Am 1. Januar wird der Häfler Stadtverkehr umgekrempelt. Schaut man sich die Zahlen an, klingt das gewaltig. 38 Busse bedienen 412 Haltestellen auf einem 225 Kilometer langen Liniennetz. Pro Werktag sind das stolze 765 Fahrten, haben die Verkehrsexperten vom Stadtverkehr ausgerechnet. Macht in der Summe 2,3 Millionen Fahrkilometer. Das heißt, dass die Häfler Stadtbusse im nächsten Jahr 57 Mal den Erdball umrunden.
Ein Drittel mehr Verkehrsleistung
Im Vergleich zu heute wird das Busangebot in Friedrichshafen um ein Drittel ausgebaut. Das Mehr an Fahrleistung resultiert vor allem daraus, dass auf den meisten Strecken tagsüber und unter der Woche künftig ein 30-Minuten-Takt gefahren wird, und das abends eine Stunde länger bis 21 Uhr. Zwischen Ailingen und Stadtbahnhof fahren die Busse sogar im 10-Minuten-Takt.
Ausgedacht haben sich das neue Linien- und Fahrkonzept Horst Schauerte und seine Nachfolgerin Magdalena Linnig, die bisher Abteilungsleiterin ÖPNV beim Stadtverkehr Friedrichshafen (SV) war. Der Wechsel zwischen dem scheidenden Geschäftsführer und der neuen Chefin erfolgt zum Jahresende.
Wechsel in der Chefetage
Horst Schauerte geht zurück zur Österreichischen Bundesbahn und wird Regionalmanager bei der Postbus AG. Damit wird er zuständig sein für rund 900 Mitarbeiter und 700 Busse, die in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland regional unterwegs sind. „In Deutschland sind nur die Verkehrsbetriebe in Berlin größer“, freut sich der Verkehrsexperte auf den neuen Job. Was erklärt, warum der Wiener nach nicht mal zwei Jahren Friedrichshafen wieder den Rücken kehrt.

Neu und doch alt ist der künftige Partner beim Häfler Stadtverkehr. Ende 2023 läuft der Betriebsvertrag mit der Regionalverkehr Alb–Bodensee (RAB) aus. Im Januar 2024 startet der neue Vertrag – die RAB bleibt. Das Unternehmen hat nach europaweiter Ausschreibung alle fünf Lose im Häfler Verkehrsnetz gewonnen. „Sie haben die besten Angebote abgegeben“, sagt Horst Schauerte. Die Busse stellt der Stadtverkehr künftig selber, aber am Steuer sitzt in den nächsten acht Jahren weiterhin das Personal der RAB.
Es wird „rumpeln“
Dass die Veränderungen im Stadtverkehr mit dem Jahreswechsel gewaltig sind, dessen sind sich Horst Schauerte und Magdalena Linnig bewusst. „Wir sind darauf vorbereitet, dass wir viel Feedback bekommen werden“, sagt die Geschäftsführerin in spe mit einem Augenzwinkern. Bei einer derart großen Umstellung werde es „natürlich rumpeln“, weil eben nicht jeder die Veränderungen mitkriegt, egal ob im Streckennetz oder bei den Abfahrtszeiten. Auch wenn die Verkehrsgesellschaft seit Wochen im großen Stil informiert und Werbung schaltet. „Es wird schon ein paar Wochen dauern, bis der Gewöhnungseffekt einsetzt“, weiß Magdalena Linnig.

„Wir haben die Umstellung gut vorbereitet“, ist sich Horst Schauerte sicher. „Aber wir kennen auch die kritischen Punkte im Netz, die Schwächen im Konzept.“ Letztlich sei es unmöglich, allen Wünschen gerecht zu werden. Was der Stadtverkehr jetzt auf die Straße bringe, reize den von der Stadtpolitik erweiterten Kostenrahmen komplett aus – und das möglichst effektiv. Bisher durfte der Stadtverkehr pro Jahr bis maximal 2,5 Millionen Euro ins Defizit gehen. Ab Januar liegt der Kostendeckel bei 4 Millionen Euro Miese.
Großer Schritt nach vorn
„Mehr Leistung kostet. Dafür machen wir in vielerlei Hinsicht einen großen Schritt nach vorn“, sagt Horst Schauerte. Da ist der Fuhrpark mit 38 nagelneuen Bussen, die deutlich ökologischer fahren als die „Silberpfeile“ bisher. An den Haltestellen stehen neue Stelen, die die Fahrgäste nun übersichtlicher und einfacher informieren, welcher Bus hält, wohin er fährt und wann der nächste kommt.

An 32 stark frequentierten Haltestellen hängen auch schon die digitalen Fahrpläne, sogenannte E-Paper. Die Displays zeigen fortlaufend und vor allem in Echtzeit an, welcher Bus in den nächsten Minuten kommt. „Das ist ein enormer Fortschritt für Friedrichshafen“, sagt Magdalena Linnig. Ziel sei es, jede Haltestelle damit auszurüsten, auch die abgelegensten Haltepunkte wie in Huiweiler, wo heute nur der Schulbus hält. Denn dann können aktuelle Informationen von der Zentrale aus direkt aufgespielt werden, ohne dass ein Mitarbeiter rausfahren muss, um einen Zettel auszuhängen.
Elektronische Fahrgastzählung kommt
Mit den neuen Bussen tritt beim Häfler Stadtverkehr auch die automatische Fahrgastzählung in Kraft. An den Türen sind Sensoren verbaut, die jeden Fahrgast zählen, der ein- oder aussteigt. „Damit wissen wir bald genau, welche Strecken oder Haltestellen zu welchen Tageszeiten gut oder gar nicht genutzt werden“, sagt Magdalena Linnig. Anhand dieser Daten könne man in den nächsten Wochen und Monaten das neue Stadtverkehrskonzept bei Bedarf nachsteuern.