Dienstagnachmittag im zweiten Stock der Volkshochschule (VHS) Friedrichshafen. Aus einem Raum hallt Gelächter, Stimmen reden auf Russisch durcheinander. In wenigen Minuten beginnt hier der Deutschkurs für 15 aus der Ukraine geflüchtete Menschen.
14 der Teilnehmer sind erwachsene Frauen, der einzige Junge ist erst 17 Jahre alt. Sie lachen viel, unterhalten sich laut. Einige erledigen noch ein paar Aufgaben. Vorne im Klassenraum hängt eine Tafel an der Wand, hinten steht eine Pinnwand mit Merkblättern voller Verbformen. Dozentin Antoaneta Smilevska betritt den Raum, begrüßt die Teilnehmer auf Deutsch und Russisch.
Dozentin: „Ich weiß, wie man sich in einem neuen Land fühlt“
Die 39-jährige Smilevska kam 2002 aus Mazedonien nach Deutschland zum Studieren. Eine Freundin hatte ihr von München vorgeschwärmt. Bei ihrer Ankunft konnte sie kein Wort Deutsch und begann einen Sprachkurs. „Ich weiß, wie schwierig und anspruchsvoll es ist, eine neue Sprache zu lernen. Wie man sich in einem neuen Land fühlt.“ Deshalb habe sie unbedingt selbst Lehrerin werden wollen.
In der Zwischenzeit hat sie ihr Beruf an die Josef-Wilhelm-Berufsschule in Ravensburg geführt. Seit 2017 gibt sie zudem Kurse an der VHS. „Ich will Menschen, die jetzt in einer ähnlichen Situation sind wie ich damals, helfen, den gleichen Weg zu gehen“, erklärt Smilevska. Bereits 14 Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland hat sie die C1-Prüfung in Deutsch geschafft. Das bedeutet: Sie konnte Deutsch fließend sprechen, ohne nach Worten suchen zu müssen.

Teilnehmer kommunizieren auf Russisch und Deutsch
Smilevska teilt einen Test an die Schüler aus, die machen sich konzentriert daran, das Arbeitsblatt auszufüllen. Die Lehrerin erzählt leise, um die Gruppe nicht zu stören: „Eigentlich sollten die Kurse komplett auf Deutsch stattfinden. Aber wenn jemand etwas nicht versteht, erkläre ich es noch einmal auf Russisch.“ Neben ihrer Muttersprache, Deutsch und Russisch, spricht Lehrerin Smilevska Bulgarisch, Englisch, Italienisch und Serbokroatisch. Sie hat ein Talent für Sprachen.
Sprachkurse finden dreimal wöchentlich statt
Der VHS-Deutschkurs, den sie derzeit gibt, startete wie fünf weitere am 21. März. Drei zusätzliche begannen Ende April. Sie dauern etwa fünf Monate und finden zwei oder dreimal wöchentlich statt. Zudem gibt es nachmittags einen Kurs mit Kinderbetreuung. Antoaneta Smilevska sagt: „Am Anfang lernen die Teilnehmer erst einmal Buchstabieren und sich selbst vorzustellen.“
Während die Kursteilnehmer ihr Arbeitsblatt ausfüllen, ist die Stimmung gut. Alle arbeiten zwar konzentriert, doch zwischendurch wird auch gescherzt. Smilevska, die ebenfalls viel lacht und mit den Teilnehmern vertraut wirkt, sagt: „Die Schüler wachsen mir ans Herz, wir sind eine Familie und ich fühle mich wie eine Mutter für sie.“ Es gebe eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe, sie feiern zusammen Feiertage und Geburtstage. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schüler Schlimmes erlebt haben.
Krieg und Ängste sind Thema im Kurs
Die Ereignisse in der Ukraine, die Flucht, aber auch die Sorge um Angehörige seien oft Thema. „Ich kann diese privaten Dinge nicht einfach abblocken, denn auch das gehört zu meiner Arbeit in einem Deutschkurs“, sagt die Lehrerin. Sie denke oft nach Feierabend darüber nach, wie sie ihren Schützlingen helfen könnte. „Wenn sie gut drauf sind, bin ich auch glücklich. Aber ich nehme auch die Traurigkeit mit. Ich kann das nicht einfach abschalten“, erzählt sie.
Im Juli, am Ende von Smilevskas Kurs, steht ein Test auf dem A2-Niveau an. „Das reicht aus, um im Alltag nach dem Weg zu fragen, einzukaufen, Anträge auszufüllen sowie Termine auszumachen und kurze Gespräche zu führen.“
Sprachkurse
Diese Probleme gibt es in den Kursen
Doch es läuft nicht immer alles rund. Eine besondere Herausforderung ist laut Dozentin Smilevska das unterschiedliche Einstiegsniveau der Geflüchteten. „Eine Frau hat bereits in der Ukraine Deutsch studiert und unterrichtet, manche hatten es in der Schule, aber viele erleben hier ihre erste Begegnung mit der neuen Sprache“, erklärt sie. Das mache gerade den Anfang des Kurses schwierig.
Ein weiteres Problem nennt Organisatorin Taisa Maurer: „Sie kommen oft mit Kindern, müssen sich um die Anmeldung in der Schule und eine Unterkunft kümmern. Der Sprachkurs ist da nur eines von vielen Themen, weswegen viele nicht sofort kommen können.“ Zudem sind die Kurse überlaufen: „Wir können leider nicht alle bedienen. Dafür fehlen uns die Räume und die Zeit“, bedauert die Organisatorin.

Geflüchtete Ukrainerin spricht von „Sprach- und Kulturschock“
Nina Malonava war noch früh genug dran. Die 44-Jährige stammt aus Sumy, einer Stadt im Nordosten der Ukraine. Sie unterrichtete an der dortigen Universität Englisch – und hat auch Deutsch studiert. Mitte März floh sie mit Mutter und Tochter vor dem Krieg nach Deutschland. Nun wohnt sie in Fischbach, betreut ihre Studenten in der Heimat weiterhin online und gibt einen Englischkurs für Anfänger an der VHS.
Sie ist froh, am Deutschunterricht teilnehmen zu dürfen. „Nach Deutschland zu flüchten, war für viele ein Sprach- und Kulturschock“, erklärt sie. Jeder habe sich an die neuen Umstände gewöhnen müssen. Der Kurs helfe ihr dabei. „Wir unterstützen uns gegenseitig, sprechen über unsere Erfahrungen in den vergangenen Wochen und lachen sehr viel zusammen“, beschreibt die 44-Jährige die Stimmung.
„Ich vermisse meine Heimat“
Doch es gibt auch traurige Momente. „Ich vermisse meine Heimat, meine Studenten und Bücher“, sagt sie mit Tränen in den Augen. Sobald der Krieg vorbei ist, wolle sie daher zurückkehren. Und sie hat ein Ziel: „Ich möchte mein Deutsch hier verbessern, um zuhause für meine Universität noch nützlicher zu sein und es meinen Studenten besser beibringen zu können.“