Die aktuelle Kriminalstatistik zeigt: Partnerschaftsgewalt betrifft vor allem Frauen. Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Ex-Ehemanns. Dahinter stecken keine Ehe-Tragödien. Es geht um Femizid, Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts.

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„Grundsätzlich ist geschlechtsspezifische Gewalt eine gesamtpolitische Aufgabe, die es nicht zu bagatellisieren gilt“, sagte Veronika Wäscher-Göggerle, Frauenbeauftragte des Landkreises Bodenseekreis, am Donnerstag anlässlich der Eröffnung von Mariposa. Die Fachberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Friedrichshafen will volljährige Frauen aus dem Bodenseekreis, die von geschlechtsspezifischer oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, unterstützen, beraten und begleiten. Im Schulterschluss mit der Stadt Friedrichshafen und dem Bodenseekreis, die die Beratungsstelle mit finanziellen Mitteln aus dem Kreishaushalt und der Zeppelin-Stiftung fördern, soll das Angebot auch dem familiären und sozialen Umfeld der Betroffenen als Anlaufstelle dienen.

Großer Bedarf für Anlaufstellen

Wie groß der Bedarf für eine solche Einrichtung ist, zeigen bereits die Zahlen der Hilfesuchenden bei Morgenrot in Friedrichshafen, der Kontaktstelle, die Kinder und Jugendliche im Fall von sexualisierter Gewalt professionell berät. Zusammen mit dem Frauen- und Kinderschutzhaus, das ebenfalls unter der Trägerschaft der AWO für Frauen aus dem Bodenseekreis mit ihren Kindern offensteht, sollen jetzt die unterschiedlichen Schwerpunkte der Beratungsstellen durch Vernetzung zu einer effizienten Kraft gebündelt werden.

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Mariposa als Ergänzung zum Frauenhaus

Kathrin Stumpf, Geschäftsführerin der AWO Bodensee-Oberschwaben, sieht in Mariposa eine Ergänzung zum Frauenhaus. Denn nicht jede Frau, die Hilfe sucht, muss zwangsläufig dort aufgenommen werden. Unter Umständen hilft bereits eine kompetente Beratung. Ist ein Einzug ins Frauenhaus unvermeidlich, können Betroffene bei Mariposa darauf vorbereitet werden. Auch werden Frauen dazu ermutigt und dabei unterstützt, Gewalt polizeilich zur Anzeige zu bringen. Denn die Dunkelziffer dürfte aufgrund von Angst und Scham beträchtlich sein, schätzen die Expertinnen.

„Häusliche Gewalt gab es schon immer“, sagt Veronika Wäscher-Göggerle. Aber die gesellschaftliche Entwicklung, unter anderem die weltweite „Mee Too“-Bewegung, machten es den Frauen heute einfacher, an die Öffentlichkeit zu gehen. Männer positionierten sich zunehmend gegen Gewalt an Frauen, die Polizei mache das Problem inzwischen zu ihrem Thema und immer mehr Hilfsangebote stünden für Frauen zur Verfügung. Ein Tag gegen Gewalt an Frauen und verschiedene Kampagnen holten diese Fälle auch mithilfe der Medien ans Tageslicht.

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Der Kritik, dass entsprechende Anlaufstellen für Männer, die ihrerseits von Gewalt betroffen sind, fehlen, widerspricht Kathrin Stumpf. Bei Männern liege die Schamgrenze noch viel höher. Die Erfahrung zeige, dass viele nicht bereit wären, eine Beratungsstelle aufzusuchen und stattdessen lieber Online-Angebote wahrnehmen.

Anlaufstelle in den Räumen des Vereins „Frauen helfen Frauen“

Sowohl die Räume in der Scheffelstraße als auch die Telefonnummer konnte Mariposa – das ist spanisch und bedeutet Schmetterling – vom Verein „Frauen helfen Frauen“ übernehmen. Dieser Verein, in den 80er-Jahren von zehn engagierten Frauen im Kampf gegen den Paragrafen 218 und das Abtreibungsverbot gegründet, löste sich im Sommer mangels Nachwuchses auf. Die Lücke füllte die AWO mit der Sozialpädagogin Michaela Heller und der Psychologin Enke Berlet, die in den zwei frisch renovierten, hellen Räumen seit November aktiv sind. „Ich finde es beeindruckend, wie groß der Bedarf ist“, sagt Berlet, die bereits am Donnerstagvormittag mit einem Fall häuslicher Gewalt inklusive Polizeieinsatz beschäftigt war.