Für den Moment mag die Corona-Pandemie jene Herausforderung sein, die am gegenwärtigsten erscheint. Die einzige Herausforderung, zu der global wie lokal Antworten gefordert sind, ist sie aber nicht. Als Erster Bürgermeister Stefan Köhler während einer Vorberatung im Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt (PBU) im Oktober und auch am Montagabend im Gemeinderat von „großen Herausforderungen“ sprach, „vor denen wir weltweit stehen“, ging es nicht um Corona, sondern um den Klimawandel.

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Auch hier gilt: Global betrachtet kann Friedrichshafen alleine natürlich nur verschwindend wenig bis gar nichts ausrichten. Lokal betrachtet sieht das aber anders aus. Zwei Konzepten dazu, wie der hiesige Beitrag zum Klimaschutz und die Vorbereitungen auf wohl unvermeidliche Auswirkungen der Klimaerwärmung vor Ort aussehen sollen, stimmte der Rat einstimmig zu.

Konzept zur Anpassung an erwartete Erwärmung

Erstmals hat die Stadt damit ein Klimaanpassungskonzept. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Klimawandel nicht mehr ausschließlich Schreckensszenario der Zukunft ist. „Wir spüren ihn hier in Friedrichshafen auch auf örtlicher Ebene“, sagte Stefan Köhler im Gemeinderat und zeigte unter anderem Diagramme, die die Entwicklung der Wassertemperatur im Bodensee und der Lufttemperatur in Konstanz zeigten. „Geglättet zeigen die Kurven, dass es nur eine Richtung gibt“, so Bürgermeister Köhler. Und „aufwärts“ stehe in diesem Fall nicht für eine positive Entwicklung.

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Im Mittelpunkt des Klimaanpassungskonzeptes stehen rund 70 Maßnahmen, die die Lebensqualität bei sich verändernden klimatischen Bedingungen sicherstellen sollen. „Und das sind Schutzvorkehrungen für die Bevölkerung, die jetzt schon lebt“, so Köhler. Zu den Leit- und Leuchtturmprojekten, die zeitnah umgesetzt werden sollen gehört etwa eines mit dem Namen „Einen Baum für jede Häflerin und jeden Häfler“. Die Gliederung in zehn Komplexe von „Gesundheits- und Risikovorsorge“ bis „Klimaanpassung durch Partizipation, Kommunikation und Kooperation“ sagt nichts über die Reihenfolge, in der die Ziele angepackt werden sollen. Sie zeigt aber: Eigentlich lässt sich kaum mehr ein Bereich denken, in dem nicht mit Blick auf die Klimaentwicklung gehandelt werden soll.

Energie- und Klimaschutzkonzept wird fortgeschrieben

Ein Energie- und Klimaschutzkonzept hat die Stadt nicht erst seit Montagabend, jenes von 2011 wurde aber nun fortgeschrieben. Die Fortschreibung beinhaltet unter anderem ein Leitbild, dem zufolge es nicht mehr länger nur erklärtes Ziel ist, die auf die Gesamtstadt inklusive Industrie bezogenen CO2-Emissionen sowie den Energieverbrauch bis Ende 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken – was laut Ratsvorlage wohl nicht klappen wird, aber schnell nachgeholt werden soll. Erklärtes Ziel ist nun aber jedenfalls ein gänzlich klimaneutrales Friedrichshafen bis 2050. Ein Zeitrahmen, der für Diskussionen sorgte. Über einen Antrag der Grünen-Fraktion, CO2-Neutralität bereits bis 2035 anzustreben, wurde diskutiert, die Entscheidung aber aufs kommende Jahr verschoben.

Zu den Leit- und Leuchtturmprojekten, die auch das Energie- und Klimaschutzkonzept beinhaltet, gehören beispielsweise die Entwicklung eines klimaneutralen Baugebiets und das Projekt „Nachhaltige Schule“, das die Förderung von Nachhaltigkeits- und Klimakonzepten in Schülerverantwortung vorsieht. Wie umfangreich die To-do-Liste ist, die sich aus den beiden Konzepten ergibt, lässt sich über die Nennung einzelner Beispiele kaum darstellen, anhand des folgenden Beschlussbestandteils aber erahnen: Zur Erreichung der Klimaziele wird die Stadt drei neue und unbefristete Stellen mit unterschiedlichem Schwerpunkt schaffen. Für zwei davon sind Oberbürgermeister Andreas Brand zufolge voraussichtlich Fördergelder wahrscheinlich.

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Die Konzepte sind da: „Jetzt sind wir gefragt“

Die Stadträte äußerten sich lobend und eindringlich. „Ich glaube, Herr Stottele (Leiter der Abteilung Umwelt und Naturschutz bei der Stadt, Anm. d. Red.) hat mit dem, was er uns vorgelegt hat, nicht mehr und nicht weniger als ein Lebenswerk vollendet“, sagte etwa Sander Frank (Linke). „Vor uns liegt ein umfangreicher Werkzeugkasten für unsere Umwelt, nun sind wir gefragt“, so Daniel Oberschelp (CDU). „Es steht quasi jede Maßnahme drin, die man sich denken kann“, fasste Simon Wolpold (Netzwerk für Friedrichshafen) zusammen.

Klar ist: „Konzepte müssen immer auch umgesetzt und gelebt werden“, wie Anna Hochmuth (Grüne) betonte. Auch mit Verweis auf die kurz zuvor in gleicher Sitzung mehrheitlich getroffene Ratsentscheidung, dem Flughafen eine weitere Finanzspritze in Millionenhöhe zukommen zu lassen, sagte sie: „Es wäre ein großer Fehler, Fragen der Nachhaltigkeit hintanzustellen.“ Sylvia Hiß-Petrowitz (ÖDP) äußerte die Hoffnung, alle mit ins Boot zu bekommen. „Wir haben keine zweite Erde.“

Bleibt die Frage der Finanzierung, Klimapolitik soll aber Priorität haben

Bleibt die andere für den Moment so gegenwärtige Herausforderung: Die Corona-Pandemie hat bekanntermaßen auch in Friedrichshafen bereits Fragezeichen hinter geplante Investitionen gesetzt. In Sachen Klimaschutz und -anpassung geht es nicht um einen einzelnen Mammutposten, sondern um viele einzelne Entscheidungen in den kommenden Jahren. Etwas kosten werden aber auch diese. Klar schien am Montag aber auch: „Wir müssen hier und heute diese Vorlage bejahen und im Haushalt für schnelle Umsetzung sorgen“, wie es Heinz Tautkus (SPD) formulierte.