Kurz vor Weihnachten krachte es – wieder einmal. Im Abig-Kreisverkehr in der Lippertsreuter Straße kollidierte ein Auto mit einem Lastwagen. Beide Fahrer blieben unverletzt, auch der Schaden fiel mit 3000 Euro vergleichsweise gering aus. Doch der Unfall zeigte einmal mehr ein Problem auf: Immer wieder kommt es in Kreisverkehren zu Zusammenstößen – besonders häufig an den Ein- und Ausfahrten. Allein in den Monaten November und Dezember vermeldete die Polizei vier Unfälle in Überlinger Kreisverkehren.
Für mehr Sicherheit sorgen
Dabei soll Kreisverkehre eigentlich für mehr Sicherhit sorgen. Laut Informationsbroschüre des ADAC weisen die Kreisel "im Mittel gegenüber Knotenpunkten mit Lichtsignalanlage je nach Sicherungsgrad der verschiedenen Verkehrsströme eine höhere Verkehrssicherheit auf". Zumindest Kreisverkehre mit einem Durchmesser bis etwa 60 Meter seien aufgrund niedrigerer Geschwindigkeiten und weniger Konfliktpunkten sehr sicher.

Allerdings räumt der Automobilclub ein, dass besonders schutzbedürftige Personengruppen wie Schulkinder, behinderte oder ältere Menschen bei der Überquerung Schwierigkeiten haben können, "da diese Personengruppen meist aus Unsicherheit weniger entscheidungsfreudig sind".
Wäre es dann nicht sinnvoller, die Fußgängerüberwege vom Kreisel abzurücken? Das sieht der ADAC insofern als problematisch an, da das einen Umweg bedeutet, "der das Queren der Fahrbahn an ungesicherter Stelle geradezu provoziert". Die beste Unfallprävention wäre ohnehin: angepasste Geschwindigkeit, Kenntnis der Verkehrsregeln im Kreisverkehr und vor allem gegenseitige Rücksichtnahme. In der Praxis sieht es leider anders aus.
Zu schnell durch den Kreisverkehr
Die Überlinger Fahrlehrer Bernd und Carlo Kracheel berichten unter anderem von Autofahrern, aber auch (E-Bike) Radfahrern, die zu schnell in den Kreisverkehr ein- und ausfahren: "Das passiert bei Kreisverkehren wie dem (unterhalb des Erlenwegs), wo man geradeaus hinein- und hinausfahren kann, häufig", sagt Carlo Kracheel. Solch eine Verkehrsführung verleite dazu, zu schnell zu fahren und auszufahren, ohne zu blinken.
Bernd Kracheel vermisst bei den Autofahrern nicht nur Kenntnis über die Verkehrsregeln, die im Kreisverkehr gelten (siehe Infokasten), sondern vor allem Weitsicht, Rücksicht und gegenseitigen Respekt: "Es hat auch etwas mit guter Kinderstube, mit sozialem Verhalten zu tun." Dazu gehöre unbedingt die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers: "Wenn ich im Auto sitze, habe ich nicht viele Möglichkeiten, mit den anderen Autofahrern zu kommunizieren. Ich rede vor allem mit dem Blinker. Nicht weil es Vorschrift ist, sondern weil es zum guten Ton gehört."
Beim Einfahren nicht blinken
Mitzudenken, statt nur stur den Regeln zu folgen ist eine Tugend, die er seinen Schülern zu vermitteln sucht. Ein Beispiel: Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) darf man beim Einfahren in den Kreisverkehr nicht blinken. "Aber wenn der Kreisverkehr sehr klein ist, und ich nach dem Einfahren schon nach zwei Metern wieder hinausfahren möchte, sage ich zu meinen Schülern, sie sollen bereits vor dem Einfahren den Blinker setzen. Aber nur, wenn man tatsächlich an der ersten Ausfahrt wieder den Kreisel verlässt", sagt Bernd Kracheel.
