Dass er Lehrer werden wollte, wusste Günter Reichle bereits mit 14 Jahren. Und dieser Beschluss gründete in einer großen Bewunderung des Heranwachsenden für zwei seiner Lehrer, wie er erzählt. Da diese Deutsch und Geschichte unterrichteten, war denn auch gleich klar, dass Günter Reichle in eben diesen beiden Fächern unterrichten wollte.
Der Masterplan, Lehrer zu werden, stand, und wurde nicht nur konsequent eingehalten, sondern übertroffen: Heute blickt Reichle auf zwölf Jahre als stellvertretender Schulleiter und 13 Jahre als Schulleiter zurück.
BWL statt Deutsch und Geschichte
Doch der Masterplan der Lehrerkarriere war rückblickend von Anfang bis Ende sehr flexibel in der Umsetzung. Reichle erinnert sich, dass er häufig dort einsprang, wo Not am Mann war. Deutsch und Geschichte spielten in seinem Wirken – entgegen seinen ursprünglichen Plänen – eine marginale Rolle.
Günter Reichle war vielem gegenüber aufgeschlossen: „Mit 15 habe ich viel Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben und mit 16 habe ich erfahren, dass es ein Wirtschaftsgymnasium gibt, wo man Betriebswirtschaft lernen könne, was sehr interessant sei.“ Damit war der Entschluss gefallen, Betriebswirtschaft zu lernen; und der brachte ihn zum ersten Mal an die Constantin-Vanotti-Schule – als Schüler am Wirtschaftsgymnasium.
Nach seinem Abitur studierte Reichle in Tübingen BWL als Hauptfach, als Nebenfächer wählte er Volkswirtschaft und Wirtschaftsgeschichte. „Also nicht ganz das, was ich mir mit 14 vorgenommen habe, aber doch annähernd“, sagt Reichle.
Vom Referendar zum EDV-Beauftragten
Während seines Referendariats und der anschließenden Assessorenzeit in Friedrichshafen an der Hugo-Eckener-Schule wurde dann eine revolutionäre Technologie zu seinem Steckenpferd: Er war in Friedrichshafen der erste Assessor, der bereits 1984 seinen Unterricht mit einem Heimcomputer vorbereitete.
Damals, in den 80er Jahren, steckte die EDV noch in den Kinderschuhen, die Bereitschaft im Kollegium war laut Reichle jedoch groß, sich einzuarbeiten. So bat der damalige Schulleiter eines Tages den jungen Lehrer nicht nur, die Schüler in Informatik zu unterrichten, sondern übertrug ihm auch die Aufgabe, Verwaltungsaufgaben der Schule EDV-technisch zu lösen.
Reichle treibt EDV-Ausbau an CVS voran
Reichle begann unter anderem damit, die Zeugnisse für die Schule mit dem Computer zu erstellen. „Schon in meinem zweiten Jahr an der Schule war ich also aus dem BWL-Unterricht draußen und unterrichtete vorrangig Informatik.“ Schließlich, im Jahr 1995, bot sich die Gelegenheit, als stellvertretender Schulleiter auch an der Constantin-Vanotti-Schule den EDV-Bereich auszubauen.
2007 wurde Günter Reichle als Schulleiter an das Berufsschulzentrum in Radolfzell versetzt. Im Jahr 2013 kehrte er schließlich zum dritten Mal an die CVS zurück – ebenfalls als Schulleiter.
„Für mich gab es keine Alternative zum Lehrerberuf“
So anpassungsfähig Günter Reichle bei den Themen, mit denen er sich beschäftigt, ist, so kompromisslos war und ist er, was die pädagogische Motivation angeht. Der Schüler stand für ihn immer im Mittelpunkt: „Für mich gab es keine Alternative zum Lehrerberuf, ich wollte nichts Technisches machen und ein Bürojob kam für mich auch nicht infrage. Anderen Leuten etwas beizubringen, das war meine Motivation.“
Förderung schwächerer Schüler liegt ihm am Herzen
Bei seiner ersten Arbeitsstelle in Friedrichshafen unterrichtete er verschiedene Schülergruppen und Klassen: Wirtschaftsschüler, Berufskollegklassen, Wirtschaftsgymnasiasten und auch Bankfachklassen. Ziemlich schnell fand er heraus, dass ihn vor allem die schwächeren Schüler interessierten.
„Denen etwas beizubringen, sie voranzubringen, das war meine Aufgabe, die ich mir gestellt hatte. Empathie und Menschenbild waren und sind mir wichtig. Den anderen in seiner Andersartigkeit verstehen und seine Sichtweise aufgreifen, ist mir Leitbild bis heute.“
Die beruflichen Schulen im Wandel
Das Streben der Schüler nach einem höheren Schulabschluss und das angesichts vieler unbesetzter Lehrstellen offenbar steigende Desinteresse an Ausbildungsberufen machen dem langjährigen Schulleiter der Constantin-Vanotti-Schule, Günter Reichle, Sorgen.
Der Anteil der Schüler an der kaufmännischen Berufsschule sei in den vergangenen Jahren wesentlich geringer geworden, berichtet er: „In Überlingen sind die Auszubildenden der Außen- und Großhandelskaufleute sowie der Bürokaufleute weggefallen. Das ist ein großer Verlust vor allem angesichts der Tatsache, dass sich damit der Kern der beruflichen Schule aufzulösen droht. Auch der Fortbestand der Industrie- und Bankfachklassen ist bedroht.“
Die Anzahl der Vollzeitschüler, vor allem am Wirtschaftsgymnasium, sei hingegen überproportional gewachsen. „Wir können heute davon ausgehen, dass alle Bewerber von den Real- oder Gemeinschaftsschulen eine weiterführende berufliche Schule besuchen können“, sagt Reichle. „Wir haben in den letzten vier oder fünf Jahren niemanden mehr abgewiesen, der nicht an einer anderen Schule untergekommen ist.“
Der langjährige Schulleiter scheidet mit einem klaren Wunsch für die Zukunft der Schule aus seinem Amt: „Dass die Schule die berufliche Ausbildung als Bereich erhalten kann und mindestens die verbleibenden drei Fachklassen für die Industrie, für den Einzelhandel und für die Banken bleiben. Wir werden in den nächsten Jahren verstärkt an die Betriebe herantreten müssen und schauen, dass wir diesen Bereich erhalten und ausbauen können.“