Das Projekt „Meersburg elektrisiert“ zur Erprobung eines emissionsfreien, gebündelten Lieferverkehrs bezeichnet das Landes-Wirtschaftsministerium, das es mit 187.343 Euro förderte, als überragenden Erfolg. Davon ist allerdings kaum etwas in der Öffentlichkeit angekommen. Deshalb hakt der SÜDKURIER nach: Was ist eigentlich aus dem Projekt geworden?

Tatsächlich gab es bei der Umsetzung des Versuchs, der am 23. Oktober 2021 mit einer aufwändigen Auftaktveranstaltung startete und bis Ende 2021 lief, etliche Probleme. Es fing damit an, dass der ursprünglich für Februar 2021 geplante Beginn verschoben werden musste. Zum einen wegen Corona, zum anderen wegen der schwierigen Beschaffung eines geeigneten Elektro-Kühltransporters. Das Fahrzeug, das wegen unterbrochener Lieferketten erst mit sechsmonatiger Verspätung ankam, sorgte auch danach für weitere Probleme und musste gleich nach der öffentlichen Präsentation noch mal für zwei Wochen zurück zum Hersteller.

Meersburgs Bürgermeister Robert Scherer (rechts) überreicht bei der Auftaktveranstaltung zum Projekt „Meersburg ...
Meersburgs Bürgermeister Robert Scherer (rechts) überreicht bei der Auftaktveranstaltung zum Projekt „Meersburg elektrisiert“ am 23. Oktober 2021 Gastro-Zulieferer Andreas Geyer das Schild für den neuen vollelektrischen Lkw. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Während der Projektphase war es nur vier Mal direkt in Meersburg unterwegs und vier Mal im Umland. Das berichtet dem SÜDKURIER der Gastro-Logistik-Unternehmer Andreas Geyer aus Bad Waldsee, der das vom Land unterstützte Projekt gemeinsam mit der Stadt umsetzte. Geyer schaffte das 160.000 Euro teure Spezialfahrzeug für die Übernahme in seinen Fuhrpark an. Das Land habe lediglich die Leasinggebühren während der dreimonatigen Projektzeit erstattet. „Wir nutzen das Fahrzeug weiterhin“, so Geyer – wegen der technischen Probleme allerdings vor allem in der Nähe seines Standorts in Bad Waldsee.

Software und Kühlung bergen Herausforderungen

In Meersburg sei es 2022 etwa fünfmal im Einsatz gewesen. Man habe immer wieder mit der Software zu kämpfen. Außerdem sei das Fahrzeug zunächst als 3,5-Tonner konzipiert gewesen. Da für die Kühlung aber zusätzliche Akkus benötigt wurden, erhöhte sich das Gewicht – und damit änderte sich auch die Führerscheinklasse. Das brachte laut Geyer zum einen die ursprüngliche Personalplanung durcheinander, zum anderen verringerte sich die Reichweite bei voller Auslastung von rund 200 Kilometern auf etwa 150 Kilometer.

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„Geyer kann nicht mit einem vollen Fahrzeug hier runter und dann wieder hoch“, fasst Bürgermeister Robert Scherer zusammen. Ursprünglich war zudem ein Hub, eine zentrale Anlaufstelle auch für weitere Zulieferer, beim Winzerverein vorgesehen: in Form eines stationären Kühlanhängers zum Zwischenlagern von Waren, die man dann von dort per E-Transporter an die einzelnen Gastronomen ausliefern wollte. Scherer: „Doch aufgrund von Corona gab‘s dann keinen Markt.“ Sprich: weder weitere Zulieferer noch Endverbraucher.

„Meersburg elektrisiert“ als reines Forschungsprojekt

Scherer betont, bei „Meersburg elektrisiert“ habe es sich von Anfang an um „ein befristetes Projekt, ein Forschungsprojekt in realem Umfeld gehandelt. Das heißt nicht, dass es gleich weiterläuft.“ Doch es sei sein Ziel, mit der Verwirklichung einer emissionsfreien Lieferkette fortzufahren. „Wir, die Stadt Meersburg, werden mit Herrn Geyer über den Winter über eine weitere Kooperation reden“, kündigt Scherer an. Geyer ist dafür offen: „Eine Idee des Projekts war es ja auch, die sogenannte letzte Meile in die Stadt elektrisch zurückzulegen. Das kann ich mir nach wie vor vorstellen, auch, daran mitzuarbeiten.“

Das Wirtschaftsministerium ist voll des Lobes über das Projekt – eines von dreien im Land, das es im Rahmen eines vom eigenen Haus ausgelobten Ideenwettbewerbes förderte, eine Folgeförderung sei derzeit aber nicht geplant. Trotz „deutlich erschwerter Rahmenbedingungen“ habe in Meersburg das Konsortium – die Stadtverwaltung und Geyer Food Konzept – die Projektinhalte erfolgreich umsetzen können, schreibt das Ministerium. „Wichtig war aus unserer Sicht zudem, dass die Projekte nach der Anschubförderung in einen selbständigen wirtschaftlichen Dauerbetrieb übergehen.“

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Der E-Lkw „ist weiterhin in Betrieb und beliefert Gastronomie und Geschäfte in Meersburg auf der sogenannten letzten Meile. Der Betreiber erwirtschaftet einen Gewinn und sieht keine Gründe, das Fahrzeug für andere Zwecke – als die im Projekt verfolgten – einzusetzen“. Die Projektziele seien sogar überfüllt worden: „Das engagierte Konsortium erarbeitete zusätzliche Handlungsempfehlungen, die an die Fraunhofer Gesellschaft zur weiteren Nutzung und Verarbeitung weitergereicht wurden.“ Welche genau? „Das Konsortium empfiehlt unter anderem die Gestaltung einer landesweiten PR-Kampagne, von der insbesondere Kommunen und städtische Betriebe profitieren, die ähnliche Projekte anstreben.“

Apropos PR: Die hat laut Bürgermeister Robert Scherer ebenso für Meersburg funktioniert: Das Projekt, das man auch in Stuttgart und Berlin wahrgenommen habe, sei ein „großer Werbeeffekt für die Stadt. Wir sind in aller Munde, was eine 6500-Einwohner-Stadt kann“.