Monatelang stritten die Überlinger darüber, ob Bäume gefällt werden dürfen – nun sprachen gleich drei Institutionen innerhalb weniger Tage ein Machtwort. Verwaltungsgericht, Denkmalbehörde und am Mittwoch nun auch der Petitionsausschuss des Landtags bestätigen die Sicht der Stadt Überlingen und widersprechen der Bürgerinitiative BÜB, die sich für den Erhalt einer Platanenallee am Stadteingang einsetzte. Jetzt bleiben der Stadt wenige Tage, um Fakten zu schaffen. Denn ab Aschermittwoch, 1. März, gilt bis 30. September ein generelles Fällverbot. Nach Ankündigung von Oberbürgermeister Jan Zeitler werden ab Rosenmontag 43 Platanen gefällt.

Der Anlass der aktuellen Debatte liegt bereits Jahre zurück: Es ging um Pläne für die Landesgartenschau, für die das Gelände Uferpark West neu modelliert werden soll. Jetzt schon Perle am Bodensee, braucht es da noch mehr an Park- und Uferfläche? Diese Frage spaltete die Überlinger 2013, als sie über Ja oder Nein zur Landesgartenschau abstimmen sollten. Fast 60 Prozent der Überlinger entschieden sich damals für die Schau, die im Jahr 2020 auf dem Gelände einer ehemaligen Baustoffhandlung, also einer Industriebrache, stattfindet. Von den unterlegenen 40 Prozent gibt es heute praktisch niemanden mehr, der sich öffentlich gegen eine Landesgartenschau aussprechen würde. Im Gegenteil, es wird allseits betont, wie sehr man die LGS befürworte. Und doch spaltet die Umsetzung die Bodenseestadt noch stärker, als es schon der Bürgerentscheid 2013 vermochte. Der Streit entlädt sich an der Zukunft der Platanen.

Der Protest formulierte sich im Sommer 2016 in 3000 Unterschriften. Der im Bodenseeraum bekannte Landschaftsarchitekt Johann Senner, ein Überlinger, hatte damals sein Erstaunen über die Pläne für die Landesgartenschau formuliert. Er zeigte sich entsetzt über den Abriss der Platanen und einer über 100 Jahre alten Ufermauer aus Rorschacher Sandstein. Das Ausmaß sei ihm neu. Mit Senner als Kronzeugen gründete der Fotograf Dirk Diestel eine Bürgerinitiative, die Bürgergemeinschaft für Überlinger Bäume (BÜB). Er sammelte innerhalb weniger Wochen mehr als 3000 Unterschriften, von denen die Stadt fast 2000 als gültig anerkannte. Diestel wollte damit einen Bürgerentscheid erwirken, den der Gemeinderat im August mit Verweis auf rechtliche Gründe ablehnte. Diese Sicht wurde vergangene Woche vom Verwaltungsgericht Sigmaringen bestätigt.

Allee ist ein Kulturdenkmal

Die Debatte hatte im Juli 2016 neue Nahrung erhalten durch die reichlich späte Feststellung des Landesdenkmalamtes, dass es sich bei der Platanenallee um ein Kulturdenkmal handle. Das heißt, im Juli 2016 wurde der Sachverhalt öffentlich bekannt, doch bereits im Mai hatte die Stadtspitze die Mitteilung erhalten, sie aber unter der Decke gehalten, in der fälschlichen Annahme, den Schutzstatus los zu bekommen, bevor die Öffentlichkeit Wind davon erhält. Als die Sache dann doch bekannt wurde, war der Protest umso größer. Er gipfelte gar in Rücktrittsforderungen gegen Oberbürgermeisterin Sabine Becker. Das war insofern heikel, als Becker sich im November der Wiederwahl als OB stellen musste – und mit zwölf Prozent dann auch deutlich abgestraft wurde.

Mittlerweile stuft das Landesdenkmalamt den Schutzstatus nicht mehr so hoch ein. Anfang dieser Woche erteilte die Behörde eine Ausnahmegenehmigung zum Fällen der Platanen, nachdem die Stadt der Auflage nachkam, die Bäume auf Papier der Nachwelt zu dokumentieren.

Dreh- und Angelpunkt der Diskussion war die Frage nach dem Wissensstand, auf den die Überlinger vor dem Bürgerentscheid 2013 gebracht worden sind: Stadtverwaltung, Gemeinderat und LGS GmbH vertreten entschieden die Auffassung, dass nie von etwas anderem die Rede war, als dass die Mauer geschleift und die Bäume abgeholzt würden. Sie verweisen auf Planzeichnungen, die seinerzeit in alle Haushalte verteilt wurden. SPD-Gemeinderat Oswald Burger formulierte einmal: Allen Beteiligten sei von Anfang an bewusst gewesen, dass eine „grundsätzliche Umgestaltung“ der bisher gewerblich genutzten Fläche ansteht, weil das Land nur in solche Projekte einsteige, die eine dauerhafte Strukturveränderung brächten – nicht in Blümchenschauen. In einem Bürger-Workshop sei 2011 bereits beschlossen worden: „Ufer zugänglich machen, hohe Mauern abbauen“. Und dann noch ein Zitat, auf das der SPD-Gemeinderat verweist, das allen Überlingern vor dem Bürgerentscheid 2013 zugestellt worden sei. Es stammt vom Preisgericht, das sich 2012 für den Siegerentwurf der Landschaftsarchitektin Marianne Mommsen aussprach: „Der Entwurf präsentiert auf zurückhaltende Weise eine konsequente landschaftliche Transformation, allerdings verbunden mit einem starken Eingriff in den Baumbestand.“

OB Jan Zeitler, der erst seit drei Wochen im Amt ist, lässt keinen Zweifel an seiner Erleichterung über die Entscheidung zur Fällung. Als am Mittwoch die letzte Hürde genommen und die Petition zurückgewiesen wurde, sagte er: "Ich kann vor Freude kaum an mich halten." Er verwies darauf, dass die Stadt nichts anderes als eine Mehrheitsentscheidung umsetze. "Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie."