Christiane Keutner

Hubert Sträßle aus Ahausen hatte Glück: Noch vor dem ersten Lockdown waren seine sechs Erntehelfer aus Rumänien eingetroffen. Sie arbeiteten dann getrennt von den deutschen Helfern mit zwei Erntezüglen. Die rumänischen Erntehelfer hielten sich nur auf dem Feld oder in der Wohnung auf und nur einer von ihnen ging zum Einkaufen. Die vorgeschriebenen Hygieneregeln – für unter zehn Beschäftigte galt ein anderes Konzept – konnten gut eingehalten werden. Das Erntezügle wahrte schon automatisch den Abstand: „Die einen standen zum Pflücken am Wagen links, die anderen rechts“, beschreibt Sträßle.

Kaum Frostschäden und gutes Wetter

Das Wetter war den Landwirten wohl gesonnen: „Die Ernte war relativ gut, gerade bei den späten Sorten sieht es gut aus. Beim Jonagold gab es etwa 20 bis 30 Prozent Frostschäden in der Blüte, da hatten wir Glück, andere Kollegen waren bis zu 80 Prozent betroffen. Ich bin dieses Jahr zufrieden und wenn der Preis bleibt, sieht es auch hier gut aus.“ Die Äpfel mit den sogenannten Frostnasen, die auch krumm wachsen, könne man in den Läden nicht verkaufen. Zwischenzeitlich verfüge der Betrieb über eine gute Biodiversität im Anbau, bei Bienen und anderen Insekten.

Mehr Umsatz im Hofladen

Aber auch Nützlinge können laut Sträßle zu Schädlingen werden. Wie beim Ohrwurm: Der sei gut gegen die Blutlaus, aber wenn die Ohrwürmer zu sechst oder acht in der Stilgrube sitzen, verkoteten sie den Apfel oder arbeiteten sich tief in die Frostnasen, die weicheren Stellen im Apfel, ein. Das erfordere den Einsatz biologischer und teurer Mittel. Positiv: Im jederzeit zugänglichen Hofladen wurde während des Lockdowns mehr gekauft, erzählt Sabine Sträßle: „Danach war es wieder wie sonst.“

Bangen um die Erntehelfer

Erich Pfleghaar aus Reute bilanziert: „Es war schon ein sehr spannendes Jahr und die Saison war sehr durchwachsen.“ Zuerst bangte man um die Erntehelfer, die sich um Obst und Gemüse auf dem Hof kümmern. Es brauchte drei Anläufe, bis alle Papiere beieinander waren und sie über die Grenzen konnten. Nach vielen Telefonaten mit der Bundespolizei klappte es dann: „Bis schließlich alle da waren, haben wir schon geschwitzt. Das Ganze war sehr aufreibend. Gottseidank haben wir rumänische und polnische Saisonarbeiter, sie sind fest angestellt, haben Pendlerpapiere. Die können kommen, wann sie wollen, und das erleichtert die Bürokratie etwas.“

Erdbeeren gibt es auch noch in den nächsten Wochen. Der Hof von Erich Pfleghaar (Bild) und die anderen Häuser in Reute sind wegen der ...
Erdbeeren gibt es auch noch in den nächsten Wochen. Der Hof von Erich Pfleghaar (Bild) und die anderen Häuser in Reute sind wegen der Straßensperrung von Kippenhausen aus zu erreichen. | Bild: Christiane Keutner

Froh ist Erich Pfleghaar über einen Markdorfer Arzt, der die Covid-19-Tests übernommen hatte, sodass alle Erntehelfer zusammenarbeiten konnten. Zwei, drei Wochen lang, bis alle Helfer eingetroffen waren, mussten allerdings überbrückt werden. „Der Anfang war hart, alle Familienmitglieder mussten Vollgas mitschaffen.“

Fortschritt im Nützlingsbereich

Die Qualität von allem Angebauten sei im Großen und Ganzen sehr gut. Die Hitzephasen seien grenzwertig gewesen und hätten ein wenig Probleme gemacht, dafür habe es einen Riesenfortschritt im Nützlingsbereich gegeben: Drei, vier Jahre lang habe man dem kalifornischen Blütentrips, einem hartnäckigen Erdbeerschädling, beizukommen versucht. „Das hat mehr als ein Auto gekostet.“ Nun fanden sie eine Raubmilbe, die den Schädling frisst. „Das war meine größte Freude in diesem Jahr und ein gigantischer Schritt nach vorne.“

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Neue Kunden durch Lieferdienst

Gefreut hat sich der Landwirt aber auch über neu gewonnene Markdorfer Kundschaft durch seinen Zulieferdienst. Außerdem beobachte er besonders bei jungen Menschen ein gesteigertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Regionalität. „Es würde mich riesig freuen, wenn das so bleiben würde und damit die Betriebe und das von ihnen gepflegte Umland erhalten bleiben könnten.“

Enorme Kosten durch Corona-Auflagen

Enorme Kosten sind Achim Kotte aus Deggenhausertal entstanden, um alle Corona-Auflagen erfüllen zu können: „Wir hatten 50 Prozent höhere Mietkosten für die Saisonarbeiter, weil wir für die Hälfte mehr Wohnungen gebraucht haben. Sie durften nur zu zweit, Familien zu viert, zusammenarbeiten und wohnen.“ Zudem konnten einige erst spät anreisen, weil die anzumietenden Ferienwohnungen wegen der frühen Ernte noch durch Urlaubsgäste belegt gewesen seien.

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70 Prozent Frostschäden

Das Wetter sei überwiegend in Ordnung gewesen, wenngleich die Ernte anfangs in den heißen Tagen mit 30 Grad schon beschwerlich gewesen sei. Die Ergebnisse waren mengenmäßig gut, aber die Qualität schlecht, sagt er: „Wir hatten zirka 70 Prozent Frostschäden.“ Die Äpfel seien optisch beschädigt und damit nicht mehr marktfähig gewesen. Da der Betrieb weit außerhalb liegt, sehen Kottes auch keine Möglichkeit der Direktvermarktung. Aus dem Obst wurde Apfelsaft. „Das bringt weniger Geld und davon kann man nicht leben.“

Die wegen der Optik nicht zu vermarktenden, durch Frost in der Blüte „beschädigten“ Äpfel werden zu Saft verarbeitet. Dafür ...
Die wegen der Optik nicht zu vermarktenden, durch Frost in der Blüte „beschädigten“ Äpfel werden zu Saft verarbeitet. Dafür gibt es aber weniger Geld. | Bild: Christiane Keutner