Die Meinung der Häfler Eltern ist – zumindest in den sozialen Netzwerken – eindeutig: Der Vorschlag der Landes-SPD, die Kinderbetreuung grundsätzlich kostenfrei zu machen, kommt gut an. Grundsätzlich können Kommunen selbst darüber entscheiden, wie viel Geld sie von den Eltern für Krippe, Kita und Co. verlangen, einige Gemeinden in Baden-Württemberg haben sich bereits dazu entschieden.

In Heilbronn etwa gehen Kinder zwischen drei und sechs Jahren schon seit 2008 kostenlos in die Kita, in Künzelsau zahlen Eltern seit Anfang 2019 nichts mehr für die Betreuung ihrer Kinder, die älter als ein Jahr sind. Die Häfler SPD-Fraktion im Gemeinderat kündigte bei einer Unterschriftenaktion in der Häfler Innenstadt an, ebenfalls bald einen entsprechenden Antrag im Gemeinderat stellen zu wollen. "Wir haben noch nichts Genaues formuliert, wollen das Thema aber bald auf die Tagesordnung bringen", sagte Fraktionsvorsitzender Wolfgang Sigg.

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Schon heute investiert die Stadt Friedrichshafen viel Geld in die Kindergärten. Dank der Zeppelin-Stiftung ist das möglich – allein 2019 fließen laut Haushaltsplan 33,5 Millionen Euro für die Kitas aus Stiftungsmitteln. Doch was sagen die anderen Fraktionen zum Vorstoß der Sozialdemokraten, die Kita-Betreuung grundsätzlich kostenfrei anzubieten? Der SÜDKURIER hat nachgefragt:

Freie Wähler fordern mehr Fakten

Fraktionschef Eberhard Ortlieb betont, dass bei diesem Thema "grundsätzlich alles vorstellbar" sei. So habe Dagmar Höhne bereits vor zwei Jahren dazu angeregt, über ein beitragsfreies letztes Kindergartenjahr nachzudenken. "Uns fehlen aber noch Zahlen, Daten und Fakten, die uns als Basis für eine Entscheidung dienen, egal ob es um ein beitragsfreies letztes Kindergartenjahr oder um beitragsfreie Kitas generell geht", erklärt Ortlieb. Diese Frage müsse sorgfältig eruiert und diskutiert werden. "Das darf nicht übers Knie gebrochen werden, nur weil der Kommunalwahlkampf begonnen hat", meint der Fraktionschef. Wichtig für die Freien Wähler sei, dass die Qualität in den Kitas nicht leiden dürfe. "Außerdem ist anzumerken, dass die Kindergartenbeiträge und deren Staffelung bei uns schon jetzt besser sind, als im Großteil anderer Kommunen", ergänzt Ortlieb.

CDU lehnt SPD-Vorschlag ab

Achim Brotzer, Fraktionschef der CDU findet klare Worte: „Im Vorfeld der Kommunalwahlen 'Gratis-Kitas für alle' landesweit zu fordern, mag durchaus verlockend klingen. Vernunft und seriöse Politik sehen aus unserer bescheidenen Sicht jedoch anders aus." Gerade gegenüber Eltern und Kindern wären kostenlose Kindergärten kurzsichtig und nur vermeintlich großzügig, führt Brotzer aus. "Die Zeche ginge zu Lasten des Vorrangs der Qualität", so der CDU-Chef. Die Häfler CDU plädiert stattdessen dafür, dass Erhalt und Verbesserung der Qualität in den Kitas oberste Priorität haben müssten. "Gute Kitas und Krippen kosten Geld, die Qualität hat ihren Preis: Es braucht qualifiziertes Kita-Personal, flexiblere nachfrageorientierte Öffnungszeiten, eine immer bessere Organisation mit gesunder Ernährung und kindgerechter Verpflegung sowie Sprachförderung und anderes", so Brotzer. Zudem seien die Elternbeiträge in Friedrichshafen "äußerst moderat und sozial gestaffelt", was dazu führe, dass etwa einkommensschwache Familien häufig gar keine oder geringe Beiträge zu zahlen hätten. Außerdem könnten die Jugendämter die Gebühren übernehmen, wenn die Belastung nachweislich zu hoch sei, so Brotzer.