Das müssen Autofahrer und Radfahrer wissen
Wenn Autofahrer und Radfahrer – als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer – gleichzeitig im Kreisverkehr sind, ärgert sich oft der eine über den anderen. Die Regeln lauten: endet der Radweg ein paar Meter vor dem Kreisel, muss sich der Radfahrer rechtzeitig einordnen. Will ein Autofahrer aus dem Kreisverkehr ausfahren, biegt er ab und muss demnach Radfahrern, die ebenfalls im Kreisel sind, Vorfahrt gewähren. In der Praxis jedoch ist die Situation oft unübersichtlich. Da lohnt es sich, in die Trickkiste zu greifen. Bernd Kracheel: "Mein Tipp für Radfahrer ist, vor und im Kreisel in der Fahrbahnmitte zu fahren, sodass Autos nicht überholen können und man nicht im Weg ist, wenn ein Autofahrer ausfahren möchte." Den Autofahrern hingegen rate er, sich schon vor dem Einfahren in den Kreisverkehr "nach rechts breit" zu machen, damit kein Fahrradfahrer überholen kann.
Aufeinander Rücksicht nehmen
Grundsätzlich gelte es also zu vermeiden, dass Rad- und Autofahrer nebeneinander herfahren in kleineren Kreisverkehren, wie wir sie in Überlingen haben. Gegenseitige Rücksichtnahme, so Kracheel, sei das wichtigste Gebot. Wenn Fahrschüler zum ersten Mal als Autofahrer mit unberechenbaren Radfahrern konfrontiert sind, sind sie oft überrascht und fangen an, ihr Verhalten auf dem Fahrrad zu überdenken, berichtet Kracheel: "Das hält allerdings nicht lange. Der Wechsel zwischen den Rollen – Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer – vollzieht sich blitzschnell. Sitzt man im Auto, schimpft man auf die Fußgänger. Sobald man aus dem Auto raus ist, ist man Fußgänger – und schimpft über die Autofahrer."
Regeln im Kreisverkehr
- Wer den Kreisverkehr verlässt, biegt auf eine andere Fahrbahn ab. Und beim Abbiegen gilt: querenden Fußgängern und Fahrradfahrern ist Vorrang zu gewähren. "Darum ist ein Zebrastreifen an dieser Stelle nicht notwendig", sagt Bernd Kracheel. Auf der Fahrbahn, die zum Kreisel hinführt hingegen, haben Fußgänger nur dann Vorrang, wenn ein Zebrastreifen vorhanden ist.
- Nur wenn sich an jeder Einfahrt die Schilder 215 (Kreisverkehr) und 205 (Vorfahrt gewähren) befinden, hat der Verkehr im Kreisel Vorrang. Fehlt das Vorfahrtsschild oder beide Verkehrszeichen, handelt es sich nur um einen kreisförmigen Verkehrsknotenpunkt mit Rechts-vor-links-Regelung.
- Halten im Kreisverkehr ist unzulässig. Muss erwähnt werden, auch das gab es schon in Überlingen, weiß Bernd Kracheel: "Ich habe beobachtet, dass Autofahrer im Kreisverkehr anhalten, um Passagiere aussteigen zu lassen."
- Die Kreisinsel – dazu gehört auch der gepflasterte Innenring – darf nicht überfahren werden, außer die Fahrzeuglänge erfordert dies. Wer es trotzdem tut, muss mit 10 Euro Bußgeld rechnen.
- Beim Einfahren in den Kreisverkehr ist das Blinken verboten. Beim Verlassen jedoch muss geblinkt werden.
- Auch interressant: Der erste Kreisverkehr wurde 1907 in Frankreich um den Arc de Triomphe in Paris errichtet. Weltweit gibt es heute etwa 40 000 Kreisverkehre. Zehn davon im Stadtgebiet Überlingen. Die Pflegekosten pro Überlinger Kreisverkehr belaufen sich nach Schätzung der Stadtverwaltung auf 2000 bis 6000 Euro pro Jahr.