Offiziell ein „Lernort Bauernhof“ ist seit diesem Frühjahr der Winkelhof der Familie Duelli in Heiligenberg-Betenbrunn. Damit haben sich die Tore des Milchviehbetriebs für Schulklassen geöffnet. Mit Frontalunterricht hat das allerdings nichts zu tun. Herkunft, Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln sollen mit allen Sinnen erlebt werden. Vanessa Duelli sagt: „Erleben, erfahren und entdecken. Das stärkt das Verständnis für die Landwirtschaft, Natur und Umwelt.“
Weiterbildung zur Bauernhofpädagogin
Die 32-Jährige ist Mutter von drei Töchtern und leitet mit ihrem Mann den Familienbetrieb. Zu ihren Hauptaufgaben gehören das Büromanagement mit Rechnungswesen, Buchhaltung und Antragstellung sowie die Unterstützung im Stallmanagement und Arbeiten rund um den Hof. Parallel zum Familien- und Hofalltag betreut sie das Thema Lernort und absolviert die Qualifizierung zur Bauernhofpädagogin, um weitere Angebote für kleine und große Besucher realisieren zu können.
„Ich möchte Angebote schaffen für Jung und Alt, bei denen Kinder und Erwachsene durch ihr aktives Tun und eigenständiges Erleben einen Bezug zum Ursprung bekommen und somit einen Bezug zur Landwirtschaft und Natur aufbauen und zugleich unvergessliche Momente genießen und erleben dürfen“, erklärt Vanessa Duelli.
Unter dem Motto Sommerferienzauber wurden im August an verschiedenen Terminen Müsli, Brot und Kräuterbutter hergestellt. Zudem gab es einen Schnuppertag für die Bauernhofzwerge. Dies waren Veranstaltungen für Kinder ab einem Jahr. Für die Kleinen beinhaltet das zum einen den Weg in den Stall und aufs Feld, zum anderen den direkten Umgang mit den Erzeugnissen.
Betrieb mit allen Aufgaben kennenlernen
„Durch den direkten Kontakt zu den Tieren und Pflanzen werden Abläufe und Zusammenhänge im Jahresverlauf bewusst gemacht und Werte wie Verantwortung, Teamgeist und Nachhaltigkeit gefördert“, sagt die angehende Bauernhofpädagogin. Das Ganze ist dabei kindgerecht aufbereitet. Die jungen Teilnehmer bekommen einen Einblick in den Stall mit 120 Milchkühen, Aufzucht und modernem, automatisierten Melkroboter. Sie lernen also den Hof mit all seinen Aufgaben kennen, haben aber auch Gelegenheit, in einer eigenen Ecke im Stroh zu toben, das Streichelgehege mit neugierigen Ziegen zu besuchen, zu basteln und eben selbst etwas zu erschaffen. Der Gruppenraum heißt „Räuberstüble“.
Bauernhofpädagogik wird immer beliebter
396 Bauernhöfe in Deutschland sind als „Lernort Bauernhof“ zertifiziert. Lehrkräfte der Klassen 1 bis 13 finden Angebote von Ackerbau über Sonderkulturen und Tierhaltung bis Energie und Direktvermarktung. Projektträger sind die Landjugendverbände. Die Zahl der Bauernhofpädagoginnen und -pädagogen ist steigend. Das Qualifizierungsprogramm findet von März bis November in drei Modulen in landwirtschaftlichen Betrieben in Baden-Württemberg statt.
Die Weiterbildung wendet sich an Personen aus der Landwirtschaft und der ländlichen Region, die auf ihren Höfen bereits pädagogische Angebote machen oder zukünftig planen, teilt das Landwirtschaftsministerium mit. Laut Duelli beschäftigte sich zum Beispiel das erste Modul mit den kleinsten Elementen. „Mit den Elementen Feuer und Wasser ging es auf den Boden der Tatsachen zurück“, berichtet die 32-Jährige.
Noch viel vor für die kleinen Besucher
Vanessa Duelli möchte die pädagogischen Angebote auf dem Winkelhof weiter ausbauen. Ihr schweben beispielsweise Jahreszeitenkurse ab 2026 vor. Einmal im Monat besuchen die Kinder dabei außerhalb der Schulferien in fester Gruppe den Hof und behandeln ein bestimmtes Thema. Ziel ist, die Landwirtschaft in allen vier Jahreszeiten kennenzulernen. Ebenso kann sie sich vorstellen, Kindergeburtstage auszurichten und mit der örtlichen Ganztagsschule zu kooperieren. Die landwirtschaftlichen Betriebe gewinnen auf diese Weise Nähe zu den Menschen und haben einen zusätzlichen Betriebszweig.
Für Duelli kommt jedoch noch etwas Wichtiges hinzu: Die Kinder kommen raus. „Für mich gibt es nichts Schöneres, als unsere Kinder hier aufwachsen zu sehen und sie jeden Abend nach aktivem Tun ins Bett bringen zu dürfen“, sagt Duelli. „Wir leben nach dem Motto: Am Ende des Tages sollen deine Haare zersaust, deine Jeans schmutzig und deine Augen strahlend sein.“