Eisschmelze, Ozean-Erwärmung, Treibhauseffekt – der Klimawandel ist längst nicht mehr zu ignorieren. Doch, wer versteht schon so ganz genau, was da eigentlich vor sich geht? Und lässt sich das wirklich kurz und knapp darstellen? Christian Serrer und David Nelles haben eineinhalb Jahre gelesen, recherchiert und mit über 100 Wissenschaftlern gesprochen. Heraus kam ein kleines, kompaktes Buch mit Grafiken und Schaubildern, also eine Art Bilderbuch für Erwachsene. Und ein eigener Verlag, die Klimawandel GbR, Firmensitz: WG-Zimmer.

Nur Stammtischwissen war vorhanden

Es begann mit einem harmlosen Small-Talk zwischen Studierenden in der Mensa der Zeppelin-Universität. "Wir sprachen über den Klimawandel und seine Folgen", erinnert sich Serrer, "aber irgendwie merkten wir schnell, dass wir eigentlich nur Stammtischwissen hatten." Die beiden angehenden Wirtschaftswissenschaftler klapperten also die Häfler Buchhandlungen ab, um sich ins Thema einzulesen. "Aber die Bücher waren alle so kompliziert, dick, wissenschaftlich", sagt Nelles. Kurze, knappe Fakten über den Klimawandel, seine Ursachen, die Folgen und besonders die Auswirkungen auf den Menschen gab es hingegen nirgendwo. "Da dachten wir uns: Komm, dann machen wir das halt schnell selbst", erklärt der 22-jährige Nelles. Heute, eineinhalb Jahre später, kann er über das "schnell selbst" nur lachen. Denn aus dem "schnell" wurden viele tausend Stunden Arbeit. 

Christian Serrer (hinten) und David Nelles haben ein handliches Buch zum Klimawandel und seine Ursachen geschrieben. Weil sie das Buch ...
Christian Serrer (hinten) und David Nelles haben ein handliches Buch zum Klimawandel und seine Ursachen geschrieben. Weil sie das Buch im Handel nicht teurer als eine Pizza verkaufen wollten, haben sie dafür einen eigenen Verlag gegründet – und gleich mal eine Auflage von 100 000 Stück produziert. | Bild: KlimaWandel GbR
Blick ins Buch „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“ von David Nelles und Christian Serrer.
Blick ins Buch „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“ von David Nelles und Christian Serrer. | Bild: „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“ / © David Nelles & Christian Serrer.

Die Vermieterin der Wohngemeinschaft, in der die beiden Studenten leben, stellte einen weiteren Raum zur Verfügung als Büro. Dort saßen Serrer und Nelles Tag für Tag, lasen, recherchierten, ließen sich von Wissenschaftlern Tipps geben. "Jeder unserer Sätze ist belegt, teilweise sogar mehrfach", betont Serrer. Rund 100 Wissenschaftler, darunter Klimawandel-Ikonen wie der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Professor Joachim Schellnhuber, oder Klimaforscher Professor Stefan Rahmstorf, berieten und begleiteten die Studierenden bei ihrem Schreibprozess. "Wir haben alle Texte von Experten überprüfen lassen, schließlich sollte das alle absolut wissenschaftlich korrekt sein", sagt Nelles. Das Literaturverzeichnis gibt es als QR-Code im Buch, alles andere hätte den Rahmen gesprengt.

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Das Buch darf nur so viel kosten wie eine Pizza

"Kleine Gase – große Wirkung. Der Klimawandel" lautet der Titel des Buches, das auch die Auswirkungen des Wandels spannend aufbereitet. 148 Seiten umfasst das Buch, die einzelnen Texte sind oft nur ein paar Sätze lang. "Wir wollten, das jeder dieses Buch versteht und dass es sich jeder leisten kann", erklärt Nelles. Das große Ziel der Studierenden: Das Buch über das aus ihrer Sicht wichtigste Thema für die Menschheit soll nicht mehr als eine Pizza kosten. Fünf Euro. "Wir haben bereits in einem ersten Gespräch mit einem Verlag gemerkt, dass dieser Buchpreis total unrealistisch ist", erinnert sich Nelles. Schnell stand fest: Kein Verlag zieht da mit. Und so gründeten die beiden Studierenden 2017 ihr eigenes Gewerbe, die Klimawandel GbR, und verlegten das Buch kurzerhand selbst.

