Die Städtepartnerschaft zwischen Friedrichshafen und Polozk in Belarus wurde im März 1991 besiegelt und sie ist quicklebendig. Der Festakt, mit dem im Juni das 30-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft und das 25. Jubiläum vom Freundeskreis Polozk im Graf-Zeppelin-Haus gefeiert werden sollte, ist storniert, aber die engen Freundschaftsbande der Menschen, die diese Städtepartnerschaft prägen, die halten.

„Wir halten die Verbindung mit Skype, Viber, E-Mail und WhatsApp aufrecht“, sagt Elvira Müller, Vorsitzende des Häfler Freundeskreises Polozk, und zeigt Fotos von einem Lebensbaum-Quilt, an dem die Frauen aktuell gemeinsam arbeiten, indem er nach jeder Runde weitergeschickt wird.
„Es ist das große Miteinander, das uns noch heute bewegt“
Im April 2020 ist noch ein Steh- und Gehtrainer für Rollstuhlfahrer in Polozk angekommen, aber an der Einweihung eines Areals für die Opfer des Faschismus konnten die Freunde vom Bodensee schon nicht mehr teilnehmen. „Die Menschen in Polozk haben in unserem Namen ein Blumenbukett mit Schleife niedergelegt“, sagt Elvira Müller. „Das hat uns schon sehr berührt, es ist das große Miteinander, das uns noch heute bewegt“, ergänzt Hubert Weiß, der mit Elvira Müller die Doppelspitze des Vereins bildet.

Corona hat auch Belarus erreicht, aber es wurde nicht ernst genommen. „Wir machen uns große Sorgen“, sagt Elvira Müller. Aber die Menschen in Polozk klagen ihr zufolge nicht, sie fragen immer wieder: „Wie geht es denn euch?“ und „Wann sehen wir uns wieder?“ Unter Paten und Helfern sind mit den Jahren enge Kontakte und Freundschaften entstanden.

Bürgerreisen, Austauschprogramme und Spenden
Die Stadt hat Bürgerreisen und Veranstaltungen organisiert, Werner Dietsche hat den Schüler-, Lehreraustausch aufgebaut, Fritz Rück vom Polozk Treff hat dafür gesorgt, dass gebrauchte Feuerwehrautos und Krankenwagen die weißrussische Partnerstadt in ordentlichem Zustand erreicht haben.
Die katholische Kirche unterhält mit Spenden zwei Sozialstationen und ökumenisch sowie vom Freundeskreis Polozk existieren Patenschaften. Alle gemeinsam stemmten unter Mitarbeit von Horst Keller das Großprojekt „sauberes Trinkwasser“.

Es gibt eine große Zahl großer und kleiner humanitärer Hilfsprojekte, die im städtischen Arbeitskreis Polozk koordiniert werden. Hier bewahrt Uwe Lenz den Überblick. Er selbst fährt unter normalen Umständen zweimal im Jahr in die Partnerstadt, um die von Häflern gespendeten medizinischen Gerätschaften zu warten. „Dass ich jetzt nicht rüber kann, das bereitet mir große Sorgen. Sobald ich geimpft bin, werde ich fahren, unbesehen der politischen Situation“, sagt er.

In einem Buch erzählen Rotraut und Jürgen Binder von Dankbarkeit, Lebensfreude und Gastfreundschaft
Die persönliche Begegnung vermissen alle schmerzlich. Auch Rotraut Binder, Ehrenvorsitzende des Freundeskreis Polozk, kann es kaum ertragen, dass man die Freunde nicht besuchen kann. „Ich trauere, weil ich nicht weiß, ob ich dieses Jahr wieder nicht nach Polozk komme“, sagt sie, und: „Dass wir den Menschen näher gekommen sind, ist doch eines der schönsten Ergebnisse dieser Städtepartnerschaft.“

Wie Elvira Müller hat auch Binder Polozk in diesen 30 Jahren mindestens einmal im Jahr besucht und zusammen mit ihrem Mann Jürgen Binder sogar ein Buch über die Begegnungen mit den Menschen geschrieben. Es erzählt von Dankbarkeit, Lebensfreude und von Gastfreundschaft, von den hellen Momenten, fröhlichen Festen und von den dunklen Stunden, in denen sie erkennen mussten, was Deutsche in Belarus angerichtet haben. „In Polozk lache und weine ich so viel wie sonst das ganze Jahr nicht“, sagt Rotraut Binder.

Und wenn am 26. April zum 35. Mal Kränze für die Toten von Tschernobyl auf dem Wasser schwimmen, dann wird als Geste der Freundschaft wieder ein Kranz mit einem Gruß vom Freundeskreis zu Wasser gelassen, auch wenn niemand aus der Partnerstadt da sein wird. „Wir versuchen virtuell, mit einem Grußwort online am Festakt teilzunehmen“, sagt Elvira Müller.