Bermatingen Das Projekt „In der Breite“ in Bermatingen wird konkreter. In den vergangenen Monaten gab es mehrere Gespräche mit dem potenziellen Projektpartner Stiftung Liebenau bezüglich des Vorhabens „Lebensräume für Jung und Alt“, informierte Bürgermeister Martin Rupp kürzlich. Bei der Suche nach weiteren Projektpartnern wie Ärzten oder Podologen, in einem generell schwierigen Umfeld, habe es bisher keinen Durchbruch gegeben. Nach wie vor sei ein grundsätzliches Interesse der Kinderärztin und einer Allgemeinärztin sowie medizinischer Fußpfleger vorhanden. „Bei allen kommt es auf die Größe der Praxen, den Kaufpreis und die Rahmenbedingungen an.“
Die Verwaltung habe alle sozialen Dienste in der Region angeschrieben. Hier erfolgten Absagen wegen Kapazitätsmangel oder zu großer Entfernung. Eine Tagesbetreuung der Sozialstation sei wirtschaftlich nicht vertretbar, hieß es mit dem Verweis auf die nahen Betreuungsstützpunkte in Salem und Markdorf; ein Wunsch, der aus den Reihen des Gemeinderats kam. Vorstellbar sei jedoch, sich mit verschiedenen Bausteinen oder Beratungsangeboten einzubringen, beginnend mit einer kleinen Betreuungsgruppe einmal wöchentlich, was pflegende Angehörige entlaste, und pflegerischer Versorgung.
Rupp will schnell vorankommen
Zum Verfahren: Der vorhabensbezogene Bebauungsplan ist gestartet, aktuell laufen Immissions- und Baugrundgutachten. Nach Untersuchung aller Materialien und dem Schadstoffgutachten werde der Abbruch des Vereinsheims freigegeben. In der nächsten Gemeinderatssitzung soll der Beschluss zum Bebauungsplan gefasst werden, dann die Offenlage des Entwurfs erfolgen und im Idealfall der Satzungsbeschluss im Dezember erfolgen. Gäbe es Verzögerungen bei den Rückmeldungen bezüglich der Belegung des Erdgeschosses, wäre es möglich, den Raum für Praxen oder für Wohnungen freizuhalten und später zu entscheiden. Rupp: „Da werden wir nicht warten, denn wir wollen vorankommen.“
Ihre Vorstellungen für die Beteiligung am Projekt stellte die Stiftung Liebenau, vertreten durch Thomas Scherrieb, den Leiter des Bereichs Lebensräume/Quartiersarbeit, seine Nachfolgerin Saskia Keck und Sozialarbeiterin Hannah Hengge vor. Hengge ist Gemeinwesenarbeiterin in den „Lebensräumen“ Immenstaad und erläuterte Konzept und Grundpfeiler. Die Wohnanlage biete eine lebendige, generationenübergreifende Wohnform mit aktiver Selbst- und Nachbarschaftshilfe. Sie ist vor allem für Senioren, aber auch alleinstehende Paare und alleinerziehende junge Familien und Menschen mit Behinderung gedacht und keine 24-Stunden-Rundumbetreuung. „Das Motto ist, niemand muss alleine sein, aber man kann sich jederzeit in seine eigenen, barrierefreien vier Wände zurückziehen“, so Hengge, die darüber hinaus viele weitere Besonderheiten erwähnte. Total wichtig sei, dass sich die Bewohner überlegten, was sie für andere tun könnten. „Das hilft auch die eigene Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern.“
Saskia Keck ergänzte, dass die Wohnform von einer Fachkraft begleitet wird. Rund 30 Wohnungen sollen gemeinsam mit der Gemeinde mit dem Bauträger Kraus Häuser GmbH und Kraus Architekten erstellt werden, mit dem Ziel, soziale Infrastruktur zu fördern, hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass Menschen so lang wie möglich selbstbestimmt leben können. Die Belegung sei wichtig: Erfahrungsgemäß werde die Wohnanlage mit zwei Drittel Senioren und einem Drittel jüngeren Personen belegt. Bermatinger sollten beim Verkauf der Wohnungen und der Vermietung bevorzugt werden. Die Gemeinwesen- und Quartiersarbeiterinnen seien durch die Liebenau angestellt, würden aber von den Gemeinden finanziert. In Bermatingen sei ein Stellenumfang von etwa 30 Prozent, inklusive der öffentlichen Quartiersarbeit „Mesnerhaus“, angedacht. Hinzu komme eine „Overheadumlage“, die Verteilung von Gemeinkosten auf verschiedene Produkte, Dienstleistungen oder Projekte, die unter anderem Finanzen, Buchhaltung, Personalwesen und Controlling beinhaltet. Angedacht ist auch ein öffentlicher Quartierstreff, der durch den öffentlichen Haushalt finanziert wird. Um Kontinuität sicherzustellen, sei an eine Vereinbarung der Gemeinde und der Stiftung über mindestens zehn Jahre gedacht. Pflegerische Angebote sollen in Absprache mit der Sozialstation oder anderen Anbietern sichergestellt werden.
„Mich überzeugt das Modell nach wie vor“, sagte Rupp und eröffnete die Fragerunde. Gemeinderat Alexander Gohm, CDU, erkundigte sich nach der definitiven finanziellen Belastung. Abhängig von der Qualifikation nannte Rupp eine Summe von rund 1200 Euro monatlich, bezogen auf 30 Prozent Gemeinwesenarbeit. Ähnlich wäre die Summe der Overhead-Umlage; im gesamten also zwischen 25.000 und 30.000 Euro pro Jahr. Beim Gemeinschaftsraum müsse man einen neuen Weg finden und ihn ins Eigentum der Gemeinde nehmen.
Privatleute können sich im zweiten oder dritten Bauabschnitt investierend einkaufen, oder sich im ersten Bauabschnitt, mit Blick auf einen Einzug ab 60 Jahren, so Rupp auf die Frage von Fabian Dilger. Er und Anja Kutter, SPD, befürworteten das gemeinsame Konzept. Karsten Küpfer, LBU, wollte wissen, ab welchem Pflegegrad das Konzept nicht mehr passe. „Man kann dort richtig alt werden. Unsere älteste Bewohnerin ist mit 103 ausgezogen, weil es ihr an der Sehkraft gefehlt hat“, sagte Hannah Hengge. Es sei möglich, sich so ein Setting aufzubauen, dass ein Pflegeheim überflüssig werde, wenn die Menschen nicht dement würden.
Er nehme die positive Grundstimmung für eine Kooperation mit der Stiftung Liebenau auf, so Rupp. Der Rat sprach sich einstimmig dafür aus.