Am Anfang war ein Problem. Vier junge Studierende der Zeppelin-Universität (ZU) suchten eine Lösung – und machten daraus eine Geschäftsidee. So in etwa geht die Geschichte des Start-ups Bewelo (Bewegen – Belohnen), das im Frühjahr mit einer App am Markt starten will.

Das Problem? Die schlechte Auslastung des ersten Veloring-Teilstücks, des Radschnellwegs rund um Friedrichshafen. Immerhin investiert die Stadt 8,5 Millionen Euro in den Radweg, da soll der künftig auch gut genutzt werden. „Die Stadt bat die ZU Konzepte zu entwickeln, mit denen man den Veloring besser frequentieren kann“, erklärt Oskar Burmann (26). Gemeinsam mit seinen Kommilitonen Manuel Rees (31), Maxim Ziegler (21) und Eva Lell (26) überlegte er sich im Rahmen eines Workshops Lösungen zu dem Problem. Die Idee: Man muss den Menschen gezielte Anreize (englisch: Incentives) schaffen, damit sie vom bequemen Autositz auf den sportlichen Fahrradsattel umsteigen, also eine Art Belohnungssystem.

Genervt vom Stau und dichten Verkehr

Bei einer nicht-repräsentativen Umfrage an der Zeppelin-Uni fanden die jungen Gründer folgendes heraus: Der Durchschnittsarbeitsweg in Friedrichshafen dauert fünf Kilometer. Genervt sind die Autofahrer vor allem vom B 31-Stau und dem dichten Verkehr. Gegen das Fahrradfahren sprechen das Wetter und schlecht ausgebaute Radwege. „Viele gaben aber an, dass sie doch umsteigen würden, wenn sie eine Belohnung bekommen würden“, sagt Burmann. Genau so funktioniert Bewelo: Jeder geradelte Kilometer bringt Punkte, die mittels einer App auf dem Handy gezählt werden. Die Punkte wiederum können in Online-Shops, im Handel und bei Dienstleistern eingelöst werden, ähnlich wie beim Payback-System. Alternativ können die Punkte an karitative Einrichungen gespendet werden. „Unsere Vision ist es, dass man irgendwann mal mit Bewelo-Punkten als Alternative zum Bargeld bezahlen kann“, sagt der 26-jährige Burmann.

Die Geschäftsidee überzeugte – und sollte weiterentwickelt werden

Diese Idee überzeugte 2017 die Jury, in der auch Erster Bürgermeister Stefan Köhler saß. Die vier Studierenden gewannen den „Pitch“, den Wettbewerb um die beste Idee, und durften zu einem Start-up-Event in Berlin. In der Folge bewarben sie sich um einen Platz im „Pioneer Port“, dem Gründerzentrum der Zeppelin-Uni, wo junge Gründer bis zu einem Jahr lang gefördert werden. Hier können Burmann, Rees, Ziegler und Lell ihre viel gelobte Idee weiterentwickeln und zur Marktreife bringen. Schließlich könnte sie aus Sicht der Jungunternehmer die Antwort auf die Verkehrsprobleme vieler Kommunen sein.

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„In Friedrichshafen gibt es das Problem mit dem Veloring, aber eigentlich gibt es doch ein viel grösseres gesellschaftliches Problem“, erklärt Manuel Rees. Die Deutschen hätten zwar fast alle ein Rad (79 Millionen Räder), aber nur sieben Millionen Räder würden täglich genutzt. Dabei ächzten alle grösseren Kommunen unter großen Verkehrsproblemen und werden dem wachsenden Autoverkehr nicht mehr Herr. „Es ist ein langwieriger Prozess, Menschen aufs Rad zu bringen, doch am Ende rentiert sich das für jeden“, sagt der 31-jährige Rees.

Am Ende profitieren alle: Kommunen, Arbeitgeber, Krankenkassen und Arbeitnehmer

Doch nicht nur die Kommunen profitieren aus seiner Sicht von dem Anreizsystem, sondern vor allem auch Arbeitgeber und Krankenkassen. „Es gibt große Wohlfahrtsverluste durch Arbeitnehmer, die sich zu wenig bewegen und krank werden“, sagt Rees, „Radfahrer sind erwiesenermaßen gesünder.“ Die Geschäftsidee von Bewelo setzt also auf private und kommunale Unternehmen und Krankenkassen als Sponsoren für die Wertgutscheine, Stichwort: steuerfreie Sachbezüge. „Die Sponsoren können ihren Beitrag selbstständig und individuell festlegen“, sagt Rees. Seine Vision: Die Bildung einer Bewelo-Gemeinschaft, die für Unternehmen zum Aushängeschild wird. Auf der anderen Seite stehen Online-Shops, Händler und karitative Einrichtungen als so genannte „Incentive-Geber“, also Anreizgeber. Die App selbst soll für Nutzer kostenlos sein. Das Start-up verdient an der App mittels Provisionen.

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Die Idee kommt bei potentiellen Partnern gut an

Doch bis es soweit ist, sind erstmal Investitionen nötig. Einen Schreibtisch, Arbeitsmittel und eine gute Portion Unterstützung und Netzwerk bekamen die Studierenden zwar im Gründerzentrum der Zeppelin-Uni, doch der größte Kostenfaktor ist die Entwicklung der App. Dieist die Entwicklung der App. finanzieren sich die Gründer mit Hilfe eines Mobilitätsstipendiums des Landes Baden-Württemberg. „Wir wollten die App nicht überstürzt im Ausland entwickeln lassen, auf der anderen Seite muss die Entwicklung trotzdem schnell gehen“, erläutert Burmann. „Aktuell sind wir mit vielen Sponsoren, darunter auch größeren Firmen in Friedrichshafen im Gespräch“, sagt er. Die Idee komme gut an, aber nun wollten die möglichen Partner erstmal auf die App warten. Auch Incentive-Partner hätten bereits positive Signale gesendet. Nun stehe in den Wintermonaten weitere Akquise an. „Im März wollen wir dann pünktlich zur Radsaison 2019 mit der Pilotphase loslegen“, betont Burmann. Der Wunsch: Erstmal eine vier- bis fünfstellige Anzahl an Nutzern generieren, die die App in Friedrichshafen testet. „Wenn Bewelo hier in einem so radunfreundlichen Umfeld funktioniert, dann funktioniert unser System überall“, ist sich auch Rees sicher. Der Traum: Eine deutschlandweite Expansion der Bewelo-Bewegung.

50 bis 60 Stunden Arbeit – pro Person und Woche

Für die jungen Unternehmer ist bereits jetzt klar: Bei der Gründung ihres Start-ups haben sie bereits so viel gelernt wie in einem zweiten Studium. „Das ist eine echte Herzensangelegenheit, unser Baby“, resümiert Rees. 50 bis 60 Stunden investieren die jungen Gründer wöchentlich in ihr „Baby“. Ein Vollzeitjob also. „Wir haben eine wirklich tolle Erfahrung gemacht, haben die Freiheit und die Vorzüge der Selbstständigkeit kennengelernt – und das ohne großen Druck und großes finanzielles Risiko“, meint Burmann. Für sie steht fest: Sie wollen etwas schaffen, das sie später durchs Leben trägt. Oder besser: fährt. Auf dem Fahrradsattel natürlich.

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