Ein trüber Novembertag im Zeppelindorf. Bernd Köhler hat noch drei Lieferungen in der Box seines elektrischen Lastenrads. Heute haben die Apfelbachers zum ersten Mal bestellt. Müsli, Kakao, Natron, Kokosöl und einiges mehr. Und das kommt in Zeiten des großen Verpackungswahns ganz schlicht in Omas Weckgläsern daher. Denn Köhler will mit seinem Start-up "Tante Emmas Bruder", dem ersten Unverpackt-Lieferdienst in der Region, vor allem eins: Müll reduzieren.

"Es ist wirklich spannend, mal einen Einkauf ohne Verpackungen zu haben", sagt Sven Apfelbacher, der die sorgfältig gepackte Holzkiste gemeinsam mit seiner Frau Sabrina und Töchterchen Maja in Empfang nimmt. Bestellt hat die Familie bequem über den Online-Shop. Dort gibt es nahezu alles, was nicht gekühlt werden muss: Müsli, Backzutaten, Nudeln, Reis, Hülsenfrüchte, Snacks, Reinigungsmittel, Seifen und sogar Toilettenpapier. Laut Köhler ist der Großteil davon in Bio-Qualität. Bei den Lieferanten und Großhändlern achte er darauf, dass sie ohne Plastik liefern. "Das Meiste kommt in großen Säcken und Tüten bei uns an", sagt der gelernte Winzer.

Emira Charny, Sven und Sabrina Apfelbacher (v.l.) mit Maja (vorne) sind begeistert. "Es ist auch nicht teurer als im Bioladen", stellt ...
Emira Charny, Sven und Sabrina Apfelbacher (v.l.) mit Maja (vorne) sind begeistert. "Es ist auch nicht teurer als im Bioladen", stellt Sabrina Apfelbacher fest. | Bild: Wienrich, Sabine

Schön verpackt in Omas Weckgläsern

Derweil packt Sabrina Apfelbacher die Kiste aus. "Es ist so praktisch, genau die Menge bestellen zu können, die man braucht", sagt sie und zeigt auf ein Glas mit Trockenhefe. "Hier kann ich genau die Menge entnehmen, die ich beim Backen benötige – und muss dann nichts wegschmeißen." Bei der Unverpackt-Bewegung geht es konkret um diese zwei Dinge: weniger Müll und weniger Verschwendung. Sechs gelbe Säcke produziert die vierköpfige Familie Apfelbacher nach eigenen Angaben durchschnittlich im Monat. "Viel zu viel", findet die 16-jährige Tochter Emira, die für die Schule gerade einen Vortrag über die Plastikinseln im Ozean vorbereitet.

Die Ware hat Köhler zuvor in seinem Lager in die bestellten Mengen umgepackt und in der Box des Lastenrad verstaut. Bei ihm gibt es fast ...
Die Ware hat Köhler zuvor in seinem Lager in die bestellten Mengen umgepackt und in der Box des Lastenrad verstaut. Bei ihm gibt es fast alles, was nicht gekühlt werden muss. | Bild: Wienrich, Sabine

Doch wie genau funktioniert ein müllfreies Familienleben?

Gründer Bernd Köhler kennt die Antwort darauf. Gemeinsam mit seiner Frau Desireé und seinen drei Kindern nahm der gelernte Winzer Anfang des Jahres an dem Zero-Waste (deutsch: null Müll)-Projekt des Landratsamts Bodenseekreis teil. Ziel des dreimonatigen Wettbewerbs: die Familien sollten abfallarm leben und von ihren Erfahrungen berichten. Bei den Köhlers heißt das: Wochenmarkt statt Discounter, Milch vom Bauern, Wurst und Käse in eigenen Boxen verstauen, Reinigungsmittel und Kosmetika selber machen. "Es ist nicht unbedingt teurer, so zu leben. Aber man muss sich deutlich besser organisieren", sagt er. Zum Beispiel müsse man eben immer die richtigen Behältnisse bei sich haben.

Müsli, Kokosfett, Sheabutter, Kakao, Sultaninen und einiges mehr: Alles ist sorgfältig in Weckgläsern oder Papiertüten verpackt. Bernd ...
Müsli, Kokosfett, Sheabutter, Kakao, Sultaninen und einiges mehr: Alles ist sorgfältig in Weckgläsern oder Papiertüten verpackt. Bernd Thomas bestellt hauptsächlich bei Lieferanten, die ohne Plastikmüll auskommen. | Bild: Wienrich, Sabine

Nicht unbedingt teurer, aber viel mehr Organisation

Bereits während des Versuchs entstand bei den Köhlers die Idee, sich in der Unverpackt-Bewegung zu engagieren und ein eigenes Geschäft zu gründen. "Uns haben viele Freunde und Bekannte erzählt, dass sie es eigentlich toll finden, Müll zu reduzieren, es ihnen aber einfach viel zu umständlich sei, mit Boxen in den Supermarkt zu gehen", erinnert sich Köhler. Zunächst wollte er einen Unverpackt-Laden, ähnlich wie in Markdorf, aufbauen. "Allerdings ist es so schwierig in Friedrichshafen bezahlbare Ladenflächen zu bekommen", sagt er. Und so reifte die Idee, unverpackte Waren direkt an die Haustür zu liefern. Per Pedes natürlich, schließlich geht es bei all dem um Umweltschutz.

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Von der Idee zum Start-up dauerte es nur ein paar Wochen

Binnen weniger Wochen stellten die Köhlers ihr Start-up auf die Beine, mieteten einen Lagerraum in der Friedrichstraße an, knüpften Kontakte zu Großhändlern, Lebensmittelproduzenten und Manufakturen und bauten sich einen Online-Shop auf. Dafür investierten sie laut Köhler einen rund fünfstelligen Betrag aus einem privaten Darlehen. Das Geschäftsmodell funktioniert über Margen, ähnlich wie im Lebensmittelhandel. "Wir sind nicht teurer als andere Händler, die sich noch Ladenflächen anmieten müssen", erklärt der dreifache Vater. Bestellt werden können auch kleine Mengen, die Grammpreise sind nicht abhängig von der Bestellmenge. Hinzu kommt eine Liefergebühr von 3,95 Euro.

Heute, nur wenige Wochen nach der Gründung, ist Bernd Köhler täglich im Einsatz. Rund zehn bis 15 Bestellungen gehen pro Woche ein. "Darunter sind vor allem Hausfrauen, Familien und gesundheitsbewusste junge Paare", sagt Köhler. Morgens packt der Häfler die Ware in seinem Lager um. Die Auflagen in Sachen Gesundheitsschutz sind streng. "Wir werden per Gesetz behandelt wie Lebensmittelproduzenten", erklärt der Gründer. Er darf deshalb beispielsweise seine Waren offiziell noch nicht als Bio-Produkte deklarieren, weil er erst eine Bio-Zertifizierung braucht. Seine Ziele für die nächsten Monate hat Köhler klar definiert. "In einem Jahr soll sich Tante Emmas Bruder selbst tragen", sagt er. Und: Friedrichshafen solle mit ein bisschen weniger Plastik auskommen.

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