Aufs fertig gesattelte Pferd steigen, Reitstunde absolvieren und Pferd wieder abgeben? So einfach geht das nicht, wenn man das Reiten lernen will und kein Profireiter ist. Denn ebenso wichtig wie das Reiten selbst ist es, den Umgang mit dem Pferd zu erlernen. „Das sollte zu Beginn der Reiterausbildung an erster Stelle stehen“, sagt Maria Schierhölter-Otte, Leiterin Jugendarbeit bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (Fédération Équestre Nationale, Abkürzung FN). „Führen, Putzen, dann auch erst mal ohne Sattel auf den Pferderücken, um mit den Bewegungen des Pferdes vertraut zu werden.“ Auch die Frage, wie man sich im Stall und am Pferd verhalten muss, um Unfälle zu vermeiden, sollte geklärt sein. Zum Beispiel, dass man sich nicht direkt hinter oder vor das Pferd stellt, sondern seitlich. Oder wie man es richtig und sicher anbindet.
Zwei Belohnungsmöhren
Das alles hat Hannah, 11, im Reitverein Überlingen gelernt. Vor drei Jahren ist sie auf’s Pferd gekommen, hat mit und von den Überlinger Schulpferden vieles gelernt. Inzwischen hat sie eine Reitbeteiligung an der schwarzen Friesenstute Rischella. Das heißt, sie reitet das Privatpferd an zwei Tagen in der Woche und beteiligt sich dafür finanziell an den Kosten, die ein Pferd so mit sich bringt.
Gerade kommt das Pferd-Reiter-Paar von der abendlichen Reitstunde in den Stall zurück. „Als erstes versorge ich Rischella“, erklärt Hannah. Schnell hat sie den Reithelm zur Seite gelegt, dann bindet das Mädchen die brave Stute in der Stallgasse an, um ihr Sattel und Trense abzunehmen, sie zu bürsten und die Hufe auszukratzen. Ein, zwei Belohnungsmöhren gibt es noch, bevor das zierliche Mädchen mit dem großen Pferd wieder nach draußen zum Waschplatz geht, um ihm die Beine abzuspritzen. Dann darf Rischella in die Box. Nun noch die große Pferdedecke aufs Pferd, jetzt, wo die Nächte kühl sind. Gar nicht so einfach für Hannah – schließlich ist der Pferderücken in etwa auf Höhe von Hannahs Scheitel und die Decke ist groß und unhandlich. „Nein, ich krieg das hin“, sagt Hannah zu ihrer Mutter, als diese ihr anbietet zu helfen. „Das ist typisch“, lacht die Mutter, „wenn es ums Pferd geht, ist ihr keine Arbeit zu schwer.“
Hannah mag das „ganze Drumherum“. Sie erklärt: „Das ist ja auch das Besondere am Reiten. Beim Putzen und Versorgen baut man eine Bindung zum Pferd auf. Man arbeitet mit ihm zusammen und verbringt Zeit mit dem Pferd.“ Junge Reiter sollen neben dem Reiten für das Tier Verantwortung tragen und im Stall mit anpacken dürfen. Das ist der Vorsitzenden des Reitvereins, Simone Günther, auch für die allgemeine soziale Entwicklung ein Anliegen. Sie sagt: „Die Arbeitsmoral der Mädchen hier im Stall ist gut.“ Das Pferd biete eine große Motivation, auch mal freiwillig mit anzupacken – sei es beim Kehren der Stallgasse, das Sattelzeug zu putzen und einzufetten, beim Füttern zu helfen oder sich beim jährlichen Turnier zu engagieren.
