Es waren einmal sieben Satelliten-Ingenieure am Bodensee. Sie arbeiteten für Astrium in Immenstaad und sollten Anfang der 2000er Jahre ins bayerische Ottobrunn versetzt werden. Aber das wollten sie nicht und so machten sie ihr eigenes Ding. Sie zogen ins Industriegebiet in Salem-Neufrach und gründeten das Unternehmen Advanced Space Power Equipment GmbH (ASP). Fortan machten sie dort das gleiche wie zuvor: Sie bauten Stromversorgungssysteme für Satelliten.
20 Jahre später hat dieses Unternehmen Leistungselektronik für zahlreiche kreisende Satelliten im All gebaut und macht einen Umsatz von etwa 20 Millionen Euro Umsatz. Rund 110 Mitarbeiter arbeiten dort – das sind drei von ihnen.
Marco Meyer – der Routinier

Er war dabei, als sie noch keinen einzigen Cent verdienten. Marco Meyer stieg nach seinem Studium Ende der 1990er-Jahre als Elektrotechnik-Ingenieur bei Astrium ein. Nach der ASP-Gründung folgte er seinen Kollegen nach Neufrach. „Wir haben damals von null angefangen“, erzählt er. „Wir arbeiteten in einer Handvoll Büros und die Arbeitsabläufe waren noch nicht festgelegt.“
Vor allem sei es am Anfang schwer gewesen, sich in der Branche zu etablieren, sagt er. „Es ist in der Raumfahrt wichtig, Auftraggebern Projekte vorzuweisen – und das konnten wir direkt nach der Firmengründung noch nicht.“ Mittlerweile liefert ASP an Branchengrößen wie Airbus Defence oder Thales, die die gefertigte Elektronik wiederum in die Satelliten einbaut.
Meyer ist heute bei Leiter der Qualitätskontrolle. Der 46-Jährige sagt: „Mich reizt, dass wir hier etwas voranbringen“, sagt er. Eines der Highlights im Beruf sei es, wenn Satelliten mit Salemer Elektronik an Bord ins All geschossen werden. Dann fiebert er mit Kollegen bei sogenannten Launch-Partys bei der Arbeit (engl. für Raketenstart-Party) mit. Das Schönste sei, wenn der Satellit anschließend im Orbit Signale aussende. „Dann ist nämlich alles gut verlaufen“, sagt er.
Bianca Grahle – die Führungskraft in der Männerbranche

Die Raumfahrt ist traditionell eine Männerdomäne, das galt auch lange für ASP. Laut Geschäftsführung sind heute aber 40 Prozent der Angestellten weiblich – dazu gehört auch Bianca Grahle. Die 41-Jährige ist gelernte Metallografin. Sie überprüft unter anderem die Erzeugnisse in einem staubfreien Raum auf Tüchtigkeit, beispielsweise sogenannte Konverter. Diese versorgen die Kameras an Erdbeobachtungssatelliten mit Strom, sodass diese sich im All an den Sternenbildern orientieren kann.
Grahle stammt aus dem Raum Stuttgart und stieg nach ihrer Ausbildung am Max-Planck-Institut zuerst bei einem regionalen Automobilzulieferer ein. Vor rund zwölf Jahren wechselte sie nach Salem. In der Automobilbranche würden Produkte in großen Serien gefertigt, bei ASP sei fast jedes Produkt ein Einzelstück, schwärmt sie. Stolz macht sie, wenn sie daran denkt, an welchen Satelliten im All sie mitgearbeitet hat. Dazu gehört beispielsweise der Erdbeobachtungssatellit Sentinel 2 aus dem Copernicus-Programm der Europäischen Raumfahrtorganisation (Esa).
Die 41-jährige Mutter bereut den Schritt von der Landeshauptstadt in die Provinz nicht. Sie könne Beruf und Familie vereinbaren, in Teilzeit arbeiten und gleichzeitig stellvertretende Abteilungsleiterin sein. Und da sei noch die Schönheit der Region: „Der Bodensee und sein Hinterland sprechen einfach für sich“, sagt sie. „In Stuttgart musste ich mir das Grün immer mit anderen teilen.“
Reiner Strobel – der Chef

Wenn er seinen Kindern erklären würde, was seine Firma herstellt, würde Reiner Strobel sagen: „Wir bauen elektronische Geräte, die die elektrische Energie an Bord eines Satelliten managen.“ Strobel stammt aus Jena und hat sein ganzes Berufsleben in der Raumfahrt gearbeitet. Anfangs bei einer Firma in seiner Heimat, später in unterschiedlichen Positionen von Airbus. Im Jahr 2020 übernahm er den Chefposten in Salem. Seitdem ging es bergauf, 60 Prozent Umsatzwachstum in vier Jahren. Laut Strobel könnte es gern so weitergehen. „Die Auftragslage ist mehr als rosig, das einzige Problem ist, neue Mitarbeiter zu finden haben, um dieses Wachstum fortzusetzen.“
Seit der Corona-Pandemie ist die Raumfahrt wieder auf Wachstumskurs. Das bestätigen auch Zahlen der Unternehmensberatung McKinsey. Grund dafür ist auch die Kommerzialisierung der Raumfahrt. Start-ups und andere Firmen drängen neben staatlichen Raumfahrtorganisationen in die Branche und entwickeln neuen Techniken für den Weltraum. „Diese Entwicklung bietet uns aber ein zweites Standbein“, sagt Strobel. Noch fertige das Unternehmen Elektronik für die etablierten Firmen, doch aktuell einen Auftrag eines Start-ups aus Lausanne. Dieses will Weltraummüll aus der Umlaufbahn entfernen.
Aktuell laufen bei ASP bis zu 12 Fertigungsprojekte nebeneinander: Dauerprojekte, aber auch ein Auftrag für die neue Generation des Galileo-Navigations-Satelliten der Esa. Bald könnte ein weiteres Projekt hinzukommen: Die EU will mit dem Milliardenprogramm namens Iris² ein Satellitenverbund für sichere Kommunikation für Unternehmen und Bürger im europäischen Raum aufbauen. Bisher war man von Drittstaaten abhängig. Die Aufträge sind bereits ausgeschrieben. „Da werden wir auch unseren Hut in den Ring werfen“, sagt Strobel. „Wir sind kampfbereit.“