Ende November verlassen gleich drei hauptamtliche Mitarbeiter die katholische Seelsorgeeinheit Überlingen: Pater Theodor Shanika, Diakon Matthias Hoppe und Münstermesner Markus Korn. Shanika wechselt nach Lörrach, Hoppe nach Zell am Harmersbach. Korn bleibt in Überlingen, nimmt aber einen Hausmeisterjob bei der Baugenossenschaft an.

Das sind aber nicht die einzigen Personalien in der katholischen Kirche in Überlingen. Im Sommer 2021 geht Gemeindereferentin Andrea Stöckler in Ruhestand. Pfarrer Herbert Duffner, pensionierter Priester, zelebriert altershalber praktisch keine Gottesdienste mehr. Pfarrer Wolfgang Josef Auer, der früher als Pensionär ausgeholfen hat, ist vor wenigen Wochen gestorben. Und Pastoralreferentin Julia Kundinger hat Überlingen bereits zum Jahresbeginn Richtung Schweiz verlassen. Innerhalb der zwei Jahre, die er in Überlingen ist, sei der Stab an hauptamtlichen Mitarbeitern „komplett einmal ausgewechselt“ worden, sagte Pfarrer Walter gegenüber dem SÜDKURIER.

Mesner Markus Korn wird von Christine Gäng, Vorsitzende im Pfarrgemeinderat, im Münster verabschiedet.
Mesner Markus Korn wird von Christine Gäng, Vorsitzende im Pfarrgemeinderat, im Münster verabschiedet. | Bild: Hilser, Stefan

„Ausgewechselt“ klingt allerdings schöner, als die tatsächliche Situation ist. Denn bis auf die Kundinger-Nachfolge durch Pastoralassistent Martin Blume kommt auf absehbare Zeit keine Einwechslung, sondern bleiben die Stellen (vorerst) unbesetzt.

Nur für die Mesnernachfolge scheint es eine rasche Lösung zu geben. Elf Bewerbungen liegen bereits auf dem Tisch im Pfarrbüro am Münsterplatz. Für andere Stellen, die eine theologische Ausbildung voraussetzen, oder gar eine Weihe zum Priester, sieht es mau aus. Die Personaldecke im ganzen Erzbistum ist dünn geworden.

Pater Theodor sieht sein Ziel erreicht, „Freude am Glauben zu vermitteln“ – und zwar lachend.
Pater Theodor sieht sein Ziel erreicht, „Freude am Glauben zu vermitteln“ – und zwar lachend. | Bild: Hilser, Stefan

In einem offenen Brief, in dem Pfarrer Walter die Abschiede ankündigte, schrieb er, dass er „Gerüchten“ vorbeugen wolle, und deshalb betonte er, dass die Berufswechsel „ein ganz normaler Prozess“ seien. Mit Gerüchten meinte er, dass jemand auf die Idee kommen könne, es läge an ihm.

„Zeit für Pater Theo von vorne herein begrenzt“

Natürlich werfe die geballte Zahl an Wechseln zu Ende November Fragen auf. Doch sei die Zeit von Pater Theo von vorne herein begrenzt und für ihn als „Starthilfe“ vorgesehen gewesen. Diakon Hoppe habe schon länger einen Wechsel erwogen. Korns Wechsel sei in der Tat für alle überraschend, doch habe sich ihm kurzfristig die Chance zu einem beruflichen Neuanfang geboten.

Pfarrgemeinderatsvorsitzende Christine Gäng meint: „Es muss immer möglich sein und akzeptiert werden, dass haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende im Laufe ihres Lebens neue Wege gehen wollen, so schwer die Abschiede auch fallen.“

Beim letzten Sonntagsgottesdienst verabschiedeten sich Diakon, Mesner und Pater von der Gemeinde. Theodor Shanika, ein Priester aus dem Kongo, tat dies mit einem Lied aus seiner Heimat.