Reiter aktiver in der Natur
Dass der Umgang mit Pferden nicht nur für die Arbeitsmoral förderlich ist, belegt eine Studie, die die Deutsche Reiterliche Vereinigung im Jahr 2012 in Auftrag gegeben hatte. Demnach unterscheiden sich Reiter erwartungsgemäß in ihren Hobbies von den Nicht-Reitern in einem wesentlichen Punkt: Sie geben an, aktiver in der Natur zu sein. Nicht-Reiter verbringen ihre Freizeit eher mit Mediennutzung (Fernsehen, Musik, Internet), Aktivitäten mit anderen Menschen sowie Aktivitäten zu Hause. Reiter beschreiben sich tendenziell selbst als zielstrebiger, ehrgeiziger und weniger aufgeschlossen, humorvoll und gesellig, als Nicht-Reiter dies tun. Weitere Attribute, die Reitern zugeordnet werden, sind „tierlieb“, „naturverbunden“ und „verantwortungsbewusst“. Damit kann sich auch Hannah identifizieren und ergänzt: „Im Umgang mit Pferden muss man einfühlsam sein, aber man muss sich auch mal durchsetzen.“
So viele positive Aspekte das Reiten hat, ist es nicht auch gefährlich? Das mögen sich so manche Eltern fragen. Verständlich, schließlich hat man es mit großen Tieren zu tun, die um die 500 Kilogramm wiegen und Fluchttiere sind. Laut FN ist Reiten nicht gefährlich, wenn der Reitschüler unter der fachlichen Anleitung eines qualifizierten Reitlehrers Stück für Stück mit dem Pferd und dem Reiten vertraut gemacht wird: „Ausbildung ist die Grundlage für Sicherheit im Reitsport. Und natürlich die richtige Ausrüstung“, heißt es im „Kleinen Ratgeber für Reitanfänger“ der FN. Hannah: „Ich bin auch mal runtergefallen. Aber ich drücke mich nicht – weil es macht ja trotzdem Spaß!“ Ihre Mutter sagt, dass sie und ihr Mann zunächst Bedenken hatten. „Aber die positiven Aspekte überwiegen einfach. Wir haben Hannah nur eines zur Bedingung gemacht: Dass sie beim Reiten Helm und Rückenprotektor trägt.“
Sicherheit beginnt am Boden
Lara Keller aus Lippertsreute, 18, hat mit vier Jahren angefangen zu reiten, inzwischen gibt sie im Reitverein selber Reitunterricht und besitzt zwei eigene Pferde. Es sei einfach wichtig, gerade auch für die Sicherheit, dass beim Reiten alles aufeinander aufbaue: „Was ganz wichtig ist, passiert erst mal nicht auf dem Pferd, sondern am Boden, im Umgang mit dem Pferd. Das Kind müsse geführt oder an der Longe die Gelegenheit bekommen, das Gefühl für den eigenen Körper auf dem Pferderücken zu entdecken, die Bewegungsabläufe in den verschiedenen Gangarten kennen zu lernen. „Dabei geht es nicht um Kraft, sondern um Balance. Ruhig sitzen zu können und mit sich klarkommen.“ Ohne sich festzuhalten.
Wenn das klappt, darf man mit Gefühl die Zügel in die Hand nehmen, und wenn Ponygröße und -charakter mit der des kleinen Reiters harmonieren, ist der Weg zum Reiten in der Gruppe nicht mehr weit. Langweilig wird es einem mit dem Pferd nicht. Hannah genießt am meisten: „Den Galopp, aber auch mit Stangen arbeiten und Hütchen. Ich reite gerne ins Gelände.“ Ihr nächstes Ziel ist, Springen zu lernen.
Lara Keller sagt: „Fast alle meine Freundinnen, mit denen ich angefangen habe, sind dabeigeblieben. Denn es ist doch so: Das Pferd ist dein Kumpel, der hört dir immer zu, dem kannst du alles erzählen, zu dem hast du eine aufrichtige Beziehung.“
Wissenswertes rund ums Reiten lernen
- .Was brauche ich, was muss ich beachten? Reitausrüstung: Für die erste Probereitstunde reicht ein gut sitzender Fahrradhelm, doch bleibt das Kind dabei, sollte man unbedingt in einen Reithelm investieren, da dieser speziell für den Sturz vom Pferd konzipiert ist. Ebenfalls für die Sicherheit empfehlenswert: ein leichter Rückenprotektor, der aber zum Reiten lernen genügend Bewegungsfreiheit bietet. Die Hose sollte eng anliegen und elastisch sein. Eine Reithose mit Knie-oder Vollbesatz sorgt für einen besseren Halt im Sattel. Die Stiefeletten oder Stiefel sollten eine durchgehende Sohle und einen kleinen Absatz haben – das ist wichtig, damit der Fuß nicht durch den Steigbügel rutschen kann. Den Helm sollte man neu kaufen, um sicher zu gehen dass er nicht beschädigt ist. Nach einem Sturz sollte der Helm erneuert werden.
