Warum künftig nicht immer im Bildungszentrum? Diese Frage mag sich mancher langjährige Besucher des Markdorfer Neujahrsempfangs am Samstag gestellt haben. Aus Anlass der abgeschlossenen Sanierung der Schule war die Veranstaltung nach zweijähriger Corona-Pause in die dortige Mensa umgezogen. Diese Entscheidung hat dem Empfang gutgetan. Der Wechsel aus der Stadthalle mit ihrem angestaubten, etwas muffigen 70er-Jahre-Charme in den hellen, modernen Saal der Mensa hat dem ersten öffentlichen Festakt in Markdorf am sonnigen Samstagmorgen einen frischen, belebenden Anstrich verliehen. Das darf man gerne so beibehalten.

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Für eine positiv gefärbte Aufbruchstimmung sorgten jedoch auch die beiden Hauptreden des Tages: Vermutlich ungewollt, richteten Bürgermeister Georg Riedmann und der Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach als geladener Gastredner dieselbe Kernbotschaft an die rund 400 Besucher in der vollbesetzten BZM-Mensa. Wir Deutschen als Nörgelweltmeister sollten uns wieder darauf besinnen, wie gut es uns trotz Krisen und Teuerung tatsächlich gehe.

Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach (rechts) war Gastredner beim Neujahrsempfang in Markdorf. Mit seiner ...
Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach (rechts) war Gastredner beim Neujahrsempfang in Markdorf. Mit seiner geschliffenen und mit viel Humor versehenen Rede, bei der er 45 Minuten frei und ohne Manuskript sprach, begeisterte die Besucher. | Bild: Grupp, Helmar

Riedmann und Bosbach mit derselben Botschaft

Beide verwiesen dabei auf ihre Fernreise-Erfahrungen nach den Weihnachtstagen. Riedmann berichtete über Zeltstädte von Obdachlosen unter Highwaybrücken in Chicago und ein deprimierend ausgeblutetes Stadtzentrum, und dies im Land der „scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten“. Bosbach schilderte plastisch den Anblick sich über Dutzende Kilometer ausbreitender Baracken-Townships in Südafrika, die unmittelbar an die hermetisch abgeriegelten Luxusviertel der Millionäre grenzen. „Besteht eine solche Gefahr auch für den Wohlstand in unserem Land?“, fragte Riedmann rhetorisch. „Wir kriegen unser Land ja auch nicht besser gemeckert“, appellierte Bosbach an mehr Zuversicht, Optimismus und Gelassenheit. Das Publikum spendete beiden Reden reichlich Applaus. Man spürte durchaus: Die aufrüttelnden positiven Worte taten allen Gekommenen gut bei allem Krisengerede und der betrübten Stimmung des vergangenen schwierigen Jahres 2022.

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Das ist neu: Lokale Themen werden nur am Rande gestreift

Anders als bei den bisherigen Empfängen seiner Amtszeit verzichtete Riedmann auf den üblichen Ritt quer durch die aktuellen kommunalpolitischen Themen. Die seien zuhauf öffentlich besprochen und allen bekannt, die großen Vorhaben in der Umsetzung. Seiner Rede tat der Blick über den Kirchturm hinaus gut, sie gewann an Gewicht. Den Fokus richtete er stattdessen auf Grundsätzliches, mit einem Aufruf zur Rückbesinnung auf einen in jahrelang gestiegenem Anspruchsdenken teils verlorengegangenen Realismus.

Die Bilderschau im Hintergrund zeigte die Markdorfer Ereignisse des vergangenen Jahres. In seiner Ansprache hingegen thematisierte ...
Die Bilderschau im Hintergrund zeigte die Markdorfer Ereignisse des vergangenen Jahres. In seiner Ansprache hingegen thematisierte Bürgermeister Georg Riedmann statt lokaler Inhalte seine grundsätzlichen Ansichten zur Politik. | Bild: Grupp, Helmar

Künftig gehe es nicht mehr darum, „Standards immer weiter in die Höhe zu treiben“, sondern hart daran zu arbeiten, diese Standards zu halten. „Wir müssen zu einer neuen Ehrlichkeit kommen in der Politik“, mahnte Riedmann. Die Politik müsse klarmachen, dass für neue Wünsche kein Platz sei, bevor nicht der Bestandserhalt gesichert sei. Dabei müsse sie sich lösen von ihrer Fixierung auf Umfragewerte und tagesaktuell fokussierte Medien. Anders lasse sich Politikverdrossenheit nicht überwinden.

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Dank an die Markdorfer Ehrenamtlichen

Der Klimaschutz, auch vor Ort in Markdorf, sei wichtig, müsse aber „mit erfolgreicher wirtschaftlicher Entwicklung kompatibel sein“. Solange klimaschützende Maßnahmen aber noch nicht wirtschaftlich zu stemmen seien, gleich ob im Privaten oder von den Unternehmen, müsse die Politik nachhelfen. Dafür wiederum brauche man aber „eine Politik der Taten, nicht der Worte“.

Gegen Ende seiner Rede schwenkte Riedmann doch noch einmal ins Lokale: Die Millionen, mit denen sich die Stadt an der BZM-Sanierung und an der Südumfahrung beteilige – beides freiwillige Verpflichtungen – seien auch ein Grund dafür, weshalb es schwer falle, die tatsächlichen kommunalen Pflichtaufgaben bei den städtischen Schulen in den nächsten fünf bis sieben Jahren zu schultern. Auch deshalb sei Bescheidenheit im Sinne des Erreichten vonnöten.

Die Stadtkapelle Markdorf begleitete den Neujahrsempfang 2023 musikalisch. Ein Novum: Es wurde erstmals gesungen: Mit dem Markdorf-Lied ...
Die Stadtkapelle Markdorf begleitete den Neujahrsempfang 2023 musikalisch. Ein Novum: Es wurde erstmals gesungen: Mit dem Markdorf-Lied und dem Badnerlied holte sich das Ensemble unter der Leitung von Reiner Hobe zum Schluss des offiziellen Teils einen kräftigen Applaus ab. | Bild: Grupp, Helmar

Mit einem Dank an jene Menschen, „die mehr tun als andere“, schloss Riedmann seine Ansprache: „Markdorf ist eine Stadt des Ehrenamtes.“ Dafür dürfe jeder Bürger dankbar sein. Beim Blick auf die vielen Ehrenamtlichen, die sich selbstlos für ihre Mitmenschen einsetzen, könne jeder seine momentan hohen Wünsche und Erwartungen an den Staat hinterfragen.