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FDP will mehr Geld für mehr Qualität

Gaby Lamparsky von den Liberalen vertritt die Meinung der Kreis-FDP, dass die Betreuungsleistung für Kinder von den Eltern zu bezahlen sei. "Es gäbe gute Argumente für eine gebührenfreien Kindertagesstätte, wenn man unsere Kitas in erster Linie als frühkindliche Bildungseinrichtungen mit verbindlichen Orientierungsplan einstuft", erklärt Lamparsky. Doch Krippen seien eben nicht als frühkindliche Bildungseinrichtung anzusehen, in der Zwei- bis Dreijährige „beschult“ würden. "Im Allgemeinen bieten Kitas eine Mischung aus frühkindlicher Förderung und Betreuung an", so Lamparsky und sollten daher auch von den Eltern honoriert werden.
Ihrer Meinung nach komme der SPD-Vorstoß zum völlig falschen Zeitpunkt "Weil die Geburtenzahlen wieder steigen, müssen neue Einrichtungen entstehen, um genügend Plätze anbieten zu können", erklärt die FDP-Frau. Und weil es derzeit generell schwierig sei, überhaupt Erzieher zu finden, müsse mehr Geld für finanzielle Anreize und gute Arbeitsbedingungen ausgegeben werden. Zudem sei es für die FDP wichtig. die Öffnungszeiten auszuweiten. "Die Jahre der staatlichen Überschüsse neigen sich ihren Ende zu. Da jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, heißt das doch, wenn der Staat eine neue Dienstleistung finanziert, bleibt weniger für eine gute Infrastruktur und Qualitätsstandards. Wir Freie Demokraten sind auch für Gebührenbefreiungen, aber nur für die Eltern, welche die die Beiträge wirklich nicht aufbringen können", erläutert Gaby Lamparsky. Schon heute könnten Eltern mit niedrigem Einkommen Hilfe in Anspruch nehmen. Trotz allem aber wäre die FDP für ein beitragsfreies Kindergartenjahr: "Mittelfristig kann ich mir gut vorstellen, das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei zu stellen, sofern es über den Landeshaushalt finanziert wird."

Mehr qualifiziertes Personal

Die Fraktion der Grünen lehnt den Vorstoß der SPD ab: "Wir finden es wichtiger, alle Kindergärten hinsichtlich Ausstattung, Bildungsangeboten und Personal auf einen optimalen Qualitätsstandard zu heben", schreibt Fraktionsgeschäftsführerin Gunthild Schulte-Hoppe. Eine Möglichkeit, die Standards zu heben, sei die Einstellung von gut qualifiziertem Personal. "Dazu sollten Anreize mit übertariflicher Bezahlung und Wohnungsangebote geschaffen werden", so die Meinung der Grünen. Obwohl Friedrichshafen als reiche Stadt gebührenfreie Kitas wahrscheinlich stemmen könnte, wäre das für viele Kommunen aber beinahe unmöglich. Außerdem weisen die Grünen darauf hin, dass die Gebühren schon jetzt "sehr sozialverträglich gestaffelt" seien, was dazu führe, dass 98 Prozent der Häfler Kinder im Kindergartenalter entsprechende Einrichtungen besuchten.

Einkommensabhängige Gebühren

Sylvia Hiß-Petrowitz von der ÖdP ist ebenfalls gegen die Einführung kostenloser Kitas. "Wir halten nichts von diesem Gießkannenprinzip. Denn es ist am Ende ungerecht und bevorzugt wieder diejenigen, die sich eigentlich die gängigen Gebühren leisten können." Die ÖdP sei für eine einkommensabhängige Gebühr und befürworte eine Entbürokratisierung bereits zur Anmeldung, die bundesweit niederschwellig möglich sein müsse. "Hier bei uns in Friedrichshafen sind die Gebühren als niedrig einzustufen, dennoch gäbe es sicherlich Verbesserungsbedarf, was die Bürokratie angeht", merkt Sylvia Hiß-Petrowitz an.

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