Schon vor Beginn des Konzerts wetterleuchtet es über dem See. Die Stimmung im großen Zelt ist entspannt, enthusiastisch empfängt das Publikum Gisbert zu Knyphausen, Kai Schumacher und ihre Band. Sphärische Klänge füllen die Bühne, das Schlagzeug setzt dezente Wirbel hinein und der Kontrabass intoniert die traurige Melodie. „Gute Nacht“, das Eingangslied der Winterreise von Franz Schubert, bildet die Eröffnung. Die dritte Strophe bringt die Zeile, die dem Abend den Namen gibt: „Lass irre Hunde heulen: Gisbert singt Schubert“.

„Willkommen zu diesem Festival der guten Laune“, begrüßt Pianist Kai Schumacher das Publikum und gibt zu, dass Schubert nicht eben für krachende Stimmungsmache bekannt ist. Er sagt, es sei seine Idee gewesen, mit Liedermacher Gisbert von Knyphausen Schubert-Lieder zu interpretieren. „Ich hätte aber nicht gedacht, dass es so viel Spaß macht, abzutauchen in die Melancholie.“ Unterstützt werden die beiden von einem Ensemble aus Posaune, Schlagzeug, Gitarre und Streichern.

Sehnsucht, Enttäuschung, Weltschmerz und aufkeimende Hoffnung sind das Metier von Gisbert zu Knyphausen und so zelebriert er auch die Lieder aus dem beginnenden 19. Jahrhundert. Statt der schmerzlichen Süße der Originale setzt er auf eine existentielle Interpretation. Er singt nicht auserlesen elegisch, sondern seine Stimme klingt mal gepresst, mal brüchig, mal brüllt sie und nimmt so den besungenen Problemen jedwede Romantik. Manchmal hüllen Geigen und Bratsche die Schwermut in Schönklang, oft betonen rockige Klänge ihre unveränderte Präsenz, mal schwingt sie pur durchs Zelt. Für das „Ständchen“ nimmt sich zu Knyphausen ganz zurück und verlässt sich auf die jazzig-einfühlsame Begleitung der Posaune.

Dazu ergänzt er eigene Werke, von „Herzlichen Glückwunsch“ über „Wer bin ich“ bis zu „Flugangst“. Auch ein Solostück für Klavier steht auf dem Programm: Kai Schumachers rechte Hand wiederholt immer wieder ein rasend schnelles Muster, während die linke sich anschließt, Melodien andeutet und wieder entlässt oder Basslinien kreiert.

Gegen 21 Uhr prasselt der Regen so lautstark auf das Zelt, dass die Texte kaum noch zu verstehen sind. Die Zeltwände bauschen sich im Wind, an einigen Stellen ist das Dach nicht ganz dicht. „Wenn es sehr schlimm wird draußen, müssen wir das Konzert abbrechen, aber noch ist es nicht so weit – solange das Zelt steht“, sagt zu Knyphausen und kündigt an, das bekannteste Lied von Schubert zu singen. Nach einer dunkeltraurigen Einleitung vom Kontrabass gibt er den „Leiermann“. Fahle Streicherklänge ergänzen das Klavier in instrumentalen Passagen. Danach aber ist wegen der Unwetterwarnung Schluss. „Sorry, es hat viel Spaß gemacht“, sagt der Sänger. „Danke, Gisbert“, sagt eine Besucherin.
Die Akteure
Gisbert zu Knyphausen ist deutscher Liedermacher, Sänger und Gitarrist, bekannt durch persönliche, lakonische und poetische Texte. Sein erstes Album „Gisbert von Knyphausen“ erschien 2008, sein zweites „Hurra! Hurra! So nicht.“ schaffte es in die deutschen Charts. Er arbeitete mit dem Maler und Musiker Nils Koppruch zusammen bis zu dessen Tod 2012. Mit Moses Schneider und Tobias Friedrich gründete er 2016 das Bandprojekt Husten.
Kai Schumacher ist Pianist und Komponist. Er studierte an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Sein Debutalbum von 2008 mit dem Variationszyklus „The People United Will Never Be Defeated!“ des amerikanischen Komponisten Frederic Rzewski wurde vom Magazin Fono Forum mit dem Stern des Monats ausgezeichnet. Für weitere Alben arrangierte er Songs aus den Genres Grunge, Heavy Metal, Indie-Rock und Techno.
Der Komponist Franz Schubert lebte von 1797 bis 1828 in Wien. Er komponierte Sinfonien, Ouvertüren, Bühnenwerke, Chormusik, Klavier- und Kammermusik. In über 600 Liedern vertonte er Gedichte unter anderem von Matthias Claudius, Johann Wolfgang von Goethe und Heinrich Heine. Besonders bekannt sind die Zyklen „Die schöne Müllerin“ und „Winterreise“. Schubert gilt als herausragender Vertreter der frühen Romantik.