Die jüngsten Hochwasser und vor allem das Jahrhunderthochwasser 2013 haben deutlich gezeigt: Dieses Element kann gewaltige Kräfte entwickeln und Riesenschäden verursachen. "Solche Einzelereignisse werden heftiger", erklärt Ewald Faßnacht, Sachgebietsleiter für die Argen und die Seefelder Aach des Regierungspräsidiums Tübingen (RP). Das deckt sich mit Expertenmeinungen, wonach wegen des Klimawandels eine Zunahme der Hochwasser-Ereignisse sowohl in der Anzahl als auch in der Stärke erwartet werden. Es müsse mit einer größeren Hochwassergefahr im Winter gerechnet werden, weil es weniger schneit und die Niederschläge öfter eher als Regen fallen. Schnee ist gleichsam gespeichertes Wasser. Außerdem sei im Frühjahr und Sommer mit vermehrten und heftigeren Starkregen zu rechnen. Und im Frühjahr auch noch kombiniert mit der Schneeschmelze in den Mittelgebirgen und den Alpen.
Neue Rechtslage für Ausweisung von Baugebieten seit 2014
Wie Ewald Faßnacht darlegt, kann sich jeder im Internet auf öffentlich zugänglichen Hochwassergefahrenkarten informieren. Diese Karten werden von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) zur Verfügung gestellt und zeigen Überflutungsflächen und -tiefen entlang von Fließgewässern. "Jeder kann nachsehen, wo welche Flächen von Hochwasser betroffen sein können. Man kann sich flurstückgenau über mögliche Gefahren informieren", erklärt Faßnacht. Diese in der Karte ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete seien rechtswirksam. Und das bedeutet laut Faßnacht, dass in solchen Gebieten zum Beispiel nur noch in ganz seltenen Fällen neue Baugebiete ausgewiesen dürfen, was Auswirkungen auf die jeweilige Stadt-/Gemeindeentwicklung haben kann. Diese Rechtslage gelte seit 2014.

Hochwasserschutz ist eine Daueraufgabe, wie aus Faßnachts Ausführungen deutlich wird. Es gibt im jährlichen Turnus für Kommunen sogenannte Gewässernachbarschaftstage sowie Hochwasserpartnerschaftstage. Die Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung, eine Einrichtung des Landes Baden-Württemberg, lade zu diesen zweitägigen Veranstaltungen ein. Da werde beispielsweise über Gesetzesänderungen informiert, Positivbeispiele ("best practise") vorgestellt und es gehe um den Erfahrungsaustausch und das partnerschaftliche Zusammenwirken im Hochwasserfall.
Der Kreistag hat 2017 eine weitere Stelle im Landratsamt für den Hochwasserschutz bewilligt, damit anstehende Aufgaben besser gestemmt werden können. Aus gutem Grund: Beispielsweise haben heftige Gewitter mit Starkregen, Sturm und Hagel Anfang Juli 2017 für Großeinsätze der Feuerwehren gesorgt. Im Bodenseekreis waren 485 Einsätze zu verzeichnen, bei denen laut Kreisfeuerwehrverband rund 650 Kräfte im Einsatz waren. Starkregengefährdet sind im Landkreis laut Auskunft aus dem Landratsamt folgende Kommunen: Sipplingen, Überlingen, Meersburg, Markdorf, Frickingen, Teile von Heiligenberg sowie Teile von Tettnang.
Maßnahmenprojekt gegen Überschwemmungen
Die rund 3000 Einwohner zählende und im Hinterland gelegene Gemeinde Frickingen ist 2016 im Juni und Juli durch Starkregen betroffen gewesen. "Der ganze Ort stand teils bis zu einem halben Meter unter Wasser", berichtet Kämmerer Florian Keller. In Abstimmung mit dem RP und dem Landratsamt ist ein Maßnahmenpaket geschnürt worden. Dessen Kosten, verteilt auf zwei Bauabschnitte, beziffert der Kämmerer auf rund 1,6 Millionen Euro. Der Betrag entspreche rund einem Viertel des Frickinger Vermögenshaushaltes, der für Investitionen zur Verfügung steht. 2017 wurden laut Keller rund 500 000 Euro für eine größer dimensionierte Kanalisation auf 70 Metern sowie für ein Einlaufbauwerk investiert. Letzteres hat die Funktion eines Riesenrechens. 2018 werden weitere 300 Meter Kanalisation größer dimensioniert sowie zwei weitere Anlagen zum Abfangen von Holz entstehen. Es soll erreicht werden, dass künftig die Wassermassen aus dem Ort und auf landwirtschaftliche Flächen geleitet werden. Die Gemeinde hat Förderungen beantragt. Sofern alles glatt geht, muss Frickingen nach Abzug der 70-prozentigen Förderung noch rund 600 000 Euro stemmen.

In Friedrichshafen hat das Rotach-Hochwasser 2013 für die Stadt Sanierungskosten von immerhin rund 56 000 Euro verursacht. "Bei der damaligen Sanierung wurden nur Schäden behoben, die unmittelbare Auswirkungen auf Wege oder Bauwerke hatten. Nach dem diesjährigen Hochwasser hielten sich die Schäden entlang der Rotach bisher im Rahmen, jedoch gibt es wieder kleinere Schäden wie Uferabbrüche und Erosionen, die teilweise saniert werden müssen", berichtet die städtische Pressesprecherin Monika Blank. Zum Hochwasserschutz-Management sei noch kein Beschluss gefasst worden. Der Hochwasserschutz entlang der Rotach soll einen Schutz bis zu einem sogenannten hundertjährlichen Hochwasser (Hq 100) bieten. "Die Kosten für die denkbaren Maßnahmen in mehreren Abschnitten wurden zuletzt auf 20 Millionen Euro geschätzt", erklärt Blank. Droht Hochwasser durch den Bodensee, werden ab Erreichen der "Hochwassermarke 1" (4,80 Meter) regelmäßige Kontrollen durch die Feuerwehr durchgeführt. Ab Wasserständen über 5,20 Metern beginnen die Vorbereitungen zum Ausbringen von Sandsäcken an den tiefer liegenden Stellen des Seeufers. Im Notfall werden neben der Sicherung einzelner niedrig gelegener Gebäude auch Sandsackwälle oder mobile Wände durch Feuerwehr und Bauhof errichtet. Das werde in Friedrichshafen ab einem Wasserstand von rund 5,50 Metern und bei entsprechender Wetterlage notwendig. "Diese Werte beruhen auf Erfahrungen aus dem Jahr 1999", erklärt Blank.

