Eigentlich bringt Iris H. (Name geändert) ihr Kind morgens vor sieben Uhr in die Kindertagesstätte (Kita) am Klinikum, um pünktlich bei der Arbeit zu sein. Seit Montag hat sie ein enormes Problem: Die Einrichtung öffnet erst um 7.45 Uhr – und schließt auch noch eine Stunde früher als sonst, schon um 16.30 Uhr. "Und das Problem hab' nicht nur ich", erklärt sie. Aus Sorge, dass es ihrer Familie zum Nachteil gereicht, möchte sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Statt elf öffnet die Ganztags-Kita nun weniger als neun Stunden pro Tag. Ab 6.30 Uhr gebe es zwar eine Notgruppe für Eltern, die wirklich keine andere Alternative finden. Zunächst sei man aber gehalten, Großeltern, Freunde oder andere Kita-Mütter zu engagieren. Dabei wisse derzeit keiner, wie lange die Betreuungszeiten eingeschränkt bleiben.
Eltern vor zwei Wochen informiert
Am 12. Februar hatte die Trägerin der Kita, die evangelische Gesamtkirchengemeinde Friedrichshafen, die Eltern per Brief darüber informiert, dass die Personalsituation durch einen extrem hohen Krankenstand, aber auch durch unbesetzte Stellen sehr angespannt sei. Teilzeitkräfte arbeiten demnach bereits mehr als vertraglich vereinbart. "Uns bleibt nun keine andere Möglichkeit, als auch zusätzlich die Öffnungszeiten vorübergehend zu ändern, sodass wir die Schließung einzelner Gruppen verhindern können", stand in dem Schreiben.
Nur für 30 Familien kein Problem
Wie viele Eltern diese Entscheidung wie Iris H. vor Probleme stellt, weiß man bei der Kita-Trägerin dank einer erst kürzlich vorgenommenen Bedarfsumfrage genau. Mit Öffnungszeiten von 8 bis 16.30 Uhr hätten nur 30 Familien gar kein Problem. 23 Elternpaare hätten morgens Schwierigkeiten, drei Familien nur abends und knapp 20 Familien morgens und abends, aber nicht jeden Tag. Kein Wunder, denn die Kita am Klinikum bietet ideale Voraussetzungen für berufstätige Eltern. 95 Kinder werden in sechs Gruppen neun oder zehn Stunden am Tag betreut. Die Einrichtung ist maximal sieben Werktage im Kalenderjahr geschlossen.
Aufruf an Eltern, sich beim Träger Gehör zu verschaffen
Der "Notfallplan" hat den Elternbeirat der Kita am Klinikum veranlasst, sich am Freitag mit einer Art Protestschreiben an die Eltern zu wenden – wissend, dass die Kürzung der Öffnungszeiten "bei den meisten Familien zu großem Unmut führt". Und: "Lassen Sie Ihren Unmut raus und wenden Sie sich damit direkt an den Träger", werden die Eltern aufgefordert. Nur durch "zahlreiche Aufschreie von uns Betroffenen" könne man sich beim Träger Gehör verschaffen und so nochmals deutlich machen, dass nicht nur dringender Handlungsbedarf bestehe, neues Personal zu gewinnen. Der sei auch "bei der Wertschätzung des bestehenden Personals angezeigt", schreibt der Elternbeirat in dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt. Am Ende sind Email-Adresse und Telefonnummer der Verantwortlichen beim Träger, Pfarrer Hannes Bauer und Gesamtkirchenpfleger Günther Schmidt, notiert.
Evangelische Kirchengemeinde äußert sich nicht
Hannes Bauer wollte am Freitagnachmittag kein Statement dazu abgeben. Es sei doch alles geregelt, sagte er am Telefon. Dass sich Eltern an die Zeitung wenden, sei "unverschämt", weil es nur Einzelne seien, die Probleme hätten. Und beendete das Gespräch.
Dass es schwierig ist, Fachpersonal für Kindertagesstätten zu bekommen, ist bekannt. In dem Brief, der Mitte Februar an die Eltern der Kita am Klinikum ging, war von mehr als drei unbesetzten Stellen für Erzieherinnen die Rede. Man werde mit "ungeheurem Nachdruck" neues Fachpersonal auf herkömmlichem Weg, aber auch über Zeitarbeitsfirmen suchen. Tatsächlich ist auf den gängigsten Stellenportalen in der Region nicht eine Stelle inseriert. Und auch auf der Internetseite der evangelischen Kirchengemeinde ist keine Erzieherinnenstelle ausgeschrieben.
Kindergartenbeauftragte für Personal gesucht
Dafür wird hier seit Dezember nach einer "Kindergartenbeauftragten für Personal und Organisation" gesucht. Eine Halbtagskraft, deren Aufgabe es sein soll, auch neues Personal zu finden und zu managen – bis dato offensichtlich ohne Erfolg. Im Rathaus übrigens war man bis Freitag nicht darüber informiert, dass die Kita am Klinikum die Öffnungszeiten reduzieren muss.
Sieben Kitas in der Trägerschaft
- Die evangelische Gesamtkirchengemeinde Friedrichshafen ist Trägerin von insgesamt sieben Kindertagesstätten in Friedrichshafen. Neben der Kita am Klinikum ist das Kinderhaus Habakuk in der Kitzenwiese ebenfalls eine Ganztagseinrichtung. Dazu kommen die Familienzentren Johannes Brenz und "Noadja", die Kindergärten Windhag und Dietrich Bonhoeffer sowie die Kinderkrippe Zwergenhaus. In diesen Kitas sind Angaben der Trägerin zirka 100 pädagogische Fachkräfte tätig.
- Finanzprobleme sollten laut Auskunft der Stadt nicht Ursache für das aktuelle Dilemma in Sachen Personal beim Träger sein. "Die Bezuschussung der nicht-städtischen Träger folgt einem Bezuschussungsschlüssel, der sich an den nachgewiesenen Betriebskosten beziehungsweise dem Abmangel orientiert", erklärt eine Sprecherin des Rathauses. Die dazu vertraglich vereinbarten Grundlagen seien seit Jahren unverändert. (kck)