Eine emotionale Debatte entspann sich jüngst im Überlinger Gemeinderat – Thema: der Einsatz von mobilen Raumluftfiltergeräten in den städtischen Schulen und Kindertageseinrichtungen. Räume, die nur unzureichend zu lüften sind, werden mit diesen ausgestattet. In einigen Fällen ist das schon geschehen, weitere folgen mit dem getroffenen Beschluss. Auch ist vorgesehen, in Schulen und Kindertageseinrichtungen, die von Kindern mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf besucht werden, Maßnahmen zu ergreifen.
Julia Sonntag, Vorsitzende des Jugendgemeinderats und Abiturientin am Wirtschaftsgymnasium in Trägerschaft des Landkreises, geht dieses Vorgehen nicht weit genug. Aus ihrem Schulalltag berichtet sie, dass entweder die Fenster oder die Türen zu den jeweiligen Klassenräumen offenstehen. In welchen Intervallen und wie lange gelüftet wird, hängt dabei vom jeweiligen Lehrer oder CO2-Ampeln ab. Die vorgeschlagenen Lüft-Intervalle reichten nicht aus, um die Ampeln auf grün zu bringen, beschrieb Sonntag in der Ratssitzung.
Jugendgemeinderatsvorsitzende: „Wir bekommen immer einen kalten Luftzug ab“
Ihren Schilderungen nach wird es in den Räumen nie richtig warm. Die Situation senkt aber auch die Konzentration, um dem Unterricht folgen zu können, oder während Klausuren. „Wir haben teils zehn Stunden Schule und bekommen immer einen kalten Luftzug ab. Wir dürfen Jacken, Mützen und Sonstiges tragen. Aber es ist noch anstrengender, beim Unterricht mitzumachen. Es ist auch störend, wenn in einer Klausur alle die Winterjacken anhaben und es raschelt“, sagt die Jugendgemeinderatsvorsitzende.
Raumlüfter empfände sie als sinnvolle Ergänzung zum Lüften und zu CO2-Ampeln. Die Priorität sieht sie bei den jüngeren Schülern. „Je jünger, desto schwieriger ist die Situation. Ich kann selbst kontrollieren, ob ich sicherheitshalber einen Tag zu Hause bleibe, weil es mir nicht gut geht“, erklärt Julia Sonntag, gibt allerdings zu: „Ich leide schon sehr darunter – auch meine Klassenkameraden.“ Sie geht davon aus, dass die schulische Leistung „bei dem ein oder anderen beeinträchtigt wird“.

Die Diskussion um die Einrichtungen der Stadt Überlingen hält sie für verspätet: „Tatsächlich muss ich sagen, dass man sich, in Anbetracht dessen, dass in der Corona-Situation nochmals ein schwieriger Winter kommt, definitiv früher damit hätte beschäftigen müssen. Die Hinweise waren auf jeden Fall da.“ Sie hofft, dass es doch zu einem flächendeckenden Einsatz kommt – auch als Vorsorge.
Carmen Kindler, Geschäftsführende Schulleiterin der Überlinger Schulen und Rektorin der Grundschule Lippertsreute-Deisendorf, teilt mit: „Die Überlinger Schulleitungen sind sich darüber einig, dass es entsprechend der baulichen Gegebenheiten der jeweiligen Schulstandorte Unterrichtsräume gibt, die priorisiert mit Luftfiltern ausgestattet werden müssen, um die Räume überhaupt als Unterrichtsräume weiterhin nutzen zu können.“
CO2-Ampeln: Nur wenige Minuten, in denen Fenster geschlossen sein können
Die städtischen Schulen wurden zum neuen Schuljahr vom Träger mit CO2-Ampeln ausgestattet, „die sicherlich als Signalgeber zu Lüftungsintervallen alltagsdienlich wahrgenommen werden“, erklärt Kindler: „Gleichzeitig aber sind die Lüftungsintervalle mittels dieser Signalgeber derart unterschiedlich, dass wir zum großen Teil nur wenige Minuten haben (zwischen fünf und acht Minuten), in denen Fenster in Unterrichtsräumen tatsächlich geschlossen sein können. Wenn wir trotz aller zeitgemäßen Unterrichtstaktung aber von weiterhin 45 Minuten Unterrichtszeit ausgehen, lüften wir faktisch im Dauermodus.“

Die einstige Vorgabe der Landesregierung, des Robert-Koch-Instituts sowie des Bundesumweltamtes, Lüftungsintervalle von 20 Minuten einzuhalten, stimme in der Alltagspraxis nicht mit den akustischen Signalen der CO2-Ampeln überein, „sodass die Überlinger Schülerschaft (und überregional) in Unterrichtsräumen sitzt, die trotz Heizperiode eine Minimaltemperatur aufweisen“, sagt die geschäftsführende Schulleiterin und stützt damit das Empfinden von Julia Sonntag.

Mobile Luftfilter anschaffen, wo lüftungsfreie Zeit dadurch verlängert werden kann
Carmen Kindler erläutert stellvertretend für die Überlinger Schulleiterinnen und Schulleiter: „Nun kann man über pragmatische Ansätze nachdenken, um die Lernumgebung für die Schülerinnen und Schüler gefühlt wärmer zu gestalten; faktisch jedoch ist mit solchen Lösungen niemandem auf Dauer gedient. Angesichts der noch vor uns liegenden Wintermonate kommen die Überlinger Schulleitungen zu dem Schluss, dass mobile Luftfilteranlagen in Unterrichtsräumen dann als nützlich bewertet werden, wenn dadurch die lüftungsfreie Zeit im Raum verlängert werden kann.“ Dass ein Luftfiltergerät das Lüften nicht per se ersetze, sei allen Überlinger Schulleitungen klar. Kindler verweist aber auf positive Erfahrungen mit mobilen Luftfiltern in der Gemeinde Owingen.
Was die Eltern sagen
Alle Überlinger Schulen innerhalb der staatlichen Förderung noch mit mobilen Luftfiltern ausstatten zu können, halten die Schulleitungen allerdings für fraglich. Auch bei der Finanzierung im Anschluss sehen sie Hürden, „da Folge- und Wartungskosten uneingeschränkt vom Schulträger zu übernehmen sind“.
Wegen Finanzen: Verteilung an Schulstandort und Schülerklientel festmachen
„An dieser Stelle macht es daher – mit Blick auf den städtischen Doppelhaushalt – durchaus Sinn, mit Sachverstand und Priorisierung vorzugehen und Letzteres zum einen an den gebäudetechnischen Gegebenheiten der Schulstandorte festzumachen und zum anderen an der Art der Schülerklientel, die zum Beispiel ein besonders hohes Maß an Schutzmaßnahmen erfordert“, sagt Carmen Kindler – so wie es ihren Ausführungen nach gerade an der Grundschule Nußdorf passiert ist.
Zudem rät sie Eltern von Kindern mit erhöhtem Gesundheitsrisiko zu Gesprächen mit der jeweiligen Schulleitung. „Dass Arzttermine aufgrund eines Infektionsgeschehens an Schulen nicht ausgegeben werden, klingt schwerwiegend, weshalb ich an dieser Stelle auf die Möglichkeit verweisen möchte, Kinder in solchen Zeiten von der Präsenz befreien zu lassen. Dies erleben wir auch in Verbindung mit erforderlichen Operationen, denen sich Schülerinnen und Schüler unterziehen müssen“, schreibt sie weiter. Ein Vater hatte Entsprechendes in der Ratssitzung berichtet.