In Oberteuringen, nördlich von Friedrichshafen an der Rotach gelegen, haben sich Überschwemmungen durch das Fließgewässer oder durch Starkregen bislang in überschaubaren Grenzen gehalten, gibt Werner Wetzel Auskunft. Er ist Leiter der Bauverwaltung. Als Oberliegergemeinde an der Rotach sei man in Zusammenarbeit mit Friedrichshafen und mit dem Landratsamt dabei, eine Hochwasserschutzplanung erstellen zu lassen. Die Ergebnisse sollen dem Oberteuringer Gemeinderat noch 2018 vorgestellt werden. Erst danach werde über konkrete Maßnahmen und Kostenaufteilungen entschieden.
"Arbeitsgruppe mit zehn Gemeinden gebildet"
Veringenstadt im Landkreis Sigmaringen ist 2013 durch Hochwasser stark betroffen gewesen, wie Bürgermeister Armin Christ in einem Interview darlegt:
Herr Christ, beschreiben Sie in wesentlichen Zügen die teils katastrophalen Auswirkungen des Jahrhunderthochwassers Ende Mai/Anfang Juni 2013:
Zahlreiche Häuser wurden im Erdgeschoss auf einer Höhe von teilweise über einem Meter überschwemmt. Fahrzeuge konnten nicht mehr rechtzeitig aus der Tiefgarage gefahren werden und waren nach dem Hochwasser Schrott. Große Gefahr bestand auch für die Wasserversorgung, da das Pumpwerk durch das Hochwasser zu überschwemmen drohte. Auch drohte eine Brücke zu „verklausen“ und es bestand eine große Gefahr, dass das Wohnquartier „Im Tirol“ durch den Rückstau innerhalb kürzester Zeit überschwemmt wird und die Bewohner ihre Wohnhäuser nicht mehr verlassen können.
Welche ersten Gegenmaßnahmen mussten ergriffen werden?
Die Feuerwehr versuchte zahlreiche Keller und die Tiefgarage so gut als möglich auszupumpen. Angeschwemmte Baumstämme und Treibgut wurden an den Brücken entfernt, um ein „Verklausen“ und damit aufstauen des Flusses zu verhindern. Sandsäcke wurden gefüllt und an gefährdeten Stellen aufgeschichtet. Das Stauwehr wurde geöffnet, um somit einen besseren Wasserabfluss zu erzielen.
Welche Aufgaben haben Sie als Bürgermeister wahrgenommen?
Ich habe Maßnahmen mit dem Kommandanten der Feuerwehr sowie dem Kreisbrandmeister abgestimmt. Es ist sehr wichtig, vor Ort zu sein und somit so gut als möglich für Fragen von besorgten Bürgern zur Verfügung zu stehen. Gespräche mit den Fachbehörden über das weitere Vorgehen müssen geführt werden. Auch ist man als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Auf welchen Betrag summierten sich die Schäden?
Auf städtischer Seite entstand uns an der Heizungsanlage in der Alb-Lauchert-Schule ein Schaden von zirka 100 000 Euro
Welche Schutzmaßnahmen sind seither verwirklicht worden und welche Schäden sollen damit künftig verhindert oder zumindest verringert werden?
Durch das Hochwasser gab es starke Anlandungen im Flussbett. Diese wurden ausgebaggert und somit der Wasserabfluss stark verbessert. Die Arbeiten verursachten Kosten in Höhe über 400 000 Euro und wurden glücklicherweise durch den Fluthilfefonds des Landes komplett getragen. Daneben wurden Bürgerversammlungen durchgeführt, in denen Fachleute darüber informierten, welche Vorkehrungen im Privathaushalt getroffen werden können, um Schäden so gering als möglich zu halten.
Welche Projekte als Hochwasserschutz stehen in Veringenstadt noch kurz- und mittelfristig bevor, wie hoch sind die jeweils geschätzten Kosten und wie werden diese Projekte finanziert?
Da es keinen Sinn macht, Veringenstadt alleine zu betrachten, wurde gemeinsam mit allen zehn Gemeinden im Einzugsgebiet der Lauchert eine Arbeitsgruppe Laucherthochwasser gegründet und ein gemeinsames Vorgehen vereinbart. Erste Maßnahme: eine Flussgebietsuntersuchung. Diese ergab, dass erforderliche Schutzmaßnahmen in allen zehn Gemeinden Kosten von insgesamt 4 Millionen verursachen. In Veringenstadt belaufen sich hierbei die Ausgaben auf über eine Million Euro, die zu 70 Prozent über das Land finanziert würden. Zusätzlich erstellt die Technische Universität Berlin ein Modell für eine Hochwasservorwarnung im Karstgebiet. Diese Hochwasservorwarnung wird in diesem Jahr an der Lauchert realisiert. Die Kosten von 200 000 Euro werden durch das Land getragen.
Fragen: Toni Ganter