Rund 18 Kilo Äpfel isst jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Vor zehn Jahren waren es noch gut zehn Kilo mehr. Dieser Entwicklung nach unten will der Obstbau mit der Entwicklung neuer Sorten entgegenwirken. Hoffnung setzt die Branche auf neue Sorten mit rotem Fruchtfleisch.

Den Rückgang des Apfelkonsums führt Ulrich Mayr, im Kompetenzzentrum Obstbau (KOB) in Bavendorf verantwortlich für Sorten und Öko-Anbau, auf die Konkurrenz durch zahlreiche exotische Früchte in den Obstregalen der Supermärkte zurück. Das ganze Jahr über finden die Verbraucher dort sogenanntes Superfood, beispielsweise Heidelbeeren, Papaya, Granatäpfel und Avocados, das ebenfalls zum Obst gerechnet wird.
Vielzahl von Mineralien im Apfel
„Dabei ist der Apfel mit seinen ausgewogenen Inhaltsstoffen das Superfood schlechthin“, verteidigt Mayr das rotbackige Obst aus der Region. Er sei zwar keine Vitamin-C-Bombe, enthalte aber eine Vielzahl an Mineralien, Vitaminen und bioaktiven Substanzen. Der englische Spruch "An apple a day keeps the doctor away" (ein Apfel am Tag verhindert den Arzt) habe durchaus seine Berechtigung. Nun versuche man, dem heimischen Apfel ebenfalls einen exotischen Touch zu geben.
Neuer Apfel ab Herbst im Handel
Ergebnis ist die rotfleischige Sorte, die unter dem Namen Kissabel mit gelber und roter Schale in den Handel kommt. "Entstanden ist sie aus der Kreuzung von alten Apfelsorten mit Wildapfel- und Tafelobstsorten", erläutert Mayr. Die ersten Apfelexoten haben ihr Potenzial bereits bei deutschlandweiten Testverkäufen in Supermärkten unter Beweis gestellt, wobei die Reaktionen der Kunden notiert wurden.
"Sie waren eher positiv", weiß Esther Dworak, Marketingleiterin der Vertriebsgesellschaft "Obst vom Bodensee". Sie glaubt, dass der rotfleischige Apfel eher ein Nischenprodukt wird. "Aber die Konsumenten wollen immer wieder mal etwas Neues haben", so Dworak. In der Bodenseeregion gibt es nun größere Testpflanzungen und im Herbst wird man die rotfleischigen Äpfel kaufen können. Wo genau ist allerdings noch nicht bekannt. "Da muss man einfach im Geschäft die Augen aufmachen und auf das Kissabel-Logo achten", empfiehlt Mayr.
Granny Smith war in den 80er Jahren beliebt
Je roter der Apfel, desto attraktiver sei das Obst aktuell für den Verbraucher. Das war nicht immer so. In den 1970er Jahren bissen die Deutschen am Liebsten in den Golden Delicious, ein Zufallssämling, der seit Beginn des 20. Jahrhunderts gezielt gezüchtet wurde. In den 1980er Jahren folgte der Siegeszug des grünen Granny Smith, bedingt durch eine erfolgreiche Zahnpastawerbung. "Der Granny Smith wächst hier allerdings nicht, da seine Vegetationsperiode zu lange dauert", so Mayr. Nun also rote Äpfel, oder zumindest welche mit roten Backen. Für die Inhaltsstoffe spiele die Farbe aber überhaupt keine Rolle. Auch die alten Apfelsorten seien nicht gesünder. "Aber sie haben ihre Berechtigung als Kulturgut."
200 Sorten werden im Kompetenzzentrum geprüft
Generell drehe sich das Karussell der Apfelsorten extrem schnell. "Wir haben in Bavendorf immer etwa 200 Sorten in der Prüfung. Jedes Jahr kommen 40 neue Sorten dazu, dafür fallen 40 andere weg", berichtet Ulrich Mayr. "Nur wenige schaffen es am Ende tatsächlich auf den Markt." Eine davon ist Sweetango, die dem Trend nach besonders knackigen Äpfeln, sogenannten Crunchy-Äpfeln, entspricht. Schön sei, dass sie nach einer Woche in der Obstschale noch genauso knackig und saftig seien wie am ersten Tag. Dies spreche vor allem jüngere Leute an.
Hubert Knoblauch, Obstbauer aus Friedrichshafen-Ailingen, setzt aktuell auf diese Sorte. Er hat rund 4500 Sweetango-Bäumchen gepflanzt und erwartet im kommenden Jahr die erste Ernte. Die Sorte könne bereits Ende August gepflückt werden und lasse sich bis Dezember oder Januar gut lagern. "So etwas hatten wir bislang im frühen Sortiment nicht", so Knoblauch, der mehr als ein Dutzend verschiedene Sorten anbaut. Allerdings müsse man die Sweetangos vorsichtiger als andere Äpfel pflücken, was einen höheren Aufwand bedeute.
Überlegt hat sich Knoblauch ebenfalls, ob er auf die neue rotfleischige Sorte setzen soll. Im ersten Test hätten die Äpfel jedoch noch nicht so gut geschmeckt und er habe den Anbau verschoben. Grundsätzlich ist der Obstbauer neuen Sorten gegenüber aufgeschlossen. Ebenso wie Esther Dworak geht er davon aus, dass es sich bei Kissabel eher um ein Nischenprodukt handeln wird. "Aber in der Selbstvermarktung kann dieser Apfel durchaus eine Attraktion sein."
Wellant läuft im Hofladen gerade besonders gut
Eine beliebte Sorte in seinem Hofladen sei zum Beispiel auch der Apfel namens Wellant. "Seine Optik ist zwar nicht so toll, aber er hat einen Geschmack zwischen Rubinette und Boskop", erzählt er. Manche seiner Kunden würden bis zu zehn Kilometer fahren, um genau diese Sorte zu bekommen. Abgesehen hat Knoblauch aus wirtschaftlichen Gründen vom Anbau der kleinen Rocket-Äpfel, die ebenfalls im Trend sind. Mit zwei, drei Bissen sind sie zum Beispiel im Konferenzraum schnell verzehrt.
Äpfel vom Bodensee
- Die Bodenseeregion ist mit 9258 Hektar das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet in Baden-Württemberg.
- Die Anbaufläche für Baumobst betrug 2017 im Bodenseekreis 6999 Hektar, davon wuchsen auf 6076 Hektar Apfelbäume. Der Anteil des Tafelobsts lag bei 5462 Hektar. Die wichtigsten Sorten in Hektar laut Statistischem Landesamt: Elstar (1117), Jonagold (658), Braeburn (577) und Gala (646).
- Das Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee in Bavendorf (KOB) fördert den Obstbau in der Bodenseeregion und den Erhalt der gewachsenen Kulturlandschaft. Dabei übernimmt es Aufgaben an der Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Praxis. www.kob-bavendorf.de