Pater Theo singt ein letztes Mal im Münster Video: Hilser, Stefan

Überlingen steht noch vergleichsweise gut da

Christine Gäng antwortete auf Fragen des SÜDKURIER wie sie die aktuelle Situation bewertet mit einem Vergleich zu anderen Seelsorgeeinheiten. Demnach sei Überlingen an Hauptamtlichen „sehr gut ausgestattet“. Eine Kirchenmusikdirektorin, eine Gemeindereferentin, einen Pastoralassistenten, einen Pfarrer und weitere Angestellte gebe es innerhalb der Erzdiözese Freiburg nicht in allen Gemeinden. Gäng: „Viele Seelsorgeeinheiten haben bereits keinen Pfarrer mehr und eine Neubesetzung ist nahezu chancenlos.“ Nicht grundlos befinde sich die Erzdiözese im Prozess der Kirchenentwicklung 2030, bei der am Ende Großpfarreien entstehen, vergleichbar des heutigen Dekanats. Im Gespräch ist eine Einheit mit Überlingen, Meersburg und Salem zusammen.

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Wer hält das Rad in Schwung?

Wenn jetzt schon kein hauptamtliches Personal mehr da ist, wer soll in wachsenden Gemeinden – bei zurückgehenden Mitgliederzahlen – das Gemeindeleben dann noch in Schwung halten? Dazu Pfarrer Walter: „Wir befinden uns in einem Lernprozess für die Zukunft. Einen Pfarrer, der alles macht, wird es nicht mehr geben. Das Priesterbild verändert sich.“ Darin erkenne er die Chance, das Gemeindeteam zu stärken, also die Gruppe jener Ehrenamtlichen, die sich bisher schon in zahlreichen Diensten einbrachten, von Jugend- bis Seniorenarbeit, Gottesdienstgestaltung, Bildung und sozialen Aufgaben.

Christine Gäng: „Das fordert uns heraus, nicht mehr nur bequem alles den Hauptamtlichen zu überlassen.“ Für die Laien ergebe sich die Chance, „kreativ zu gestalten und mitzubestimmen“.

Neustart für die Gemeindeteams

Das kann gut enden, aber auch zum Aussterben der Pfarreien führen. Beides sei zu beobachten. Gäng: „Es gibt Pfarreien, da macht kaum noch jemand mit – da wird Kirche kleiner oder stirbt. Es gibt aber auch Gemeinden, die durch neue Kreativität aufblühen.“ Das wünsche sie sich für Überlingen und ist guter Dinge: „Wir haben viele engagierte Menschen mit Ideen und ein großes Glaubenspotential. Die bereits vor fünf Jahren gebildeten Gemeindeteams finden sich gerade wieder neu zusammen und sollen und wollen vor Ort das kirchliche Leben immer mehr eigenverantwortlich gestalten.“

Bei der Abschiedsfeier am Sonntag im Münster hielt sich Bernd Walter auffallend zurück. Den Altar überließ er Pater Theo als Zelebrant, und Abschiedsreden auf die drei Männer, die nach eineinhalb, nach sechs und nach neunzehn Jahren die Pfarrei verlassen, überließ er der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden. Pfarrer Walter: „Auch ich beherrsche die Kunst, mich zurückhalten zu können – das war deren Abschied, und die Rollenverteilung war gut.“

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Somit steht die Abschiedsfeier für das, was künftig vielen Pfarreien blüht. Waren früher die Pfarrer der Chef im Ring, muss es vielerorts ohne sie gehen. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als Laien einzubinden. Christine Gäng fordert dies für Überlingen geradezu ein: „Für die noch vorhandenen Hauptberuflichen besteht meines Erachtens noch mehr die Pflicht, alle Gemeindemitglieder zu ermutigen und zu befähigen, selbstbewusst Kirche vor Ort zu gestalten – und das auch wertschätzend zuzulassen.“