Auf dem Bolzplatz des Feriendorfs Langenargen fliegen die Bälle. Zwölf junge Männer zeigen ihr Gefühl für das runde Leder und rennen, dribbeln, kicken. Dass sie unterschiedliche Sprachen sprechen, ist dabei egal. Fußball verbindet, ist international. Ein hochgewachsener Junge führt seine Kopfballkünste vor. Assani ist im Oktober allein aus Burundi nach Deutschland gekommen, sagt er. Jetzt wohnt er hier im Feriendorf, in dem das Landratsamt im November eine Notunterkunft für unbegleitete minderjährige Geflüchtete im Alter von 14 bis 17 Jahren eingerichtet hat. Er teilt sich das Schlafzimmer mit einem weiteren jungen Mann.

In der Regel sind die jungen Männer zu zweit in einem Schlafzimmer untergebracht.
In der Regel sind die jungen Männer zu zweit in einem Schlafzimmer untergebracht. | Bild: Anette Bengelsdorf

Morgens sei Unterricht, berichtet Assani, um 12 Uhr Mittagessen. In der gemütlichen Wohnküche ist bereits der Tisch für zwölf hungrige junge Männer gedeckt. Das Essen sei gut, sagt er und versichert mit breitem Lächeln, er sei glücklich hier, und die Sozialarbeiter bereits seine Familie.

In der kleinen Wohnküche ist bereits der Tisch fürs Mittagessen für zwölf Jugendliche gedeckt.
In der kleinen Wohnküche ist bereits der Tisch fürs Mittagessen für zwölf Jugendliche gedeckt. | Bild: Anette Bengelsdorf

Die Zahl der Geflüchteten steigt

Mit dem Krieg in der Ukraine hat das Thema Flucht und Migration wieder Fahrt aufgenommen. Wurden 2017 noch 150 unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) im Bodenseekreis betreut, war ihre Zahl bis Ende 2021 auf 25 gesunken. Seither steigt sie kontinuierlich wieder an. Das Landratsamt und die freien Träger der Jugendhilfe sind deshalb seit Februar des vergangenen Jahres auf der Suche nach geeigneten Unterkünften für die jungen Menschen.

Im Feriendorf können maximal 20 von ihnen untergebracht werden. Doch das Glück ist nicht von Dauer. Ab April werden die Wohnungen wieder an Urlauberfamilien vermietet und die Jugendlichen müssen raus. Dann müssten sie, bedarfsgerecht, auf Unterkünfte der freien Jugendhilfe und auf Gastfamilien verteilt werden. Die Turnhallen seien bereits voll, sagt der Sozialdezernent des Bodenseekreises, Ignaz Wetzel, und im April würden noch mehr Jugendliche erwartet. Deshalb werden dringend Wohnungen und eine Immobilie für 16 bis 20 junge Menschen gesucht.

Das Feriendorf Langenargen dient noch bis Ende März als Notunterkunft für derzeit zwölf jugendliche Geflüchtete.
Das Feriendorf Langenargen dient noch bis Ende März als Notunterkunft für derzeit zwölf jugendliche Geflüchtete. | Bild: Anette Bengelsdorf

Die Hilfsbereitschaft sinkt

„Die Situation ist anders als 2015“, sagt Werner Nuber. Damals seien sie bei der Suche nach Gastfamilien auf eine große Bereitschaft gestoßen. Die Gesellschaft scheint jetzt müde geworden zu sein, beklagt der stellvertretende Geschäftsführer der Arkade. Nicht nur geeignete Immobilien und Gastfamilien, auch Mitarbeiter werden dringend benötigt. Neben Fachkräften seien derzeit 20 Ehrenamtliche für die Arkade tätig. Darunter auch fünf ehemalige UMA, die als Dolmetscher arbeiten, ihre Erfahrungen weitergeben und Freizeitprogramme gestalten.

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Doch auch die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, sei nicht mehr so hoch wie während der ersten Flüchtlingswelle, stellt auch Roland Werner von der Linzgau Kinder- und Jugendhilfe fest. Nicht nur die deutsche Sprache muss den Jugendlichen vermittelt werden. Arbeitsmöglichkeiten müssen aufgezeigt und sie müssen an diese herangeführt werden. Ein zentrales Thema seien auch Kulturtechniken, sagt Werner Nuber. Wie benutze ich hierzulande ein WC, wie komme ich an einen Arzttermin?

Katharina Grünvogel (Arkade), Michael Erpenbach (Synergie), Werner Nuber (Arkade), Eva Zipperer (Jugendamt), Ignaz Wetzel ...
Katharina Grünvogel (Arkade), Michael Erpenbach (Synergie), Werner Nuber (Arkade), Eva Zipperer (Jugendamt), Ignaz Wetzel (Sozialdezernent Bodenseekreis) und Simone Schilling (Amtsleiterin Jugendamt) sprechen bei einem Termin im Feriendorf über die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter im Bodenseekreis. | Bild: Anette Bengelsdorf

Wie Gastfamilien unterstützt werden

Zehn von 58 Jugendlichen sind derzeit in Gastfamilien untergebracht. Zur Zeit der ersten Flüchtlingswelle seien es 80 von 150 gewesen, sagt Simone Schilling, Leiterin des Jugendamts. Sie möchte Familien die Angst vor dieser Aufgabe nehmen. „Gastfamilien werden nicht alleine gelassen“, sagt sie. Sie würden von ausgebildeten Fachkräften geschult und begleitet, die Vormundschaft werde auf das Jugendamt übertragen, für eine Erstausstattung werden die Kosten übernommen, für die Unterbringung und die Versorgung eine Aufwandsentschädigung gezahlt.

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Vielleicht hat Assani ja Glück und findet eine Familie. Von seiner Zukunft in Deutschland hat der Junge aus Burundi jedenfalls eine klare Vorstellung. „Ich will Fußballprofi werden und dann eine Familie gründen“, sagt er und versucht dabei, seine neu erworbenen Deutschkenntnisse anzuwenden.

Immobilien- und Hilfsangebote nimmt das Jugendamt unter Telefon 0 75 41/2 04 53 64 oder per E-Mail an jugendamt@bodenseekreis.de entgegen. Potenzielle Gastfamilien können sich auch bei der Arkade unter Telefon 07 51/3 66 55 90 oder per E-Mail an info-jumega@arkade-ev.de melden.