"Man muss doch bloß die Welt anschauen", erklärt Heiko Thamm seine Motivation. "Die vielen Kriege, das Aufrüsten der Staaten." Aus diesem Grund hat der 58-Jährige sich ein Ziel gesetzt: In der Tradition der Friedensmärsche will er den Bodensee umrunden. 340 Kilometer in etwa sieben Tagen zu Fuß. Begleitet wird er dabei von Hermann Fischer, der im Internet auf die Aktion aufmerksam wurde.
Der Bodenseekreis ist laut Thamm das ideale Ziel einer Wanderung für den Frieden: "Über 27 Betriebe sind hier am Bodensee direkt oder indirekt in die Rüstungsindustrie involviert", erklärt der Aktivist auf dem Weg zwischen Meersburg und Unteruhldingen. Zwölf Stunden ist er mit seinem Wegbegleiter bereits unterwegs, 62 Kilometer haben sie schon zurückgelegt, 38 liegen für diesen Tag noch vor ihnen. Zu den erwähnten Betrieben gehören etwa die Häfler Unternehmen ZF und MTU, die Motoren und Getriebe für den deutschen Panzer Leopard 2 bauen oder die Firma Diehl in Überlingen. "Das sind die Schlimmsten", sagt Thamm in Bezug auf das Unternehmen Diehl. "Die bauen Geräte, die Menschen töten." Laut der Website "Waffen vom Bodensee" stellt Diehl unter anderem Munition und Raketen her, die gegen Boden-, Luft und Seeziele eingesetzt werden können. Thamm plant, sich mit seiner bunten Friedensfahne für ein Foto vor die Tore des Unternehmens zu stellen. Eine kleine Mahnwache, denn eine Demonstration hat er nicht angemeldet. "Wir wollen damit Aufmerksamkeit erregen und die Menschen für das Thema sensibilisieren", sagt er.
Heiko Thamm hat schon sehr unterschiedliche Reaktionen auf solche Aktionen erlebt. "Vor allem die Belegschaft ist gegenüber unseren Bestrebungen geteilter Meinung. Auch die IG Metall meidet Veranstaltungen der Friedensbewegung am Bodensee." Als Beispiel nennt der Aktivist den Antikriegstag. Thamm hat für diese Haltung jedoch nur wenig Verständnis: "Bei einem Unternehmen wie MTU ist der Anteil der Belegschaft, der mit der Rüstungsindustrie zu tun hat, nur verschwindend gering. Aber die Konzerne tun trotzdem immer so, als müsste man bei der Umstellung auf rein zivile Produkte den Laden dichtmachen." Der 58-Jährige kann sich das Festhalten an militärischen Gütern nur so erklären: "Die Betriebe können den Preis diktieren. Es gibt kaum Konkurrenz, die Abnehmer sind Staaten und die Produkte krisensicher." Für Waffen sei eben immer Budget da. "2017 haben sich die Exporte von Rüstungsgüter an Entwicklungsländer im Vergleich zu 2016 verdoppelt", erläutert Thamm. Der Aktivist bezieht sich dabei auf eine kleine Anfrage der Partei "Die Linke" an die Bundesregierung.
Neben dem Frieden steht auch der sportliche Gedanke im Vordergrund
Für Thamm ist der Friedensmarsch schon der zweite Versuch einer Bodenseeumrundung. Bereits im vergangenen Jahr sei eine ähnliche Wanderung geplant gewesen. Diese habe er aber aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen. Davor habe er die Tour um den Bodensee in einem längeren Zeitraum absolviert. "Allerdings war die Strecke kürzer", so Thamm. Neben dem Frieden steht eben auch der sportliche Gedanke im Vordergrund: "Wir wollen es uns selbst beweisen, dass wir das können. Und wenn wir unseren Weg dann noch in den Dienst einer guten Sache stellen können, sind wir mehr als zufrieden."
Der sportliche Werdegang von Heiko Thamm und Hermann Fischer stimmt optimistisch: Fischer, der aus Owingen stammt und aktuell in Zwickau lebt, hat bereits eine Menge 100-Kilometer–Läufe absolviert: 36 an der Zahl. Da der 63-Jährige sowieso mit der Friedensbewegung sympathisiert, nahm er mit Heiko Thamm Kontakt auf, nachdem er im Internet von der Wanderung gelesen hatte. "Mir war neu, dass so viele Rüstungsbetriebe hier direkt am Bodensee aktiv sind", sagt Fischer.
Thamm selbst hat neben zahlreichen Wanderungen das Auto im alltäglichen Gebrauch aufgegeben und läuft nur noch: Egal, ob es zehn Kilometer nach Ravensburg, zwölf Kilometer nach Friedrichshafen oder sechs Kilometer zur Arbeit sind. Das damit einhergehende Training sieht Thamm als Grundvoraussetzung für die 340 Kilometer Fußmarsch. Hinzu kämen Disziplin, eine gute Planung und Pausen.
Am Montag, 26. März, starteten Heiko Thamm und Hermann Fischer um 21 Uhr in Bregenz und liefen die Nacht durch. Um 3.45 Uhr erreichten sie Friedrichshafen und um 9 Uhr den Fährbetrieb in Meersburg. Das Etappenziel ist Wallhausen, womit sie die ersten 100 Kilometer geschafft hätten. Es folgen zwei weitere Wandertage mit ähnlichem Zeitplan. Am Mittwoch wandern sie nach Büsingen und von dort am Freitag nach Arbon. Am Ostermontag wollen sie schließlich um 11 Uhr wieder in Bregenz sein. In Büsingen bekommt das Duo außerdem Verstärkung: "Eine junge Frau aus Belgien möchte sich uns für die letzten 140 Kilometer anschließen. Sie stammt von hier", freut sich Thamm. Zudem rechnet der Friedensaktivist damit, dass sich ihnen auf der letzten Etappe weitere Wegbegleiter anschließen werden. Grund hierfür sei der traditionelle Friedensmarsch am Ostermontag. Denn auch das ist ein Ziel von Thamm und Fischer: Zeigen, dass es Menschen gibt, die für Ideale einstehen und dabei bis an ihre Grenzen gehen.
Friedensweg 2018
Am Ostermontag treffen sich wie jedes Jahr die Friedensaktivisten in einer Stadt am Bodensee. Dieses Jahr ist es Bregenz, wo laut Veranstalter 70 Organisationen zur Demonstration einladen. Beginn ist um 11 Uhr am Parkplatz Seestadt gegenüber vom Bahnhof. Es folgt ein Zug durch die Innenstadt und schließlich eine Kundgebung am Kornmarkt. Diese wird bei schlechtem Wetter in die Herz-Jesu-Kirche verlegt. Redner wird Clemens Ronnefeld vom Internationalen Versöhnungsbund sein. 2017 fand die Veranstaltung in Friedrichshafen unter dem Motto „Von der Kriegslogik zu einer Friedenskultur“ statt und lockte laut Veranstalter mehr als 800 Menschen auf die Straße.