Grabenstraße 2: Sicherung des Friedens – auch ohne Waffen? Konkrete gangbare Schritte von einer militärischen zu einer zivilen Sicherheitspolitik. Ein Szenario bis 2040 von Stefan Maas, Friedensbeauftragter der Badischen Landeskirchen. Mittwoch, 21. November, 19 Uhr, Auferstehungskirche: Multireligiöses Friedensgebet – Bereits zum dritten Mal findet zum Abschluss der ökumenischen Friedensdekade das Multireligiöse Friedensgebet mit Vertretern verschiedener Konfessionen und Religionen statt. (hpw)