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Doch wie finanziert man das?

Die Frage der Finanzierung stellte sich natürlich trotzdem, zumal die beiden jungen Gründer die Arbeit von drei selbstständigen Grafikern bezahlen mussten. So entstand die Idee, die Illustration und den Druck durch Vorbestellungen zu finanzieren. Nelles und Serrer kontaktierten größere Firmen und boten ihnen die Personalisierung der Rückseite des Buchs an. Etliche Firmen, darunter beispielsweise die Elektrizitätswerke Schönau ("Stromrebellen"), Elobau in Leutkirch oder die Fränkel AG in Friedrichshafen, waren begeistert und orderten gleich mehrere hundert Stück.

1. Auflage: 100.000 Stück

Mit diesem Vorschuss konnten die beiden Friedrichshafener die ehrgeizige Auflage von 100 000 Stück drucken lassen. Obwohl das Buch erst am 4. Dezember im Buchhandel erscheint, sind bereits 30 000 Stück über diesen Weg verkauft. "Die Unternehmen schenken die Bücher ihren Kunden oder Mitarbeitern beispielsweise zu Weihnachten", berichtet Serrer, "und genau darin liegt auch unsere Chance, dass Menschen es in die Hand bekommen, die sonst nie etwas über den Klimawandel lesen würden." Denn, Hand aufs Herz, das Thema Klimawandel ist schon recht unsexy. Das wissen auch die beiden Studierenden – und planen deshalb, auf allen Kanälen, auch in den sozialen Medien, präsent zu sein. Bereits heute halten sie in Unternehmen Vorträge zu Klimawandel-Themen.

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Schlimmer, als man als Normalo mitbekommt

Fest steht aber auch: wer dieses Buch liest, wird zwangsläufig sein Konsumverhalten überdenken. "In der öffentlichen Wahrnehmung geht es meist um die Dürren, die Eisberge, den Meeresspiegel", sagt Nelles, "aber das Problem ist, dass es eigentlich in allen Bereichen so viele verschiedene Probleme gibt." Serrer pflichtet ihm bei: "Es ist definitiv schlimmer, als man als Normalo mitbekommt und eigentlich macht es für alle, vor allem für Unternehmen, Sinn, Klimaschutz zu betreiben." Droht uns also wirkliche eine Apokalypse? "Ja", sagen die Studierenden, "vorausgesetzt alle machen so weiter wie bisher." Sie weisen außerdem auf die verschiedenen Kosten hin, die der Klimawandel verursacht. "Dagegen stehen die Kosten, die man aufbringen muss, um die Erderwärmung zu vermeiden", erklärt Serrer. Die Wissenschaft komme da zu einem recht deutlichen Ergebnis: Vor allem für bestimmte Bereiche, wie beispielsweise die Landwirtschaft, sei es unausweichlich, dagegen zu steuern.

Fleischkonsum drastisch reduzieren

Doch was kann jeder einzelne tun, um den Klimawandel und den darauffolgenden Super-Gau aufzuhalten? "Wir wollen nicht missionieren", sagt Serrer, "aber man kann schon im Kleinen anfangen." Konkret hieß das in der Studenten-WG: Den Fleischkonsum drastisch reduzieren. Heute gibt es dort nur noch einmal die Woche Fleisch, statt wie vorher täglich. "Die Tierhaltung gehört zu den größten Verursachern der globalen Erwärmung", erklärt Nelles, "und es ist so einfach, weniger Fleisch zu konsumieren und andere leckere Sachen zu kochen." Auch Flüge sind bei den Studenten gestrichen. Und zur Uni geht es mit dem Bus oder auf dem Rad.

Am 4. Dezember kommt das Buch auf den Markt. In den Köpfen der Studierenden sprudeln Ideen für ein nächstes. "Jetzt aber erstmal das Studium fertig machen", sagt Nelles, "aber Lust haben wir schon wieder."

 

 

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