Ein Blick in die Stellenbörsen der Kita-Träger genügt. Die Stadtverwaltung sucht eine Leiterin für den Kindergarten in Efrizweiler, die evangelische Gesamtkirchengemeinde neues Personal für die Kita am Klinikum und die Kindergärten „Noadja“ und Windhag. Die Johanniter brauchen nicht nur je eine Erzieherin für die Krippe im „MiniTu“und im Waldkindergarten Kluftern, sondern haben acht Stellen für die neue Kita „Sonnenschein“ in Berg ausgeschrieben, die im Oktober öffnet, wenn der Kindergarten ins Bildungshaus umgezogen ist. Und auch die katholische Gesamtkirchengemeinde benötigt dringend mehr Personal für ihre 16 Kitas im Stadtgebiet. Ob Erzieherinnen hier in Voll- oder Teilzeit, befristet oder unbefristet arbeiten wollen – jede Fachkraft ist willkommen. Nur: Erzieherinnen sind Mangelware.
Ausbau auf 420 Erzieherstellen
Am Dienstagnachmittag befasst sich der Gemeinderat mit dem Kindergartenbedarfsplan für 2019/2020 und beschließt damit quasi auch den Stellenplan. Und der sieht vor, dass 45 Vollzeitstellen für Fachkräfte in den Kitas zu den 375 bestehenden dazu kommen müssen, um den Personalbedarf zu decken. So viele Erzieherinnen braucht es, um 83 zusätzliche Plätze für Kindergartenkinder und 163 weitere Plätze für Krippenkinder zu schaffen. Dann stünde rein rechnerisch für jedes Kind ab drei Jahren und für jeden zweiten Knirps im Krippenalter nach dem ersten Geburtstag ein Kita-Platz zur Verfügung.
Personallage in mancher Kita schon am Anschlag
Das Problem ist nur: Schon heute ist die Personallage in mancher Kita offensichtlich am Anschlag. So zumindest geht es aus einer Stellungnahme des Gesamtelternbeirats (GEB) der Kindertagesstätten zum Kita-Bedarfsplan hervor, der auch allen Fraktionen im Gemeinderat zuging. GEB-Vorsitzende Nicole Dathe trug diese Einschätzung in der vergangenen Woche zusätzlich im Sozialausschuss vor.
Betreuungsangebot eingeschränkt
„Es herrscht bereits jetzt ein Mangel an pädagogischen Fachkräften an den Häfler Kitas„, sagt sie. Nicht alle Stellen laut Personalschlüssel seien besetzt. Fallen Erzieherinnen dann wegen Krankheit, Fortbildung, einem Beschäftigungsverbot wegen Schwangerschaft, Kur oder Kündigung aus, bleibt das nicht ohne Folgen. So wie in der Kita am Klinikum, die Ende Februar einen Notfallplan in Kraft setzen und bis 2. Mai die Öffnungszeiten reduzieren musste.
Notfallplan kein Einzelfall
Solche Engpässe sind kein Einzelfall: Ende 2018 war der Kindergarten Johannes Brenz tageweise ganz geschlossen. In Ettenkirch stand der Kindergarten einen Tag nur berufstätigen Eltern offen, zwei Tage blieb er ganz zu. Im Kindergarten St. Columban haben Eltern über Monate mit in der Betreuung ausgeholfen, um die zeitweise Schließung zu verhindern. Aktuell steht der Kindergarten Kluftern vor Problemen, weil vier Mitarbeiterinnen „langzeitkrank“ werden, teilte die Einrichtung den Eltern in der vergangenen Woche mit. Vorerst bleibe es bei Änderungen in der Tagesstruktur, der Zusammenlegung zweier Gruppen am Nachmittag etwa. Die Hoffnung ist groß, dass es „nicht zu weiteren Engpässen kommt“, steht im Schreiben des Kindergarten-Teams.
Geschlossene Gruppen, Notfallpläne, verkürzte Öffnungszeiten: „Was tut die Stadt, um das zu verhindern?“, fragt der GEB in seiner Stellungnahme. Das Problem: Selbst wenn der Personalschlüssel auf dem Papier stimmt, lassen sich Einschränkungen in der Betreuung nicht vermeiden, wenn Erzieherinnen ausfallen. Zwar ist im Stellenplan ein Budget für Krankheitsvertretungen mit eingerechnet. Doch ob das Geld für fünf Erzieherinnen, aufgeteilt auf 420 Vollzeitstellen bei zehn Trägern reicht, um bei Bedarf personelle Verstärkung zu holen?
Personalmangel verschärft sich
Die Eltern fordern alle Träger der Kitas auf, dem Personalmangel mit einer Fachkräfte-Initiative aktiv zu begegnen. Wie soll das gehen? „Zugeständnisse machen, tarifvertragliche Möglichkeiten ausschöpfen“, schlägt Nicole Dathe vor. Ein Problem liegt auf der Hand: Jede Erzieherin verdient dasselbe wie die Kollegin im Nachbarort, muss in Friedrichshafen aber deutlich mehr für Miete zahlen. Bezahlbarer Wohnraum für pädagogische Fachkräfte als Anreiz wäre auch ein Ansatz.
Herausforderung bleibt
Denn die Herausforderung, gutes Fachpersonal zu gewinnen, wird größer. Stadt und GEB sind sich einig, dass immer mehr Eltern verlängerte Öffnungszeiten und Ganztagsbetreuung brauchen. Auch die Nachfrage nach Krippenplätzen steigt stark an. Dazu kommt der notwendige Ausbau der Kita-Plätze, weil die Stadt und ihre Einwohnerzahl wachsen. In Friedrichshafen gilt zudem seit 2011, dass die Gruppen nicht maximal belegt werden, sondern nur in Regelgruppenstärke. Seit 2016 ist dieser Ratsbeschluss außer Kraft gesetzt, um die nötige Zahl an Kita-Plätzen vorhalten zu können.
Häfler Kita-Landschaft
- In Friedrichshafen gibt es aktuell 43 Kitas, die zehn verschiedene Träger betreiben. Größter Träger ist die katholische Gesamtkirchengemeinde.
- Im nächsten Kindergartenjahr 2019/20 werden 690 Plätze für Kinder unter einem Jahr, 690 Plätze für Ein- bis Dreijährige und 2047 Plätze für Drei- bis Sechsjährige vorgehalten. Damit steht für jedes Kind im Kindergartenalter ein Platz zur Verfügung, für 37 Prozent der unter Einjährigen und 54 Prozent der Ein- bis Dreijährigen in der Stadt.
- Die Kita-Betreuung kostet die Stadt 2019/20 insgesamt rund 33 Millionen Euro, knapp 4,2 Millionen Euro mehr als 2018/19. Nur die Personalkosten für Erzieherinnen sind mit rund 18 Millionen Euro veranschlagt. (kck)