„Mir ist es wichtig, die Frauen als selbstbewusste Persönlichkeiten darzustellen“, beschreibt Bildhauerin Daniela Einsdorf aus Überlingen-Deisendorf ihren Ansatz. Sie ist die Schöpferin der Trachten-Statue, die im Mai nach der ersten Schwedenprozession im Rathausgarten enthüllt wird. Die lebensgroße Bronzeskulptur stellt eine Frau und ein Kind dar – beide in der Überlinger Tracht.

Skulptur zeigt Frau und Kind in Lebensgröße

Das ist für die Künstlerin in mehrfacher Hinsicht ein Statement: „Die anderen Statuen in Überlingen stellen vor allem Männer dar und wenn Frauen, dann meistens nackt.“ Ihre Skulptur hingegen zeigt eine Frau in Lebensgröße. Ihr Blick geht erhobenen Hauptes selbstbewusst in die Ferne, eine Hand liegt an ihrer Hüfte, mit der anderen berührt sie die Schulter des kleinen Mädchens neben ihr.

„Die Tracht der Statue und auch die des Kindes sind sehr authentisch mit vielen Details und filigran gearbeiteter Spitze“, lobt Trachtenmutter Renate Lohr. Sie leitet seit mehr als 20 Jahren den Trachtenbund und stand Daniela Einsdorf mit ihren Vorstandkolleginnen beratend zur Seite.

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Idee für Skulptur stammt von der Künstlerin selbst

Von der Bildhauerin stammt die Idee, der gelebten Trachten-Tradition eine Statue zu widmen. Als Daniela Einsdorf mit zwei Mitgliedern der Familie Voith Geldgeber für das Projekt fand, legte sie los. Kurioserweise kamen die Vertreterinnen des Trachtenbundes erst später dazu, was der Freude über das Projekt aber keinen Abbruch leistet.

„Das ist für uns wahnsinnig schön“, betont Renate Lohr. „Die Touristen bekommen uns sonst ja fast nie zu Gesicht. Durch die Erläuterung auf dem Schild erfahren sie etwas über unsere Tradition. Hier haben wir eine hohe Sichtbarkeit.“ Auch dass ein Kind zu dem Ensemble gehört, freut Lohr sehr – weil die Statue am Muttertag enthüllt wird und der Trachtenbund, im Gegensatz zu anderen Vereinen, keine Nachwuchsprobleme habe.

„Ich möchte ein generationenübergreifendes Kunstwerk schaffen.“
Daniela Einsdorf, Bildhauerin

Daniela Einsdorf sieht in den beiden Figuren nicht unbedingt Mutter und Tochter, sondern eine Frau neben ihrem früheren, kindlichen Selbst. „Ich möchte ein generationenübergreifendes Kunstwerk schaffen“, beschreibt sie ihren Ansatz und ergänzt: „Die Tracht verleiht beiden weiblichen Figuren etwas Würdevolles.“

Die Goldhaube abzubilden war für die Künstlerin eine besondere Herausforderung. Dafür hat sie ein eigenes Exemplar erstellt.
Die Goldhaube abzubilden war für die Künstlerin eine besondere Herausforderung. Dafür hat sie ein eigenes Exemplar erstellt. | Bild: Sabine Busse

Die größte Herausforderung bei der detailgetreuen Arbeit sei die Haube gewesen. Im Vorfeld beschäftigte sie sich mit den im Bodenseeraum typischen Goldhauben. Ähnlicher Kopfschmuck sei in vielen Kulturen zu finden und verleihe den Trägern stets eine besondere Aura. Zuerst fertigte Daniela Einsdorf in ihrem Atelier ein Modell aus Spitze, spannte es auf ein Drahtgestell, besorgte sich weitere Details und stimmte sich immer wieder mit den Trachtenfrauen ab.

Die nächste Aufgabe war es, das Modell zu einer gießbaren Vorlage zu machen. Dafür fertigte sie einen Wachsabdruck an – was allerdings drei Anläufe benötigte. „Ich habe die Hälfte der Zeit nachgedacht und die andere gearbeitet“, beschreibt Einsdorf diesen Prozessabschnitt schmunzelnd. „Ich habe mich bemüht, dass alles so authentisch wie möglich ist.“

Von der Spitze der Goldhaube hat Daniela Einsdorf einen Wachsabdruck angefertigt.
Von der Spitze der Goldhaube hat Daniela Einsdorf einen Wachsabdruck angefertigt. | Bild: Sabine Busse

Zur Überlinger Tracht gehört auch das vor der Brust gebundene Tuch. Renate Lohr beschreibt, wie das Seidentuch um den Hals gelegt wird, sodass im Nacken das Guckele, eine kleine Tüte, entsteht. Vorne wird das Ganze mit einem Schmuckelement versehen. Diese Feinheiten habe sie der Künstlerin anhand ihres eigenen Tuchs erklärt, erinnert sich die Trachtenmutter.

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Künstlerin muss noch die Oberfläche nacharbeiten

Daniela Einsdorf sammelte alle Informationen und fertigte aus Ton die Figuren in ihrem Atelier. Damit fuhr sie in die Kunstgießerei Strassacker in Süßen. Dort wurde die Skulptur in Einzelteile zerlegt und in mehreren Arbeitsschritten ein Wachsmodell und schließlich eine Schamotte-Form gefertigt. Darin wurde dann die 1250 Grad heiße Bronze gegossen.

Mittlerweile sind die Einzelteile von den Fachleuten zusammengeschweißt und die Nähte geschliffen worden. Für die Künstlerin steht noch der letzte Akt an, das „Finish“. Dafür wird sie mehrere Tage vor Ort sein und die Oberfläche nacharbeiten. „Das kann man sich wie Goldschmiedearbeiten vorstellen“, erklärt Einsdorf. Schließlich bekommt das Kunstwerk die Patina, die der Bronzefigur Färbung und Tiefe verleiht.

Trachtenmutter Renate Lohr zeigt auf den Platz, wo die lebensgroße Bronze-Skulptur im Rathausgarten stehen wird.
Trachtenmutter Renate Lohr zeigt auf den Platz, wo die lebensgroße Bronze-Skulptur im Rathausgarten stehen wird. | Bild: Sabine Busse

Aufgestellt wird die Trachtenstatue im Rathausgarten. Die Entscheidung fällte der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales im Dezember. Auf den Tag der Enthüllung warten die Künstlerin und auch die Trachtenmutter mit Spannung. Für Renate Lohr ist es eine Belohnung für besondere Brauchtumspflege – und das im Jahr ihrer 60-jährigen Mitgliedschaft im Trachtenbund. Für Daniela Einsdorf ist es „als Künstlerin eine Ehre und ein Geschenk, für diesen Platz eine Skulptur erstellen zu dürfen“.

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