- .Wie lange dauert eine Reitstunde und was kostet sie? Je nach Alter und Ausdauer können einem jungen Reitanfänger 20 Minuten an der Longe bereits genug sein. Dafür wird idealerweise mehr Zeit eingeplant, um dem Reitschüler zu zeigen, wie das Pferd auf die Reitstunde vorbereitet und nach der Stunde versorgt wird. Je nachdem, ob einzeln oder in der Gruppe unterrichtet wird, kann eine reguläre Reitstunde zwischen 30 und 60 Minuten dauern. Der Preis für eine Gruppenreitstunde liegt zwischen 12 und 16 Euro. Longen- wie Einzelunterricht kann das Doppelte kosten. Die Preise weichen regional und je nach Anbieter ab.
- .Worauf muss ich bei der Auswahl der Reitschule achten? Ein gutes Schulpferd ist freundlich, ausgeglichen, geduldig und arbeitswillig. Dafür muss es artgerecht gehalten werden. Dazu gehört eine helle, saubere und luftige Umgebung. Der Stall sollte laut FN Fenster haben oder sogar einen Paddock, also einen kleinen Auslauf an der Box. Pferde sind Herdentiere und brauchen viel Bewegung, sollten darüber hinaus also häufig Weidegang zusammen mit anderen Pferden haben. Ausreichende Ruhezeiten und Korrekturberitt durch einen erfahrenen Reiter sorgen für den nötigen Ausgleich zum Schulbetrieb. Der Reitlehrer, so Maria Schierhölter-Otte, sollte eine entsprechende Qualifikation vorweisen können und sich regelmäßig weiterbilden.
- .Welches ist das passende Alter? Richtwert ist das Alter von sechs Jahren. Jüngere Kinder können mit Voltigieren einsteigen. Beim Turnen auf dem Pferd in Schritt, Trab und Galopp wird das Gefühl für die Bewegungen des Pferdes und die eigene Balance geschult. Man gewinnt Selbstvertrauen und Vertrauen zum Pferd und lernt loszulassen. Das geführte Reiten ist ebenfalls früher möglich, wird für die Kinder aber früher oder später oft langweilig. Zur Sitzschulung in Schritt und Trab, am besten mit Voltigiergurt, sei die Longe sehr hilfreich – nicht nur für Reitanfänger, sondern auch Fortgeschrittene profitieren von einer gelegentlichen Sitzkorrektur an der Longe.
- .Welches Pferd passt zum wem? Die Größe des Pferdes oder Ponys sollte zur Körperlänge des Kindes passen. Das heißt, jüngere Kinder lernen am besten auf einem Pony das Reiten. In der Regel bekommt man für den Unterricht nicht immer dasselbe Schulpferd. Kann man schon etwas besser reiten, besteht die Möglichkeit, eine Reitbeteiligung zu suchen, ein Pferd das man gegen Bezahlung zu festgelegten Zeiten reiten darf. Der große Traum vom eigenen Pferd sollte nicht nur aus Zeit- und Geldgründen wohl überlegt sein. Maria Schierhölter-Otte: „Das muss passen. Wenn sich ein Reitanfänger ein junges Pferd oder Pony kauft, braucht er einen guten Ausbilder an der Seite.“ Grundsätzlich gilt: Ein Anfänger gehört auf ein ausgebildetes Pferd. Und ein junges Pferd braucht einen ausgebildeten Reiter.
- .Wieviel Geduld ist gefragt? Geduld braucht es nicht nur im täglichen Umgang mit dem Vierbeiner und mit sich selbst, wenn man reiten lernen möchte. Geduld braucht es auch bei der Suche nach einem Betrieb, in dem man reiten lernen kann. „Reitbetriebe mit Schulpferden, in denen man qualifizierten Unterricht bekommt, sind wirklich Mangelware", sagt Miriam Abel, Geschäftsführerin beim Pferdesportverband Baden-Württemberg. Es gibt das Online-Pferdebranchenbuch der FN (www.pferd-aktuell.de/fn-service/pferdebranchenbuch). Und der Landesverband nennt Reitbetriebe auf der Homepage. Es gibt in der Region Vereine und größere Reitschulen wie den RV Überlingen, den Spießhof in Herdwangen oder den Reitverein Trab in Konstanz, und einige privat geführte Betriebe, Ponyhöfe und Westernranches mit unterschiedlichsten Angeboten. Man muss sich aber darauf gefasst machen, auf die Warteliste zu kommen.