Cornelia Rick spannte den Bogen von alten Gebräuchen zu einem Sinn, der auch heute noch trägt. „Wäsche gewaschen und aufgehängt hat man früher nicht in dieser Zeit“, erzählt sie. „Man dachte, das sei eine Einladung an Dämonen, die in den Raunächten ihr Unwesen treiben sollen.“ Ihre Übersetzung fürs Heute lautet: „Wir alle brauchen jedes Jahr eine echte Auszeit. Genau die dürfen wir uns während dieser Tage und Nächte gönnen.“
Als Raunächte gelten laut Rick jene zwölf Nächte vom Weihnachtstag am 25. Dezember bis zum Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar. Für manche beginnen sie auch bereits mit der Thomas-Nacht, der Nacht auf den 21. Dezember, den kürzesten Tag des Jahres. „Für unsere heidnischen Vorfahren markierte dieser Tag als Wintersonnenwende die Rückkehr des Lichtes und der Hoffnung“, so Rick. „Nach zwölf Mondmonaten mit zusammen 354 Tagen fehlen noch elf Tage und zwölf Nächte, um das Jahr zu komplettieren.“ Diese zwölf Nächte lägen quasi „zwischen den Jahren“ und somit außerhalb der regulären Zeitrechnung, weshalb man ihnen seit jeher eine besondere Bedeutung zugesprochen habe.
Herkunft des Wortes „Raunacht„ nicht eindeutig
Die Herkunft des Wortes „Raunacht„ sei nicht eindeutig. Manche meinen, es komme von mittelhochdeutsch „rûch“ für „haarig“ in Anspielung auf pelzige Geister und Dämonen, die in diesen zur „Anderswelt“ hin geöffneten Nächten bei der sogenannten „Wilden Jagd“ ihr Unwesen treiben sollen. Andere führen die Wortwurzel auf den Brauch zurück, Häuser und Ställe in dieser Zeit durch Beräuchern von all der „dicken Luft“ zu reinigen, die sich da übers Jahr angesammelt habe, so Rick.

Immer wieder hielt Cornelia Rick auf dem morgendlichen Spaziergang inne und erzählte den Teilnehmern Wissenswertes über regional unterschiedliche Gebräuche, Orakel und heilige Pflanzen oder las Gedichte und kurze Geschichten vor. Einmal bot sie dazu selbstgemachten Holunderlikör an, ein anderes Mal selbst gebackenes Apfelbrot. Schließlich zeigte sie den Teilnehmern, wie das Räuchern funktioniert und erläuterte, dass es üblicherweise von Segnungen begleitet werde. Interessant war ihr Hinweis, dass sich auch hinter Floskeln wie „Guten Tag“ oder „Gesundheit“ eigentlich Segenswünsche verbergen, die wir ruhig bewusster aussprechen und ernster meinen könnten, meint Rick. „Das kommt dann zu uns zurück“, ist sie überzeugt.

Zurück zu Cornelia Rick kommen auch jedes Jahr Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Raunachtwege-Veranstaltungen. Eine Teilnehmerin aus Markdorf erklärte, sie sei schon zum wiederholten Mal dabei. Für sie sei der Weg immer wieder inspirierend. Die lächelnden, glücklichen Gesichter der übrigen Teilnehmer bestätigten das.

Gebräuche und Orakel in den Raunächten
- Keine Wäsche aufhängen: Denn die könnte die „Wilde Jagd“ entwenden, um sie als Leichentuch zurückzubringen.
- Gedeckter Tisch: Ein Ritual für die Ahnen, denen man extra eine Tafel eindeckte.
- Weiße Speisen unter den hauseigenen Holunderbaum stellen: Dort hauste dem Glauben nach der Hausgeist, den man mit Opfern gnädig stimmte.
- Glockenläuten und in der Silvesternacht Lärm machen: Damit vertrieb man die bösen Geister.
- Glück essen: Der Genuss von Bohnen und Linsen zu Neujahr soll Glück bringen.
- Holzschuh-Orakel: Ledige Frauen warfen einen Holzschuh über ihre Schulter in einen Birnbaum; blieb er hängen, blieb im kommenden Jahr auch ein Mann hängen.