Von Haus aus Landwirt, kennt Martin Hahn (Grüne) seine Nutzpflanzen, auch wenn der Landtagsabgeordnete seinen Biohof derzeit verpachtet hat. Und als Vorsitzender des Agrarausschusses ist er inzwischen auch schon etwas herumgekommen auf dem Globus. Doch bisweilen gerät auch er ins Staunen, als ihn Bildungsreferentin Anette Wilkening und Projektleiter Benjamin Fäth mit Jannis Richter und Paul Neyrinck über den Weltacker bei Andelshofen führen, und lernt einiges dazu, wie er offen einräumt.

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„Ich bin echt begeistert“, erklärt Hahn: „Es gefällt mir, wenn man abstrakte Dinge konkret greifbar und sichtbar macht.“ Genau das ist es auch, was die Initiatoren wollen. „Wir verstehen das als Bildungsprojekt“, sagt Benjamin Fäth. Einzelne Schulen hätten dies nach dem Neustart auch schon genutzt.

„Teilt man die Ackerflächen der Erde durch die derzeit 7,7 Milliarden Menschen, stünden jedem 2000 Quadratmeter zu“, erklärt Wilkening die Grundidee. „Ob die reichen oder nicht, werden wir noch sehen.“ Und was wächst auf dieser Fläche? Die weltweit meist angebauten Kulturen – im gleichen Verhältnis kleingeschrumpft auf 2000 Quadratmeter. Wobei pro Kopf noch 4400 Quadratmeter Weideland dazukommen.

Eine der weltweit 600 Hirsearten, die auch gegen Trockenheit lange resistent sind.
Eine der weltweit 600 Hirsearten, die auch gegen Trockenheit lange resistent sind. | Bild: Hanspeter Walter

„Das ist Hirse?“, fragt Martin Hahn fast etwas ungläubig, da er das reife Getreide nicht gleich erkennt. Der Reis ist ebenfalls gut gediehen, doch weiß Hahn, dass es hier aufgrund der kurzen Vegetationsperiode zeitlich eng werden wird mit einer möglichen Ernte. „Wir mussten die Reispflanzen für den Trockenanbau im Gewächshaus vorziehen“, erklärt Anette Wilkening, „da die Samen eine Keimtemperatur von mindestens 22 Grad benötigen“.

Selbst im April sind diese Bedingungen hierzulande nicht vorhanden, deshalb wurden die Pflänzchen erst Ende Mai gesetzt. Inzwischen haben sie eine respektable Größe erreicht. „Wir wissen allerdings noch nicht, ob er auch abreift“, sagt sie.

Auf knapp der Hälfte der Fläche wächst Getreide

Fast die Hälfte der Fläche nehmen die 986 Quadratmeter an Getreide ein. Wofür das benötigt wird? Die Hauptanteile gehen in die Fütterung, die Ernährung und die Energiegewinnung. Wobei der Reis weitgehend verspeist wird, zwar nur 3,3 Kilogramm pro Kopf und Jahr in Deutschland, aber zwischen 120 bis 150 Kilogramm pro Kopf und Jahr in asiatischen Ländern, weiß Anette Wilkening. Doch selbst diese Menge ließe sich unter guten Voraussetzungen auf dem Anteil von 170 Quadratmetern am Weltacker erzeugen.

„Pro Quadratmeter kann man bis zu ein Kilogramm ernten“, erklärt sie. „Doch es geht uns nicht darum, irgendwelche Veganer zu erziehen.“ Schließlich gibt es auch über den Weltacker hinaus auch noch die Weideflächen. Allerdings spiele die Effizienz schon eine Rolle, wenn Tiere vor allem mit Produkten von den Äckern gefüttert werden. Gehe man nicht den Umweg über das Fleisch, könne man bis zu zehnmal mehr Menschen ernähren.

Da ist eine der ersten Andelshofer Erdnüsse: Nach der Befruchtung wächst die Blüte in die Erde zurück.
Da ist eine der ersten Andelshofer Erdnüsse: Nach der Befruchtung wächst die Blüte in die Erde zurück. | Bild: Hanspeter Walter

Ursprünglich sollte der Weltacker mit der Landesgartenschau an den Start gehen. „Nun konnten wir schon mal üben“, sagt Benjamin Fäth, der sich nun auf Landesgartenschaubesucher im kommenden Jahr freut.

„Teller oder Tank?“, das ist für Anette Wilkening eine kritische Frage. Was ist effizienter? Um ein Auto für durchschnittlich 14 000 Kilometer im Jahr mit Biodiesel zu betanken, bedürfte er 7000 Quadratmeter einer guten Rapsernte. „Das ist die Fläche von dreieinhalb Menschen“, sagt Anette Wilkening an der symbolischen Dieseltanksäule. „Was essen die? Nix? Da wird das Konfliktpotenzial deutlich sichtbar.“

Frischer Diesel vom Acker: Ist das klug? Künstlerische Installationen flankieren den Acker.
Frischer Diesel vom Acker: Ist das klug? Künstlerische Installationen flankieren den Acker. | Bild: Hanspeter Walter

Dass die grüne Energie vom Acker schnell braun wird, ist auch künstlerisch am Zaun festgehalten. Bestens Bescheid weiß Hahn beim heimischen Mais, der aufgrund ehemals falscher Weichenstellung längst die Felder erobert hat und oft in der Biogasanlage landet. „Wenn politische Impulse, wie beim Biogas, nicht nachgesteuert werden, geht es oft schief“, räumt der Politiker ein.

Auch Baumwollpflanzen blühen auf dem Weltacker; die ersten Fruchtkapseln waren Ende August schon erkennbar. Das arabische Hummus gehört inzwischen zwar zum festen Repertoire in vielen Gaststätten und Supermärkten. Doch wer kennt schon die Kichererbsenpflanze? So begegnet dem Besucher manches in ganz ungewohnter Form.

Aus der Kapsel der Baumwollpflanze lassen sich die Fasern für Stoffe gewinnen.
Aus der Kapsel der Baumwollpflanze lassen sich die Fasern für Stoffe gewinnen. | Bild: Hanspeter Walter

Lebensmittelverschwendung wird hier konkret greifbar. „Nicht mit Zeigefinger und Zahlen wollen wir deutlich machen, dass ein Drittel aller porduzierten Nahrungsmittel in der Tonne landen“, sagt Benjamin Fäth, „sondern mit der Darstellung von Tatsächlichkeiten“. Ein Drittel werde tatsächlich von Handel und Verbraucher entsorgt. Ein weiteres Drittel diene der Fütterung von Tieren, nur ein Drittel verspeise der Mensch direkt.

Die Zuckerrohrpflanze und ihr süßes Produkt.
Die Zuckerrohrpflanze und ihr süßes Produkt. | Bild: Hanspeter Walter

Diese Erkenntnis sei für die Verantwortlichen auch ein wichtiges Stück Bewusstseins- und Umweltbildung, das vermittelt werden soll. Diesen Part ihres Bildungsplans könnten Schulen kaum irgendwo konkreter realisieren als hier auf dem Weltacker, zeigen sie sich überzeugt. Auch dies war aufgrund der Corona-Schließungen und Beschränkungen erschwert. Bleibt für alle Beteiligten die Hoffnung auf das zweite Jahr.

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